Doch sind dies längst noch nicht alle Anzeigepflichten

5. Sonstiges 5.1.Datenschutzrechtliche

Nach der Neuregelung wird es großer Kontrollanstrengungen bedürfen, gerichtsfest festzustellen, wo ein Haushalt oder eine Betriebsstätte beginnt und wo ein Haushalt oder eine Betriebsstätte aufhört. Ist eine Wohngemeinschaft ein Haushalt oder mehrere Haushalte? Sind Untermieter oder volljährige Kinder mit eigenem Raum in der elterlichen Wohnung gebührenpflichtig? Und generell: Wer alles gehört zu einem Haushalt?

Bereits der Umstand, dass zukünftig sämtliche Personen Wohnungen zugeordnet werden müssen, weist auf eine erhebliche Ausweitung in der Erhebung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten hin. Zudem wird das Innehaben einer Wohnung, einer Betriebsstätte oder eines gebührenpflichtigen Kraftfahrzeugs anzeigepflichtig, so dass alle volljährigen Personen potentiell gebührenpflichtig sind und deren bei den Landesrundfunkanstalten unverzüglich schriftlich zu machenden Angaben bei Ein- und Umzug, bei An- und Abvermietung, bei An- und Abmeldung zu verifizieren sind.

Doch sind dies längst noch nicht alle Anzeigepflichten. Den Sendeanstalten wird darüber hinaus ein Auskunftsrecht zugesprochen, mit dem die Herausgabe von Daten über Dritte erzwungen werden kann.

Betroffen sind Vermieter, Wohnungs- und Betriebsstätteneigentümer: Ist der Inhaber einer Wohnung oder einer Betriebsstätte nicht festzustellen, ist der Eigentümer oder der vergleichbar dinglich Berechtigte der Wohnung oder des Grundstücks, auf dem sich die Betriebsstätte befindet, verpflichtet, der Landesrundfunkanstalt Auskunft über den tatsächlichen Inhaber der Wohnung oder Betriebsstätte zu erteilen, heißt es im neuen Paragraph 9 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.

Ferner werden auch künftig Wohnungen in einem erheblichen Ausmaße zu kontrollieren sein, weil sich Unstimmigkeiten und Kontrollnotwendigkeiten schon allein aus divergierenden Datensätzen ergeben.

Denn die von der GEZ weiterhin zu beziehenden Daten der Einwohnermeldeämter sind teils inhaltlich nicht ausreichend, teils auch falsch, teils für die Zuordnung von Personen zu Wohnungen nicht brauchbar. Hinzu kommen Datenerhebung und Kontrolle bei Gewerbetreibenden, Selbständigen und Unternehmern.

Die Regelungen sehen insgesamt eine abenteuerlich umfangreiche Verarbeitung personenbezogener Daten vor. Nach wie vor ist der Datenabgleich mit den zu übermittelnden Datenbeständen sämtlicher Meldebehörden vorgesehen. Auch wird die Praxis des bestehenden Adressankaufs aus privaten Datenbeständen zur Teilnehmerermittlung weder aufgegeben, noch eingeschränkt. In Verbindung mit einem automatisierten Abrufverfahren zwischen den Landesrundfunkanstalten und auch der Beauftragung von Dritten mit der Datenverarbeitung entstünde eine Art bundesweites Zentralmelderegister.

Die Datenverarbeitung wird also beim Übergang zur Haushaltsgebühr keineswegs weniger, das Gebührenerhebungsverfahren nicht vereinfacht. Weder würde die Legitimationsschwäche des jetzigen Systems behoben, noch mehr Akzeptanz für die Gebühr in der Bevölkerung geschaffen. Stattdessen verwandelte sich die GEZ faktisch - so die Einschätzung des Sächsischen Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig - in eine Supermeldebehörde. 5.2.GEZ

Die öffentlich-rechtlichen Sender benötigen vor allem für die Überprüfung aller Zahlungsbefreiten weiterhin ein eigenes Inkassoinstitut. Die GEZ wird weiterhin jeden Einzelfall alle sechs bis neun Monate neu überprüfen. Zudem benötigen die Sender die GEZ sowie die Gebührenbeauftragten, um die Daten von allen bisherigen Nichtzahlerinnen und -zahlern zu erfassen.

Heiko Hilker, DIMBB Stellungnahme 15. Seite 9

Die Umstellung auf die Haushaltsabgabe kostet die GEZ zudem ca. 150 Millionen Euro. Dies ist annähernd so viel wie der gesamte GEZ-Jahresetat von 2009, der sich auf 161 Millionen Euro belief. 32

5.3.AHgemeine Zwangsabgabe Künftig müssen alle Haushalte den Rundfunkbeitrag zahlen, ganz gleich, ob sie ein Rundfunkgerät besitzen oder nicht. Gegenüber heute bei der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) gemeldeten 32,2 Mio. privaten Gebührenzahlern sind dann 40,2 Mio. Haushalte zur Entrichtung einer Gebühr in Höhe von 17,98 EUR pro Monat verpflichtet. Ferner werden alle Betriebsstätten gestaffelt nach Mitarbeiterzahl beitragspflichtig. Allerdings werden die Unternehmen nicht je Mitarbeiter einheitlich belastet.

Zweit- und Ferienwohnungen sowie betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge werden zusätzlich mit einem Beitrag in Höhe eines Drittels der Gebühr belastet. Und dies, obwohl doch klar ist, dass ein Mensch nicht zugleich an zwei Orten Rundfunk nutzen kann.

Der Rundfunkbeitrag im privaten Bereich ist nach den neuen Bestimmungen an den Inhaber einer Wohnung gebunden. Als Inhaber einer Wohnung - somit Beitragsschuldner - wird diejenige volljährige Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist oder aber im Mietvertrag als Mieter der Wohnung benannt ist. Damit geht die Regelung nicht nur über die Definition des Begriffs Wohnungsinhaber im Melderecht hinaus, sondern macht im Zweifelsfalle das Vorlegen eines (schriftlichen) Mietvertrages als Nachweis erforderlich. Für volljährige Kinder, die einen eigenen Raum in der elterlichen Wohnung bewohnen, sowie für Untermieter und Wohngemeinschaften suggeriert die Vermutungsregelung im Begriff des Wohnungsinhabers eine Beweislastumkehr, die nur schwierig und unter großem Nachweisaufwand zu erbringen sein dürfte.

Erhebliche Probleme ergeben sich ebenfalls für den Rundfunkbeitrag im nicht privaten Bereich. Dieser soll an den Inhaber einer Betriebsstätte als natürliche oder juristische Person gekoppelt und in der Höhe nach der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten geleistet werden. Auch hier wird eine weitreichende Vermutungsregelung geschaffen. Als Inhaber wird vermutet, wer für eine Betriebsstätte in einem Register (Handels-, Gewerbe, Vereins-, Partnerschaftsregister etc.) eingetragen oder auf den ein Fahrzeug zugelassen ist. Als Betriebsstätte gilt nach Paragraph 6jede zu einem eigenständigen nicht ausschließlich privaten Zweck genutzte Raumeinheit oder Fläche innerhalb eines Gebäudes. Systemwidrig ist auch der Rundfunkbeitrag für Mietwagen. Schließlich haben ja alle Wagenmieter schon ihren Rundfunkbeitrag bezahlt.

Kurios sind auch die vorgesehenen Regelungen zu Beginn und Ende der Beitragspflicht. Letztere endet für eine Wohnung oder eine Betriebsstätte künftig immer mit Ablauf eines Monats. Fällt der Wohnungswechsel nicht auf das Monatsende, ist die Rundfunkabgabe demnach immer gleich doppelt zu entrichten. Zusätzlich gilt: Geht die Anzeige eines Wohnungs- oder Betriebsstättenwechsels in Zukunft nicht fristgemäß - spätestens zum Ultimo - bei der Landesrundfunkanstalt ein, besteht die doppelte Abgabeverpflichtung ebenso für den Folgemonat.

5.4.Lange bekannter Änderungsbedarf

Seit Jahren wird über die Reform der Rundfunkgebühr diskutiert. Seit Jahren wird auf verschiedene Probleme im öffentlich-rechtlichen System hingewiesen. Wenn es um eine einfache und gerechte Lösung geht, dann besteht aktuell folgender Änderungsbedarf: Rundfunkbeitragsstaatsvertrag Bisherige Befreiung von Behinderten nicht abschaffen (§ 4 Abs. 2 in Abs. 1 aufnehmen - Begründung: Nachteilsausgleich) - die Befreiung von Taubblinden reicht nicht aus 32 http://www.digitalfernsehen.de/news/news931494.html: Abruf 30.03.2011,16:12

Heiko Hilker, DIMBB Stellungnahme 15.

Befreiung Zweitwohnung umsetzen (Der Abgabentatbestand ist auf den Menschen ausgerichtet. Der Beitrag wird für die Möglichkeit, Rundfunk zu empfangen, bezahlt. Damit ist der Ort des Empfangs egal und kein Beitragstatbestand.) Keine Einmalgebühr je Betriebsstätte für Hochschulen, soziale Einrichtungen, Feuerwehr verlangen (§ 5Abs.4) Befreiung Auszubildende und Studierende aufnehmen

Den Datenschutz sichern (§11)

Verbot, Adressen anzukaufen

Keine Pflicht für Hausbesitzer (§9) sowie Unternehmerverbände (IHK, HK - § 11 Abs. 4), Daten über Dritte freizugeben Stärkere Entlastung der kleinen, stärkere Belastung der großen Unternehmen (kleine Unternehmen zahlen wesentlich mehr je Mitarbeiter) Keinen Rundfunkbeitrag für Mietwagen erheben (Wenn der Abgabentatbestand auf den Menschen ausgerichtet ist, dann kann für Mietwagen kein Beitrag genommen werden, da die Mieter als schon den Beitrag über seinen Haushalt entrichtet hat.) Weiterer Änderungsbedarf: Weitgehende Werbe- und Sponsoringfreiheit (außer Sport) im Rundfunkstaatsvertrag festschreiben, da Prof. Paul Kirchhof die Einführung des neuen Modells (dass jeder Haushalt zahlen muss) von der (schrittweisen) Einführung der Werbefreiheit abhängig gemacht hat, Gebührengerechtigkeit herstellen (derzeit zahlen nur ca. ein Drittel der Unternehmen - für den privaten Bereich wurde durch die Sender eine Ungerechtigkeit festgestellt, weil die Ausschöpfungsquote bundesweit bei ca. 90% liegt, Zeitnahe Umsetzung eines gerechten, ARD-internen Finanzausgleichs, den sowohl die KEF als auch die Ministerpräsidenten eingefordert haben,33

Es sind durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Bereich Film- und Fernsehproduktionen Unternehmen sowie Urhebern und Leistungsschutzberechtigten ausgewogene Vertragsbedingungen und eine faire Aufteilung der Verwertungsrechte zu gewähren, wie es schon in einer Protokollnotiz zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag festgehalten wurde.

5.5.Was passiert, wenn der Rundfunl{änderungsstaatsvertrag scheitert?

In diesem Fall gilt der bisherige Staatsvertrag weiter. Dieser hat den Anstalten im Jahr 2009 Gesamteinnahmen von 7,6 Mrd. Euro eingebracht. ARD, ZDF und Deutschlandradio stehen also nicht vor dem Ruin. Sie hatten im Jahre 2009 mit 7,6 Mrd. Euro über 1,8 Mrd. Euro (31 Prozent) mehr zur Verfügung als im Jahre 1999 mit 5,8 Mrd. Euro.

Es wird auch nicht zu massenhaften betriebsbedingten Kündigungen in den Sendern bzw. bei unabhängigen Produzenten kommen. Wenn hier wie auch für freie Journalisten weniger Geld zur Verfügung steht, dann liegt das an den Prioritäten, die die Rundfunkanstalten programmlich selbst setzen.34 Es ist seit langem bekannt, dass Programme im Sport- und Unterhaltungsbereich im Durchschnitt wesentlich (vier- bis fünfmal) teurer je Sendeminute sind als Informations- und Kulturprogramme.

33 http://www.kef-online.de/inhalte/bencht17/kef 17bericht.pdf, S. 251; Abruf 30.03.2011, 16:17

34 So ist es an der Zeit, z. B. in der ARD die Ausgaben für die degeto und die zu überprüfen. Lagen diese 2008 noch bei ca. 640 Mio. Euro, sollen es 2012 mehr als 703 Mio. Euro sein.

35 http://www.kef-online.de/inhalte/bencht15/kef 15bericht band2.pdf, S. 32 11; Abruf 29.03.2011, 16:11

Heiko Hilker, DIMBB Stellungnahme 15.

6. Fazit

Der neue Rundfunkbeitrag sollte einfach, klar und nachvollziehbar sein. Der vorgelegte Rundfunkänderungsstaatsvertrag mit seinem Rundfunkbeitragsmodell beruht auf falschen Annahmen. Um die zwei Interessen (die Intendanten wünschen sich Aufkommensneutralität, die Ministerpräsidenten Beitragsstabilität) in Übereinstimmung zu bringen, wurden viele Ausnahmeregeln geschaffen, um bei gleichbleibendem Beitrag zusätzliche Einnahmen zu generieren. Dadurch ist das vorgelegte Rundfunkbeitragsmodell nicht einfach, klar, nachvollziehbar oder gerecht.

Die datenschutzrechtlichen Kollateralschäden sind abenteuerlich. Die bereits bestehende soziale Schieflage wird noch verschärft. Die Zweitwohnung führt weiterhin zur Beitragspflicht. Die GEZ wird weder überflüssig gemacht noch die Arbeit der Gebührenbeauftragten beendet.

Die Legitimation des Rundfunkbeitrags wird nicht dadurch steigen, dass in Zukunft auch die, die keinen Rundfunk nutzen wollen, dafür bezahlen müssen bzw. die bisherigen Radionutzer mehr als das Dreifache zahlen müssen. Diese unabhängig von der Rundfunknutzung erhobene Zwangsabgabe wird im Zusammenhang mit jüngsten Programmentscheidungen und Finanzskandalen das Ansehen von ARD und ZDF weiter untergraben. Das große Ziel, die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz zu verbessern, wird so nicht erreicht. Wenn es mit der Umsetzung dieses Rundfunkbeitrags Probleme geben wird, dann werden ARD und ZDF und nicht die Medienpolitik damit verbunden. Dann wird ihre Legitimation in Frage gestellt.

Der Rundfunkänderungsstaatsvertrag muss grundlegend überarbeitet werden.

Dabei ist auch zu berücksichtigen: Wenn die Medienpolitik davon ausgeht, dass alle Menschen den Rundfunkbeitrag bezahlen müssen, weil sie von den öffentlich-rechtlichen Angeboten (indirekt) profitieren, weil diese einen Beitrag zur Meinungs- und Willensbildung leisten, dann muss darüber diskutiert und entschieden werden, ob ein Teil des Rundfunkbeitrags in Zukunft nicht auch an solche Angebote fließen muss, die öffentlich-rechtlichen Standards entsprechen, jedoch nicht von ARD, ZDF und Deutschlandradio angeboten werden.

Grundsätzlich wird die Stellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gestärkt, wenn anerkannt ist, dass er ein Allgemeingut ist, zu dem jeder seinen Beitrag zu leisten hat - egal, ob er ein Rundfunkgerät besitzt oder nicht. Es wird sich zeigen, ob die Menschen das in Zeiten der Überflutung durch Gratisinformationen aus dem Internet auch so sehen. Es ist an den öffentlich-rechtlichen Anstalten zu zeigen, dass sie jeden Cent, der für sie gezahlt wird, wert sind. Das gelingt freilich nicht mit einer beliebigen Vervielfachung und Verflachung der Programme. Ihre wichtigste Aufgabe wird sein, sich von den anderen Sendern zu unterscheiden.

36 Dietmut Roether, epd medien, 45/2010, S. 5

Heiko Hilker, DIMBB Stellungnahme 15.