Tierversuche

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, zu dem Gesetzentwurf wird wie folgt Stellung genommen:

In der Beschreibung des Tierschutz-Problems in NRW (Ungleichgewicht des Tierschutzes) und der Lösung, die die Landesregierung mit diesem Gesetzentwurf unterbreitet, wird dargestellt, dass die Tierschützer in der Lage sein sollen, den Tierschutz in NRW absichern zu können: Mit diesem Gesetz soll anerkannten Tierschutzvereinen ein Verbandsklagerecht eingeräumt werden, damit sie die Interessen der Tiere als deren Treuhänder nicht nur aussprechen, sondern erforderlichenfalls auch vor Gericht geltend machen und einklagen können.

Die Landesregierung erwähnt dabei nicht, dass es eine Berufsgruppe gibt, die speziell für den Bereich der Tiergesundheit und den Tierschutz ausgebildet wird, die Tierärzte.

Speziell für den Staatsdienst werden in den Veterinärbehörden des Landes und den Kommunen Amtstierärzte fachlich fundiert ausgebildet und eingesetzt.

Das Land NRW bedient sich bei der Umsetzung des Tierschutzes und bei der Erstellung von Gutachten im Bereich des Tierschutzes der Amtstierärzte. Nach einem Gutachten, dass im Auftrag der Tierschutzbeauftragten des Landes Hessen erstellt wurde, kommt den Amtstierärzten eine Garantenpflicht für den Tierschutz zu (RA Rolf Kemper, Berlin; Die Garantenstellung der Amtstierärztinnen und Amtstierärzte im Tierschutz; Sept.

2006). Das Grundgesetz regelt im Artikels 20 a GG: Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.

Dabei ist die Formulierung deutlich! Zunächst ist es der Staat, der die Tiere durch die Gesetze zu schützen hat.

Seit der Einführung des Artikels 20a im Grundgesetz (17. Mai 2002) sind in NRW nur unwesentliche Änderungen im Bereicht des Tierschutzes vorgenommen worden. Die Verwaltung, die vollziehende Gewalt, die nach Maßgabe von Gesetz und Recht ­ und auch die Gerichte - müssen also davon ausgehen, dass der Gesetzgeber den rechtlichen Rahmen genau so beibehalten möchte.

Wenn die Landesregierung in der Problembeschreibung feststellt, dass es in NRW ein Defizit im Tierschutz gibt, dann liegt es wohl eher in der Gesetzgebung als im Vollzug.

Weder die Veterinärverwaltung noch die Gerichte werden ­ weil sie an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden sind ­ daran etwas ändern können.

Der vorliegende Gesetzentwurf erweckt den Eindruck, dass sich die Landesregierung ihrer Verpflichtung, für die erforderlichen gesetzlichen Grundlagen zu sorgen, entledigen und die Rechtsetzung künftig über klagende Verbände und die Gerichte herbeiführen lassen will. Die Aussage in der Einführung zum Entwurf des Gesetzes zum Verbandsklagerecht in NRW: Tiere auch über das Institut des Verbandsklagerechts für anerkannte Tierschutzvereine zu schützen entspricht den Staatszielbestimmungen zum Tierschutz in Artikel 20 a des Grundgesetzes und in Artikel 29 a Absatz 1 der Landesverfassung. widerspräche allerdings dem Sinn des Artikels 20 a GG in eklatanter Weise.

Die Amtstierärzte sind dem Tierschutz sowohl über das Tierschutzgesetz als auch über die Berufsordnung des Berufsstandes verpflichtet. Es entbehrt jeglicher Grundlage, zu unterstellen - wie im Gesetzentwurf dargestellt -, dass ein Ungleichgewicht zwischen den Tierhaltern und den Tieren besteht: Auf diesem Wege soll das Ungleichgewicht der Kräfte abgebaut werden, das gegenwärtig im Verhältnis zwischen den Haltern von Nutz-, Heim-, Versuchs- und sonstigen dem Tierschutzgesetz unterfallenden Tieren (Tierhalter) und Tieren besteht.

Denn derzeit kann nur gegen ein Zuviel an Tierschutz geklagt werden (nämlich von Seiten der Tierhalter), nicht aber auch gegen ein Zuwenig (von Seiten der Tierschutzvereine).

Hier wird der Berufszweig der Amtstierärzte und die Leistung aller in diesem Bereich tätigen Personen, die sich in NRW tagtäglich für den Tierschutz einsetzen, diffamiert.

Die Amtstierärzte sind an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden und können ihre Entscheidungen nur auf dieser Grundlage treffen. Das Tierschutzgesetz verpflichtet jeden einzelnen Amtstierarzt gegen tierschutzrechtswidrige Handlungen und Zustände einzuschreiten. Diese Verpflichtung beruht auf der entsprechenden Pflicht der Behörde, für die sie tätig sind und deren Erfüllung ihnen als dienstliche Aufgabe obliegt. Ein Entschließungsermessen gibt es nicht. Stattdessen müssen sie immer handeln, wenn in ihrem Zuständigkeitsbereich Verstöße gegen Tierschutzrecht begangen wurden, noch werden oder bevorstehen (RA Rolf Kemper, Berlin; Die Garantenstellung der Amtstierärztinnen und Amtstierärzte im Tierschutz; Sept. 2006). Bemerkenswert ist es allerdings, dass auch 10 Jahre nach der Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in die Verfassung des Landes NRW keine Vorgaben für eine risikoorientierte Überwachung der landwirtschaftlichen Betriebe existieren und damit auch keine verbindlichen Vorgaben für Kontrollfrequenzen bei den Veterinärbehören vorhanden sind. Auch die daraus resultierende personelle Ausstattung der Veterinärbehörden im Land NRW ­ sowohl beim Land als auch bei den Kommunen ­ ist nicht geregelt.

Für die Überwachung der Einrichtungen, in denen Tierversuche durchgeführt werden, hat das Land ebenfalls keine Vorgaben erlassen. Trotzdem wird diese Aufgabe von den Amtstierärzten im Land NRW mit großer Sorgfalt wahrgenommen.

Tierversuche sind in der Bundesrepublik Deutschland gesetzlich zugelassen. Darüber hinaus sind sie im Rahmen der Zulassung von Arzneimitteln sogar vorgeschrieben.

Daher ist in diesen Fällen ein Verbot von Versuchen bzw. ein Verbot der Haltung von Versuchstieren nicht rechtskonform.

Die Überwachungsbehörden (die vollziehende Gewalt) treffen ihre Entscheidungen nach Maßgabe von Gesetz und Recht. Das Ausüben eines Ermessens ist daher nur in begrenztem Umfang möglich. Dass der Veterinärverwaltung bei der Auslegung des Tierschutzgesetzes enge Grenzen gesetzt sind, bestätigt auch das Urteil des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen (Az: 5 K 1274/09; verkündet am 28.05.2010).

Das Verfahren bei der Zulassung von Verbänden nach § 3 des vorliegenden Entwurfes ist nicht weiter erläutert. Es wäre allerdings bedenklich, wenn Verbände, die sich in der Vergangenheit mit rechtswidrigen Methoden, z. B. Hausfriedensbruch, für den Tierschutz eingesetzt haben über dieses Gesetz an Verwaltungsprozessen beteiligt werden sollen und dabei sogar auch das Recht erhalten, Einsicht in Bauunterlagen zu nehmen.

Das Verbandsklagerecht bedeutet einen erheblichen Eingriff in die Arbeit der Amtstierärzte. Bereits auf der Grundlage des Entwurfes ist abzusehen, dass künftige Verwaltungsvorgänge mit einem hohen personellen und zeitlichen Aufwand abgearbeitet werden müssen. Die Bearbeitung der Widersprüche wird ebenfalls viel Arbeit in der Verwaltung und bei den Gerichten verursachen.

Die Belastung der Amtstierärzte ist bereits schon heute bedenklich. Die anstehenden Auseinandersetzungen mit den Verbänden wird den Druck auf die Berufsgruppe noch weiter verstärken.

Es ist zu befürchten, dass der Aufwand erheblich ansteigen wird, Entscheidungen damit verzögert werden und die Rechtssicherheit der Entscheidungen in Frage gestellt werden. Mit den Entscheidungen der Verwaltungsgerichte können allerdings nur Einzelfälle geregelt werden. Ein einheitlicher Tierschutz im Land NRW ist damit nicht sichergestellt.

Welche Alternativen gibt es?

Der Gesetz- und Verordnungsgeber muss von seinem Regelungsrecht Gebrauch machen:

1. Im Hygienepaket der EU (EU-Verordnungen 178/2002, 852/2004, 853/2004 und 854/2004) wird nicht nur der hygienische Umgang mit Lebensmitteln geregelt, sondern auch die Anforderungen an die Tiergesundheit und den Tierschutz der landwirtschaftlichen Nutztiere. Die EU-Verordnung 882/2004 beschreibt, wie das Hygienepaket überwacht werden soll. Bislang ist in Deutschland lediglich der Lebensmittelbereich umgesetzt worden. Regelungen für die Überwachung des Tiergesundheit und den Tierschutz in den landwirtschaftlichen Betrieben stehen noch aus.

Hier gilt es, Grundlagen für eine risikoorientierte Überwachung der landwirtschaftlichen Betriebe zu schaffen, für die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorschriften und für die erforderliche Ausstattung der Behörden zu sorgen.

2. In der EU-Richtlinie 2010/63 wird Umgang mit Versuchstieren und die Überwachung der Tierversuche beschrieben. Diese Regelungen sollen in den kommenden Monaten in nationales Recht umgesetzt werden.

Die EU geht davon aus, dass für den medizinischen Fortschritt und die Forschung auch weiterhin Tierversuche erforderlich sein werden. Sie fordert, dass der Tierschutz den gesellschaftlichen Anforderungen entsprechend ausgestaltet werden soll und macht dazu verbindliche Vorgaben für die Haltung von Versuchstieren und die Durchführung von Tierversuchen.

Das Land sollte sich bei der anstehenden Änderung des Tierschutzgesetzes aktiv an der Ausgestaltung des Tierschutzes für den Versuchstierbereich einsetzen. Die von der EU geforderten Grundlagen müssen in NRW umgesetzt werden. Für die Überwachung müssen verbindliche Vorgaben erarbeitet werden, damit ­ auch bei knappen Kassen ­ eine in Land einheitliche Überwachung und Durchsetzung des Tierschutzes sichergestellt ist.

Das Land sollte regelmäßig über den Tierverbrauch und auch über die Ergebnisse der abgeschlossenen Versuche berichten. Damit können sowohl die Öffentlichkeit als auch die Tierschutzverbände in geeigneter Weise über die Bedeutung der Tierversuche informiert werden.

3. Das Land NRW ist berechtigt und verpflichtet seine Fachaufsicht auszuüben, insbesondere dann, wenn Probleme im Tierschutz wahrgenommen werden.

In NRW verfügen viele Veterinärbehörden über ein Eigenkontrollsystem, dass nach DINISO 9001 zertifiziert wurde. Auf dieser Basis sollte es dem Land möglich sein, die Überwachung zu überprüfen, um damit einen einheitlichen und transparenten Tierschutz in NRW durch die Veterinärbehörden sicherzustellen.

Mit freundlichen Grüßen Dr. Roland OTTO Vorsitzender des Landesverbandes der Tierärztinnen und Tierärzte im öffentlichen Dienst NRW