Erdgasgewinnung

Die unkonventionelle Erdgasgewinnung stellt ein flächendeckendes Gefährdungspotential für die Funktionstüchtigkeit der Wasserwirtschaft und die Einhaltung ihrer Ziele dar. Sowohl das Durchbohren aller Grundwasserstockwerke als auch die Sprengung des Gesteins durch die Frackvorgänge an sich sind wasserrechtlich relevant. Sie bergen ein technisch unbeherrschbares Risiko in sich und sind wegen des Besorgnisgrundsatzes im Wasserrecht insbesondere im Hinblick auf den Trinkwasserschutz abzulehnen. Die Auswirkungen der unkonventionellen Erdgasgewinnung stehen im Gegensatz zu den EU-Zielen für das Grundwasser: Allgemeines Verschlechterungsverbot und Erhaltung und Verbesserung des ökologischen Zustandes im Hinblick auf die Grundwasserqualität.

Begründung:

Aus Sicht der Wasserbehörde ist weder der einzelne Frackvorgang noch die angestrebte flächendeckende Bodenschatzgewinnung mit den fachlichen und rechtlichen Anforderungen des Wasserrechtes und der Wasserwirtschaft vereinbar. Dies hat zur Folge, dass ich als Vertreter einer Wasserbehörde ein solches Vorgehen grundsätzlich ablehnen muss, auch aus Gründen der Daseinsvorsorge, der Nachhaltigkeit des Bodenschutzes und der Wasserwirtschaft.

Aus meiner Sicht ist es auch fraglich, ob die von der Landesregierung in Auftrag zu gebenden Gutachten diese Position verbessern oder ändern können, weil das größte Risiko in der technischen Unbeherrschbarkeit möglicher Fehler oder Unfälle im Gewinnungsprozess zu sehen ist mit daraus abzuleitenden unvorhersehbaren Folgen insbesondere für die Trinkwassergewinnung im Ruhreinzugsgebiet. Solche Szenarien sind unbeherrschbar, weil ein Frackvorgang nicht rückholbar ist und Grundwassersanierungen im tiefen Untergrund faktisch unmöglich sind. Die langfristigen Auswirkungen können selbst Fachleute nur theoretisch erahnen. Mit den Zielen der Wasserwirtschaft und des Europäischen und nationalen Wasserrechtes ist diese Aufschlussmethode daher nicht vereinbar und deshalb abzulehnen.

Weitere Begründungen können mündlich erfolgen.

Die Firma Wintershall hat sich mit ihrem Claim Ruhr die Erkundungsmöglichkeiten für weite Teile des Ruhrgebietes gesichert. Dieses Gebiet wird von der Ruhr, dem größten Trinkwasserfluss in Nordrhein Westfalen durchzogen. Die Ruhr wird in Niedrigwasserzeiten vom Wasser zahlreicher Talsperren angereichert. Dies hat den Zweck, die Trinkwasserversorgung für weite Teile der Bevölkerung im größten Teil des Ruhrgebietes sicherzustellen. Dies geschieht, indem das Oberflächenwasser der Ruhr sowohl direkt als Rohwasser genutzt als auch entlang des gesamten Flusslaufes zur Grundwasseranreicherung versickert wird. In den Wasserwerken wird dieses Grundwasser als angereichertes Uferfiltrat zu Trinkwasser aufbereitet. Der Fluss selbst hat keine eigene Wasserschutzzone, gleichwohl dient seine Hauptaufgabe der Sicherstellung der Wasserversorgung des Ruhrgebietes. Zwar hat die Firma Wintershall versprochen, keine Erdgasgewinnung innerhalb von Wasserschutzzonen vornehmen zu wollen, dies bezieht sich aber nur auf die ausgewiesenen Wasserschutzgebiete im unmittelbaren Umfeld der Wassergewinnungsanlagen. Für das gesamte Einzugsgebiet der Ruhr, die Rohwasserlieferant der zahlreichen Wasserwerke beiderseits des Flusses ist, gilt dies nicht.

Es besteht deshalb die Sorge, dass die Trinkwassergewinnung an der Ruhr durch das Vorhaben massiv gefährdet wird, zumindest ist dies nicht ausgeschlossen.

Entgegen der bisher geäußerten Annahmen sind die gesteinsgebundenen Erdgasvorkommen nicht überall durch eine ausreichend dicke Deckschicht des Gebirges vom darüberliegenden Grundwasser getrennt. Diese enthalten Störungszonen, durch die eine Wasserwegsamkeit zu den oberen Grundwasserstockwerken geschaffen ist. So gibt es deshalb beispielsweise im Raum Hagen überhaupt kein dichtes Deckschichtgebirge und wegen der gestörten und ungleichförmigen Untergrundverhältnisse ist eine einheitliche Betrachtung und Bewertung der Bodensituation gänzlich unmöglich. Somit lassen sich die geogen vorhandenen Störungen im tiefen Untergrund ebenso wenig abschätzen wie mögliche Auswirkungen und Veränderungen durch Sprengungen im unmittelbaren Gewinnungsprozess von unkonventionellem Erdgas.

Uns allen sind noch die Auswirkungen der landwirtschaftlichen Düngung einer einzigen Ackerfläche im Oberlauf der Ruhr in Erinnerung, die eine intensive PFT-Verunreinigung der Ruhr zur Folge hatten mit enormen nachteiligen Auswirkungen für die Trinkwassergewinnung der Ruhr. Dabei handelte es sich seinerzeit nur um Spurenelemente eines Stoffes in der Ruhr, der aber auch in dieser Größenordnung die Wasserversorgung gefährdet und lahm legen kann.

Spurenelemente sind vergleichbar in der Größenordnung eines aufgelösten Zuckerwürfels in einer Talsperre. Um wie viel größer ist die Gefahr, wenn tonnenweise Stoffeinträge zahlreicher Chemikalien bei Sprengungen im tiefen Untergrund unkontrolliert eingebracht werden und direkt oder langfristig mit dem Grundwasser vermischt werden? Dabei sind die möglichen synergetischen Wirkungen der gleichzeitig eingebrachten Stoffe durch wahrscheinliche chemische Reaktionen untereinander noch gar nicht erforscht und berücksichtigt.

Auf eine chemische Beurteilung einzelner Stoffe wird -mit Hinweis auf unvollständige Stofflistenangaben der Erkundungsfirmen- an dieser Stelle verzichtet. Fest steht, dass unterschiedliche Stoffe ober- und unterirdisch zum Einsatz kommen, die teilweise in die höchstmögliche Wassergefahrdungsklasse (WGK 3) einzustufen sind. Selbst ein eventueller Einsatz von biologisch abbaubaren Stoffen ist aus o.g. Gründen abzulehnen und keinesfalls als ungefahrlich einzustufen. Im tiefen Grundwasser herrschen anaerobe Bedingungen, wo ein biologischer Abbau unter Sauerstoffmangel nur unzureichend oder gar nicht stattfindet.

Ergebnisse zu wissenschaftlichen Langzeit-Großversuche unter realen Bedingungen existieren nicht.

Frackabwasser ist hochgradig teilweise sogar radioaktiv belastet. Eine Disposalbohrung zur Beseitigung des Frackwassers ist keine ordnungsgemäße Form der Entsorgung. Hier muss dringend nach einer fachlichen und umweltverträglichen Regelung der Abwasserreinigung/beseitigung entsprechend dem Stand der Technik mit geprüften Verfahren gesucht werden.

Ein zusätzliches besonderes Problem stellen die Bohrplätze und deren Infrastruktur (Straßen, Wege, Plätze) dar: Neben der erforderlichen großen Flächenversiegelungen kommen große Wassermengen und tonnenweise Chemikalien zur Abwendung. Der Transport und die Lagerung wassergefährdender Stoffe stellen in diesem Zusammenhang ein besonderes Gefahrdungspotential dar. Durch Materialauswahl für Tanks und Leitungen und umfangreich notwendige Kontrollen müssen Vorfalle -wie in der Vergangenheit bereits geschehen- verhindert werden, bei denen Chemikalien durch Leckfraß oder sonstige Diffusion in den Untergrund eindringen können.

Insbesondere im Bereich von Flusseinzugsgebieten, die der Rohwasseranreicherung dienen, muss deshalb zur Sicherstellung der Trinkwassergewinnung auf die unkonventionelle Erdgasgewinnung ohne Ausnahme verzichtet werden.

In den übrigen Bereichen gilt darüber hinaus nach der EU- Wasserrahmenrichtlinie das Verschlechterungsverbot und die Erhaltung und Verbesserung des ökologischen Zustandes in Verbindung mit dem Besorgnisgrundsatz des Wasserhaushaltsgesetztes des Bundes auch im Hinblick auf die Grundwasserqualität. Diese gesetzlichen Regelungen stehen der Anwendung des Frackverfahrens mit den unbeherrschbaren Risiken und Gefahren für das Grundwasser entgegen. zu den Fragen 45 bis 47 und 52 des Fragenkatalogs zur öffentlichen Anhörung von Sachver-ständigen zum Antrag der Fraktion der Drucksache 15/1190, zum Thema: Unkonventionelle Ergasvorkommen: Grundwasser schützen - Sorgen der Bürger ernst nehmen - Bergrecht ändern am 31. Mai 2011 im Landtag Nordrhein- Westfalen

Die Unkonventionelle Erdgasgewinnung aus dem Tiefen Festgestein ist als Folge zahlreicher Unterschiede zum konventionellen Erdgas dazu ein absolutes Aliud.

Zu Frage 45: Der geltende rechtliche Rahmen für wasser- und bergrechtliche Entscheidungen u.

a. zur Erkundung und Förderung unkonventionellen Erdgases ist allein schon mangels umfassender Regelung einer Umweltverträglichkeitsprüfung ebenso wie einer solchen der Bürgerbeteiligung völlig unzureichend.

Es fehlt auch eine Regelung der Haftung bei Realisierung der einzigartigen Umwelt- und Gesundheitsrisiken des Fracking.

Zu Frage 46: A) Nach EU-Recht ist eine Ächtung bzw. ein grundsätzliches VERBOT VON FRACKING mit strengem Ausnahme-Erlaubnisvorbehalt nach Artikel 17 (Strategien zur Verhinderung und Begrenzung der Grundwasserverschmutzung mit Artikel 4 Abs. 1 Buchstabe b) der Richtlinie 2000/60/EG des EP und des Rates vom 23.0ktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (EG-Waserrahmenrichtlinie) -Ab1.327 v. 22.12.2000- AUF ANTRAG DER EU-KOMMISSION geboten. Weitere Rechtsgrundlage für ein Verbot durch EUVerordnung ist Artikel 191 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU.

B) Im nationalen Recht ist eine Bundesratsinitiative des Landes Nordrhein-Westfalen zur Novellierung des Bundesberggesetzes von 1982 erforderlich. Darin sind folgende Regelungsziele zu definieren:

1. Regelung der Bürgerinformation und der Bürgerbeteiligung vor der Genehmigung von Probebohrungen

2. Einführung der UVP-Pflicht als längst fällige Umsetzung der Richtlinie über die EU-Umweltverträglichkeitsprüfung vom 27.06.1985 85/337/EWG in das deutsche Bergrecht. Die UVP-Verordnung Bergbau vom 13.Juli 1990, BGBl. I S. 1420, genügt nicht.

3. Einführung einer Pflicht der erkundenden Unternehmen zur Information der lokal und regional betroffenen kommunalen Gremien.

4. Regelung einer Pflicht der erkundenden Unternehmen, vor einer Beantragung von Genehmigungen, Erlaubnissen o.ä. zur unkonventionellen Erdgasf6rderung die Öffentlichkeit über die jeweiligen Methoden, eingesetzten Stoffe und konkreten Maßnahmen zu informieren.

5. Einführung einer Bürgerbeteiligung an allen wasser- und bergrechtlich relevanten Entscheidungen der zuständigen Behörden zur unkonventionellen Erdgasf6rderung entsprechend der BÜfgerbeteiligung im Baugesetzbuch

Zu Frage 47:

Zur Verdeutlichung dieser Fragestellung ist hervorzuheben, dass die Anpassungen an das Bergrecht nicht notwendig sind. Vielmehr muss umgekehrt das Bundesberggesetz national der EU-Wasserrahmenrichtlinie und der EU-UVP-Richtlinie zugeordnet und untergeordnet werden weil das Europarecht dem nationalen Recht gegenüber VORRANG hat.