Zusammenfassung. Die IHK NRW rät dringend davon ab die fiktiven Hebesätze zu erhöhen

Die IHK NRW rät dringend davon ab, die fiktiven Hebesätze zu erhöhen. Eine Anhebung im Rahmen des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2011 wird zwangsläufig zu einer Hebesatzspirale in Nordrhein-Westfalen führen. Keine Gemeinde wird sich letztendlich eine höhere Steuerkraft anrechnen lassen, als die tatsächlich vorhandene. Eine zusätzliche Verschärfung der Situation tritt dadurch ein, dass die Steuerkraft bei gleichbleibendem Kreisumlagesatz zu deutlich höheren Umlagen führt. Schon heute nähern sich die allgemeine Umlage und die Jugendamtsumlage vielfach bereits der 70-Prozent-Marke. Damit werden in der Regel die gesamten Gewerbesteuereinnahmen (also der Finanzierungsanteil der Wirtschaft an den kommunalen Leistungen) abgeschöpft, wenn nicht noch zusätzliche Steuereinnahmen abgeführt werden müssen. Viele Gemeinden werden also gezwungen sein, die betreffenden Steuern sogar über das Maß der fiktiven Hebesätze hinaus zu erhöhen.

Eine solche Entwicklung wird negative Auswirkungen auf die Standortqualität haben.

Anstatt Unternehmen mit moderaten Hebesätzen anzuziehen, werden im Zuge der unausweichlichen massiven Erhöhungen der Gewerbe- und Grundsteuer B alle, in NRW ansässigen Unternehmen, flächendeckend über ein vertretbares Maß hinaus belastet. Dies wird zu einer Verstärkung der ohnehin schon bestehenden Strukturprobleme führen. Nordrhein-Westfalen wird seine Position als teuerstes Flächenland bei der Gewerbesteuer weiter ausbauen und so potenzielle Investoren innerhalb und außerhalb der Landesgrenze nachhaltig abschrecken.

Angesicht des relativ kleinen Umverteilungsvolumens und der beabsichtigten großen Reform des kommunalen Finanzausgleichs in 2012, sollte von einer derzeitigen Neujustierung im GFG 2011 abgesehen werden. Eine nachhaltige Reform des Finanzausgleichs lässt sich nur in einem Guss verwirklichen.

Falsche Anreize schaden dem Wirtschaftsstandort NRW

Im Rahmen der Aktualisierung der Grunddaten bei der Finanzverteilung zwischen Land und Kommunen ist neben der Verstärkung des Soziallastenansatzes und der Erweiterung des Steuerverbundes die Anhebung der sogenannten fiktiven Hebesätze vorgesehen. Unternehmen aufmerksam zu machen, die durch die Heraufsetzung der fiktiven Hebesätze für die Gewerbesteuer und die zu erwarten sind.

Mit der Gesetzesvorlage will die Landesregierung die fiktiven Hebesätze zur Berechnung der kommunalen Steuerkraft infolge des höheren gewogenen Landesdurchschnitt anheben.

Nach ersten Berechnungen ergibt sich daraus zwar nur ein finanzieller Umverteilungseffekt von den kleineren (kreisangehörigen) Gemeinden zu den kreisfreien Städten per Saldo von knapp 133 Mio. ; der daraus resultierende Schaden für die nordrhein-westfälischen Unternehmen und für den Standort NRW ist jedoch immens.

Die Erfahrungen aus früheren Veränderungen der fiktiven Hebesätze belegen nämlich, dass eine solche Anpassung von den Städten und Gemeinden des Landes de facto als Aufforderung verstanden wird, ihre tatsächlichen Steuersätze diesen gesetzlichen Vorgaben möglichst schnell anzupassen. Die fiktiven Steuersätze des GFG folgen nicht - wie immer behauptet - der tatsächlichen kommunalen Steuerkraft, sie bilden vielmehr für die allermeisten Städte und Gemeinden des Landes die politische Vorgabe zur Festsetzung derrealen Steuersätze vor Ort.

Bestes Beispiel hierfür sind die beiden letzten Reformen des GFG im Jahr 1996 und 2003.

Im Jahre 1996 wurden die fiktiven Hebesätze auf das Niveau von 380 (Gewerbesteuer) bzw. 330 (Grundsteuer B) angehoben. Im Jahr des Vollzugs 1995 lagen bei der Gewerbesteuer 215 Kommunen (54,3 %) und bei der Grundsteuer B sogar 328 Kommunen (82,8 %) unterhalb dieser Sätze. Im Jahre 2002 waren es bei der Gewerbesteuer nur noch 43 Kommunen (10,9 %) und bei der Grundsteuer B 64

Kommunen (16,2 %), deren Steuersätze unterhalb dieses fiktiven Niveaus lagen. Von 1996 bis 2002 hat es also eine Welle von mindestens 174 Steuererhöhungen bei der Gewerbesteuer und von mindestens 264 Steuererhöhungen bei der Grundsteuer B gegeben.

Die gleichen Entwicklungen sind auch ab 2003 festzustellen. Hier wurden die fiktiven Hebesätze auf das bisher geltende Niveau von 403 (Gewerbesteuer) bzw. 381 (Grundsteuer B) angehoben. Im Jahr 2002, also vor der Umsetzung 2003, lagen bei der Gewerbesteuer 199 Kommunen (50,2 %) und bei der Grundsteuer B sogar 341

Kommunen (86,1 %) unterhalb dieser Sätze. Im Jahre 2010 sind es bei der Gewerbesteuer nur noch 52 Kommunen (13,1 %) und bei der Grundsteuer B 58 Kommunen (14,6 %), deren Steuersätze unterhalb des fiktiven Niveaus It. GFG liegen. Im Zeitraum von 2003 bis2010 sind ebenfalls mindestens 147 Steuererhöhungen bei der Gewerbesteuer und von mindestens 283 Steuererhöhungen bei der Grundsteuer B zu verzeichnen.

Die immer wieder - und auch in der Gesetzesbegründung - geäußerte Argumentation, dass die fiktiven Hebesätze lediglich eine Rechengröße zur Erfassung der kommunalen Steuerkraft darstellen und keinen Einfluss auf die tatsächliche Hebesatzpolitik der Kommunen haben, wird durch den kommunalen Alltag eindeutig widerlegt.

Schon im Ansatz ist ein Modell, das sich - wie in Nordrhein-Westfalen - an der von einigen Großstädten geprägten relativ hohen Durchschnittsbelastung orientiert, untauglich. Es führt nämlich zwangsläufig zu einer Hebesatzspirale, da sich letztlich kaum eine Gemeinde eine höhere Steuerkraft anrechnen lassen wird als die tatsächlich vorhandene.

Übertragen auf den derzeitigen Kabinettsvorschlag für das Gemeindefinanzierungsgesetz 2011 sieht die Hebesatzlandschaft in Nordrhein-Westfalen wie folgt aus.

Aufgrund der bisherigen Erfahrungen muss sich die nordrhein-westfälische Wirtschaft also darauf einstellen, dass ab 2011 mit einer Steuererhöhungswelle bei den Realsteuern zu rechnen ist.

Massive Steuererhöhungen für die Gewerbesteuer und die Grundsteuer B sind bei fast allen Städten und Gemeinden des Landes Nordrhein-Westfalen vorprogrammiert. Ab 2011 müssen die in unserem Bundesland ansässigen Unternehmen voraussichtlich flächendeckend mit deutlich höheren Steuerbelastungen hierfür bezahlen.

Nordrhein-Westfalen - schon heute das teuerste Flächenland bei der Gewerbesteuer

- leistet sich trotz der noch immer vorhandenen Strukturprobleme einen weiteren Schritt, diese unrühmliche Negativposition zu festigen bzw. auszubauen - ein fatales Signal an alle Investoren innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen. Es ist daher wenig plausibel, wenn als Argument zur Erhöhung des fiktiven Gewerbesteuerhebesatzes der Durchschnitt aller Gewerbesteuerhebesätze der nordrhein-westfälischen Gemeinden herangezogen wird. Auf den Daten des Jahres 2010 basierend liegt der durchschnittliche Gewerbesteuer-Hebesatz bei 435 v.H., wobei die kreisfreien Städte einen Durchschnittssatz von 453 und der kreisangehörige Raum hingegen einen Durchschnittssatz von 419 v.H. aufweisen. Plausibel wäre es allenfalls, die Gewerbesteuerhebesätze der kreisangehörigen Gemeinden heranzuziehen. Denn nur sie sind tatsächlich von einer Erhöhung des fiktiven Gewerbesteuerhebesatzes betroffen. Die hohen Gewerbesteuerhebesätze der kreisfreien Kommunen verzerren daher den Maßstab. Die IHK NRW warnt nachdrücklich vor diesen wirtschaftspolitisch äußerst fragwürdigen, ja kontraproduktiven Auswirkungen der geplanten Neufestsetzung der fiktiven Hebesätze.

Auch die Berufung auf Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes NRW liefert u.E. keine Begründung für die gesetzesänderung. Es besteht u.E. kein normativer Zwang, mit den jeweiligen Verrechnungssätzen die tatsächliche Hebesatzlandschaft abzubil3