Private Vollzugshelfer im Strafvollzug und hoheitliche Tätigkeiten

Die neue Justizvollzugsanstalt Hünfeld soll nach den Plänen der Landesregierung als teilprivatisierte Anstalt geführt werden. In verschiedenen Bereichen sollen so genannte private Vollzugshelfer eingesetzt werden. Der Kernbereich hoheitlichen Handelns muss dagegen den Vollzugsbeamten vorbehalten bleiben.

Vorbemerkung des Ministers der Justiz:

Um eine Aussage darüber treffen zu können, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Übertragung von Aufgabenbereichen, welche bisher ausschließlich durch den Staat wahrgenommen worden sind, auf Private rechtlich zulässig ist, wurden die Möglichkeiten durch die Arbeitsgruppe "Modellprojekte zur Privatisierung im Strafvollzug" umfassend beleuchtet.

Insbesondere wurden die verfassungsrechtlichen und rechtlichen Aspekte intensiv geprüft. Auf der Grundlage des Abschlussberichts der Arbeitsgruppe wurde das Vergabeverfahren zum teilprivatisierten Betrieb der Justizvollzugsanstalt Hünfeld durchgeführt.

Dabei ist der Grundsatz, dass im Strafvollzug Dienst- und Serviceleistungen ohne Eingriffsbefugnisse gegenüber Gefangenen privatisierbar sind, strikt eingehalten worden.

Soweit nachfolgend von Hilfsdiensten die Rede ist, sind damit Aufgaben umschrieben, denen ausschließlich Dienstleistungsunterstützungscharakter zukommt und aus denen keine Eingriffsbefugnisse gegenüber Gefangenen erwachsen. Dabei wurde die in der Anlage zum Bericht der Arbeitsgruppe enthaltene Liste zugrunde gelegt und nur die dort eindeutig als privatisierbar bestimmten Arbeiten in das Leistungsverzeichnis aufgenommen. Die privatisierbaren (und die nicht privatisierbaren) Aufgaben mit unterstützendem Charakter sind im Anhang zum Bericht der Arbeitsgruppe auf den Seite 35 Nr. 300a bis 304b, 320 bis 324b und auf den Seiten 37 und 38 unter den Nr. 500 bis 591 aufgelistet; bei der nachfolgenden Beantwortung der einzelnen Fragen wird jeweils am Ende in Klammern die entsprechende Nummer benannt.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Ist der Umschluss, Einschluss oder Aufschluss eines Strafgefangenen nach Ansicht der Landesregierung eine hoheitliche Tätigkeit oder ein Hilfsdienst, der durch private Hilfsdienste erledigt werden kann?

Umschluss, Einschluss oder Aufschluss von Strafgefangenen ist eine Aufgabe mit Dienstleistungsunterstützungscharakter, die kein hoheitliches Handeln darstellt und deshalb von einem privaten Hilfsdienst ausgeübt werden kann (520).

Frage 2. Hält die Landesregierung das Betreten eines Haftraumes zur täglichen Kontrolle der technischen Sicherheitseinrichtungen (Gitter, Fenster, Schlösser, Türen etc.) für eine Tätigkeit, die von einem privaten Hilfsdienst erledigt werden kann, oder für eine hoheitliche Aufgabe, die von Justizvollzugbediensteten vorzunehmen ist?

Bei den benannten Tätigkeiten handelt es sich nicht um hoheitliche Aufgaben, weil sie dem Gefangenen gegenüber keinen Eingriff darstellen. Es sind vielmehr Aufgaben mit Dienstleistungsunterstützungscharakter, die durch einen privaten Hilfsdienst wahrgenommen werden können (510, 511, 515).

Frage 3. Hält die Landesregierung die Vorführung von Gefangenen innerhalb des Gebäudekomplexes (z.B. Krankenrevier, Arbeitsbetriebe, Kleiderkammer, Freizeitveranstaltungen, Friseur) für eine Tätigkeit, die der private Hilfsdienst erledigen kann, oder ist dies eine hoheitliche Tätigkeit?

Auch hierbei handelt es sich nicht um eine hoheitliche Aufgabe, weil sie keinen Eingriffscharakter hat, sondern um Aufgaben mit Dienstleistungsunterstützungscharakter, die durch einen privaten Hilfsdienst wahrgenommen werden können (523).

Frage 4. Sind der durch bestimmte Gefangene im Rahmen des Arbeitsangebotes durchgeführte Verpflegungstransport zwischen Küche und Abteilung und die notwendige Begleitung hoheitliche Aufgabe oder Aufgabe des Hilfsdienstes?

Auch die Begleitung der Gefangenen beim Transport der Verpflegung zwischen der Küche und den Stationen bzw. zwischen der Küche und den Betrieben stellt keine hoheitliche Aufgabe dar, sondern ist als Aufgabe mit Dienstleistungsunterstützungscharakter zu bewerten, die von einem privaten Hilfsdienst wahrgenommen werden kann (522, 523).

Frage 5. Werden auch private Hilfsdienste zur Überwachung der Arbeit von Hausarbeitern oder Hofarbeitern eingesetzt und wenn ja, warum ist diese Überwachung aus Sicht der Landesregierung keine hoheitliche Tätigkeit?

Zur Überwachung der vorgenannten Arbeiten stehen für den Innenbereich Reinigungsfachkräfte, für den Außenbereich ein Gärtnermeister zur Verfügung. Aufgrund ihrer Ausbildung sind sie zur fachlichen Anleitung der Gefangenenhilfskräfte und zur Überwachung der Arbeitsergebnisse und der Arbeitsqualität bestens geeignet. Die Überwachung der Arbeitsergebnisse und die fachliche Anleitung der Gefangenenhilfskräfte stellen keine hoheitliche Aufgabe dar und können deshalb von privaten Kräften ausgeübt werden (300b, 300c, 304a, 304b, 522, 523).

Frage 6. Handelt es sich z. B. beim Zu- und Abführen der Gefangenen zum Besuch um solche Tätigkeiten, die vom Hilfsdienst übernommen werden sollen, und wenn ja, warum geht die Landesregierung davon aus, dass es sich hierbei nicht um eine hoheitliche Tätigkeit handelt?

Die benannte Tätigkeit unterscheidet sich nicht von den in der Antwort auf

Frage 3 bereits benannten Aufgaben. Es handelt sich um Hin- und Rückführungen von Gefangenen innerhalb des Gebäudekomplexes und somit um eine Aufgabe mit Dienstleistungsunterstützungscharakter, welche von einem privaten Hilfsdienst ausgeführt werden kann (523).

Frage 7. Sollen Hilfsdienste auch im Rahmen der Überwachung der Stationen durch Monitore eingesetzt werden und wenn ja, warum ist der Hilfsdienst im Falle eines Alarmes bei Abwesenheit des wachhabenden Beamten keine hoheitliche Aufgabe?

Diese Situation wird es nicht geben. Bei den Wachhabenden der Zentralen aller Justizvollzugsanstalten des Landes Hessen handelt es sich um erfahrene Beamtinnen und Beamte des mittleren allgemeinen Justizvollzugsdienstes, welche ihren Dienstposten nur dann verlassen dürfen, wenn zuvor eine Ablösung erfolgt ist. Diese Vorgehensweise hat sich seit vielen Jahren bewährt und wird auch bei der Justizvollzugsanstalt Hünfeld beibehalten. Die Erfassung und Abarbeitung eines auflaufenden Alarms sind eindeutig eine originär hoheitliche Aufgabe und obliegen deshalb ausschließlich den beamteten Wachhabenden. Der Hilfsdienst, dem ausschließlich die Überwachung der Monitore obliegt, wird keinesfalls eigenständig tätig. Die Überwachung der Monitore selbst ist keine hoheitliche Aufgabe (531).

Frage 8. Wie soll die Bewachung der Strafgefangenen bei den durch die privaten Anbieter erbrachten Leistungen sichergestellt werden und wie soll ein Absinken des Sicherheitsstandards vermieden werden, wenn neben den privaten Vollzugshelfern nur deutlich weniger Vollzugsbeamte auf den Stationen Dienst haben?

Bereits jetzt sind in den Justizvollzugsanstalten des Landes Hessen externe Kräfte (z.B. im Bereich der schulischen und beruflichen Aus- und Fortbildung, Ausländerberatung, Drogenberatung, Schuldnerberatung etc.) tätig, welche zu Beginn ihrer Tätigkeit belehrt und verpflichtet werden. Auch diese Kräfte stellen sicher, dass sich Gefangene in den von ihnen betreuten Bereichen unter ständiger Aufsicht befinden. In der Justizvollzugsanstalt Hünfeld sind alle Verkehrsflächen (Flure, Treppenhäuser, Außenanlagen) sowie die Betriebe videoüberwacht. Alle Bediensteten und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des privaten Teilbetreibers sind zusätzlich mit Personensicherungsgeräten mit Funksprechfunktion ausgestattet. Weiterhin stehen in erheblicher Zahl in allen Bereichen Druckknopfhandmelder der Beamtennotrufanlage zur Verfügung. Bei Auffälligkeiten und/oder Widersetzlichkeiten können innerhalb kürzester Zeit Beamtinnen und Beamte in ausreichender Zahl präsent sein und hoheitlich tätig werden.

Durch den Einsatz der Hilfsdienste werden die Stationsbediensteten in erheblichem Umfang von zusätzlichen bzw. nicht aufgabenspezifischen Tätigkeiten entlastet. Dadurch ist eine Konzentration auf die Kernaufgaben des mittleren allgemeinen Justizvollzugsdienstes möglich, was zu einer deutlichen Erhöhung der Präsenz auf den Stationen führt. Gleichzeitig sinkt die Anzahl der Stationsbediensteten im Vergleich zu anderen Anstalten gleicher Größe nicht. Der Sicherheitsstandard erhöht sich.

Frage 9. In welchem Umfange und bei welchen Tätigkeiten erhalten die privaten Vollzugshelfer Zugang zu personenbezogenen Daten der Gefangenen und wie soll die notwendige Einhaltung des Datenschutzes gewährleistet werden?

Den privaten Vollzugshelfern werden nur sehr eingeschränkte und nur die zur Erledigung ihrer Aufgaben unerlässlichen Zugangsrechte zu personenbezogenen Daten eingeräumt, . Die Details werden bis zur Inbetriebnahme der Justizvollzugsanstalt Hünfeld in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Datenschutzbeauftragten definiert.

Frage 10. Gelten nach Auffassung der Landesregierung die Amtsdelikte der §§ 331 ff. StGB auch für private Vollzugshelfer?

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des privaten Teilbetreibers werden nach dem hessischen Verpflichtungsgesetz verpflichtet. Hierdurch wird unter anderem auch die Anwendung der Vorschriften der §§ 331 ff. StGB ermöglicht.