Staatsverschuldung ist zudem solange unproblematisch wie staatliche Investitionen mit Krediten finanziert werden

Staatsausgaben für andere Zwecke finanziert werden. Dies war aber in der Vergangenheit empirisch nicht der Fall.

Staatsverschuldung ist zudem solange unproblematisch, wie staatliche Investitionen mit Krediten finanziert werden bzw. die Einnahmen aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten. Dies war zu Recht ausdrücklich in unserer Verfassung, im Artikel 115 GG a.F., festgelegt. Und es war darüber hinaus festgeschrieben, dass zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, was bei vorliegender Massenarbeitslosigkeit ohne Frage der Fall ist, auch darüber hinaus Schulden gemacht werden dürfen.

Diese finanzpolitisch sinnvolle Regelung wurde aber schon mit dem Europäischen Stabilitätsund Wachstumspakt ad absurdum geführt. Der 1997 in Amsterdam beschlossene Pakt sieht sogar noch eine über den Maastricht-Kriterien hinausgehende Einengung nationaler Finanzpolitik vor, weil er die EU-Länder verpflichtet, mittelfristig einen ausgeglichenen Staatshaushalt (oder sogar einen leichten Überschuss) auszuweisen. Damit wird der Pakt zu einer fiskalischen Zwangsjacke, wie Peter Bofinger (2005, S. 94ff.) schreibt. Siehe dazu auch Heise (2002, S. 269ff.). Im konjunkturellen Aufschwung kann die 3-Pozent-Marke zwar unterschritten werden, im Abschwung, in einer Krisensituation, ist diese Grenze der Staatsverschuldung aber viel zu niedrig angesetzt. Erzwungene staatliche Einsparprogramme wirken hier prozyklisch, d.h. sie verschärfen den konjunkturellen Abschwung und sorgen letztlich sogar für mehr Staatsverschuldung.

Hinzu kommt die Problematik einer einheitlichen europäischen Geldpolitik auf Grund der Euro-Einführung (Währungsunion). Die Europäische Zentralbank kann nur einheitliche nominale Zinsen für alle Länder festlegen, die aber auf Grund unterschiedlicher realwirtschaftlicher Verhältnisse divergierende Inflationsraten ausweisen. Dies wiederum bedeutet, dass der für die wirtschaftliche Entwicklung relevante Realzins ebenfalls unterschiedlich hoch ausfällt. Für Länder mit einer niedrigen Inflationsrate und zu schwach ausgeprägter Binnennachfrage, wie beispielsweise in Deutschland, bedeutet dies realiter hohe

Die Kriterien sollten mit Einführung des Euros zu einer haushaltspolitischen Disziplinierung führen. Man befürchtete das durch Staatsverschuldung inflationäre Prozesse ausgelöst und dadurch der Euro zu einer Weichwährung degenerieren würde. Doch schon in den neunziger Jahren hätte man leicht erkennen können, dass Länder mit einem hohen Schuldenstand nicht unbedingt eine hohe Inflationsrate haben. So war Belgien bei einem Schuldenstand von über 100 v.H. die Geldentwertung traditionell gering, während Spanien mit einem relativ niedrigen Schuldenstand Anfang der neunziger Jahre noch eine recht hohe Inflationsrate aufwies (Bofinger 2005, S. 96.).

Realzinsen und damit eine Behinderung notwendiger investiver Prozesse. Umso wichtiger wäre es aus Kompensationsgründen eine höhere nationale fiskalische Flexibilität durch Verschuldung zu haben, die aber dummerweise mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt verbaut wird.

Staatshaushalt ist kein Privathaushalt

Auch die immer wieder zu hörende aber offensichtlich nicht ausrottbare falsche Behauptung, der Staatshaushalt sei mit dem eines privaten Haushalts oder Unternehmens vergleichbar, die schließlich auch langfristig nicht wesentlich mehr Ausgeben als Einnehmen könnten, ist nur eines der weiteren Scheinargumente gegen Staatsverschuldung. Denn erstens ist die öffentliche Verschuldung eine Kreditsumme, die wir ­ Bürger und Institutionen wie Banken und Versicherungen ­ uns selbst schulden. Demgegenüber sind private Schulden Forderungen zwischen verschiedenen Wirtschaftseinheiten. Nur eine äußere Staatsschuld (Verschuldung im Ausland) ist daher mit den Maßstäben der betriebswirtschaftlichen Finanzierungslehre zu betrachten. Zweitens muss eine öffentliche Schuld nicht unbedingt zurückgezahlt werden; das Staatsvolk als Schuldner hat theoretisch eine ewige Lebensdauer. Die fälligen Anleihen könnten durch immer wiederkehrende Neuausgaben von Papieren abgelöst werden. Drittens würde selbst eine Tilgung der Staatsschulden einer Volkswirtschaft keinen Reichtumsvorteil bringen. Die Steuern müssten im Falle der Tilgung erhöht werden, um die Rückkaufbeträge aufzubringen. Der Staat gäbe die Mehreinnahmen also an die Wirtschaftssubjekte zurück, die ihm gerade höhere Steuern abgeliefert haben. Ein bloßer Transferprozeß fände statt (Merk 1974, S. 148f.). Umverteilung richtig interpretieren

Allerdings werden durch Staatsverschuldung Umverteilungsprozesse ausgelöst, die immer wieder gegen eine Verschuldung des Staates vorgebracht werden. Es käme zu einer Umverteilung von unten nach oben, weil der Staat sich bei vermögenden Staatsbürgern verschuldet, fällige Zinsen aber aus dem allgemeinen Steueraufkommen begleicht und so einer staatlich initiierten Umverteilung Vorschub leiste. Wer so argumentiert, stellt eine ökonomische Kausalität auf den Kopf. Denn: Zinseinkommen entstehen dadurch, dass einzelne Haushalte in der Lage sind, Ersparnisse zu bilden. Aus der Staatsverschuldung folgt somit kein Gerechtigkeitsproblem, das nicht mit Blick auf die vorhandenen Einkommens- und Vermögensdisparitäten bereits bestanden hätte. Für den einzelnen Geldvermögensbesitzer ist es letztlich unerheblich, ob er gegenüber dem Staat oder einzelnen Privaten im In- oder Ausland eine Gläubi12 gerposition einnimmt: Daß die Kreditzeichner sich unter den mannigfachen Anlagealternativen auf dem Kapitalmarkt zufällig für ein Staatspapier entschieden haben, ist nicht kausal für ihr Zinseinkommen; denn hätte sich der Staat für eine Steuerfinanzierung entschieden, so hätten sie eine alternative Anlageform wählen müssen und dafür ebenfalls ein Zinseinkommen bezogen. Das dem Gläubiger zufließende Zinseinkommen ist in jedem Fall von Dritten aufzubringen (Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik 2001, S. 264). Generationengerechtigkeit wird nicht verletzt

Auch von der Behauptung der Staat würde über seine Verhältnisse leben und zukünftige Generationen belasten bleibt bei näherer Betrachtung nichts übrig. Im Gegenteil: Es ist ökonomisch und generationsübergreifend überaus sinnvoll, die allokativ genutzte Schuldenaufnahme für öffentliche Güter einzusetzen, die die ökonomische (infrastrukturelle) und auch ökologische Entwicklungsqualität einer Volkswirtschaft stärken. Bedenklich stimmt hier eher der Tatbestand von heute nur noch geringen staatlichen Investitionen, die bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt noch nie so niedrig waren (Priewe, Rietzler 2010, S. 17ff.). In den Jahren 2003 und 2004 lagen die statistisch ausgewiesenen Abschreibungen auf den staatlichen Kapitalstock sogar über den getätigten Investitionen. Es kam also zu staatlichen bzw. bedenklichen negativen Netto-Investitionen (Deutsche Bundesbank 2005a, S. 16).

Da auch künftige Generationen von öffentlichen Investitionen profitieren, wozu auch Bildungsinvestitionen zählen, die fälschlicherweise immer noch als kurzfristige konsumtive Staatsausgaben gesehen werden, ist es völlig unverständlich zu behaupten, die nachfolgenden Generationen würden nur mit den Staatsschulden belastet. Das Gegenteil ist richtig: So wie jedes Unternehmen Anschaffungen und andere Investitionen über einen längeren Zeitraum abschreibt und entsprechend finanziert, müsste das auch beim Staat selbstverständlich sein.

Die sofortige Finanzierung von Investitionen durch Steuern belastet die die Steuern zahlende Generation viel zu stark. Sie ist nicht gerecht. Schon 1878 betonte der bekannte Finanzwissenschaftler Lorenz von Stein: Ein Staat ohne Staatsschuld tut entweder zu wenig für seine Zukunft oder er fordert zu viel von seiner Gegenwart.

Außerdem werden nicht nur die Schulden vererbt, sondern auch die dahinter stehenden Forderungen bzw. das Vermögen. Staatsverschuldung heißt nichts anderes, als dass hinter den Staatsschulden exakt gleich große Vermögensbestände (Überschüsse) stehen.