Nachtflüge am Flughafen Kassel-Calden

In dem auf den Internetseiten der Landesregierung und des Hessischen Ministerpräsidenten präsentierten Buch "Roland Koch - verehrt und verachtet" von Hajo Schumacher findet sich auf den Seiten 292 f. folgende Passage: "Während die Bürgerinitiativen in Frankfurt und Kassel noch demonstrieren, hat er (Roland Koch) längst die Blaupausen für einen großen Plan im Kopf. Hahn als Charterflughafen, Frankfurt für alles, Kassel-Calden für Post und Cargo. Den Ausbau in Frankfurt kriegt er aber nur hin, wenn er dort als Gegenleistung das Nachtflugverbot zusichert. Dafür soll nun in Kassel-Calden ein Rund-um-die-Uhr-Flughafen entstehen. Davon wissen die Anwohner noch nichts, aber die Staatskanzlei hat es einigen Investoren bereits schriftlich signalisiert. Wie Koch Investoren ins Land holt, illustriert das Beispiel GLS, ein Logistikunternehmen, das in Neuenstein in Nordhessen bereits einen großen Umschlagplatz gebaut hat und expandieren möchte. Den Fall betreut nicht irgendein Ministraler, sondern Kochs Staatskanzlei. Dort listet der interne Vermerk K22-71a02/1296 auf, welche Bedingungen das Land erfüllen darf, damit der Investor nicht nach Köln oder Lüttich verschwindet. Die Wunschliste von GLS: Straßenverbindung Kassel-Calden-Neuenstein innerhalb einer Stunde. Zugang zur luftseitigen Abfertigung am Flughafen. Nachtflugbetrieb muss möglich sein, wobei sechs Flüge zwischen 22 und 6 Uhr ein guter Anfang wären. "In der Endphase des Ausbaus wird mit 20 bis 25 erforderlichen Nachtflügen gerechnet", schreiben die Logistiker, also von 22 bis 6 Uhr alle 20 Minuten einer. "Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass das Thema Nachtflüge brisant ist." Zur besseren Kommunikation empfiehlt das von der Agentur Stroomer gelieferte PR-Konzept Hintergrundgespräche mit der Süddeutschen Zeitung und Handelsblatt."

Diese Vorbemerkung der Fragesteller vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Sind die in der zitierten Passage gemachten Aussagen ganz oder teilweise zutreffend?

Welche Passagen treffen gegebenenfalls zu und welche nicht?

Die in der zitierten Passage gemachten Aussagen treffen so nicht zu. Insbesondere hat die Staatskanzlei keinesfalls "einigen Investoren bereits schriftlich signalisiert, dass in Kassel-Calden ein Rund-um-die-Uhr-Flughafen entstehen soll". Tatsache ist vielmehr Folgendes:

Am 18. Juni 2003 fand ein Gespräch zwischen dem Chairman der Royal Mail Group, d.h. der englischen Post, Herrn Allan Leighton, sowie dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der GLS General Logistics Systems Germany (GLS), einem Unternehmen der Royal Mail Group mit Sitz in Neuenstein, mit dem Hessischen Ministerpräsidenten statt, bei dem unter anderem die Frage einer möglichen Unterstützung der Expansionspläne der GLS sowie die Profilierung Nordhessens als Logistikstandort angesprochen wurden. Da die GLS neben anderen Fragen, wie beispielsweise der Ausbildung von Fachkräften auf dem Gebiet der Logistik, Interesse an der Nutzung eines Flughafens Kassel-Calden für Luftfrachttätigkeiten bekundete, wurde sie gebeten, ihre diesbezüglichen Vorstellungen zu spezifizieren. Zugleich wurde vereinbart, zu den beiderseits interessierenden Fragen ein vertieftes Gespräch zwischen der Firma GLS und der Landesregierung auf Beamtenebene zu führen. Dieses Gespräch fand am 12. August 2003 statt; an ihm nahmen seitens des Landes Beamte der Staatskanzlei, des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung sowie des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst teil. Abgesehen von Vertretern der Firma GLS war auch die PR-Firma Stroomer vertreten, die - zumindest zu diesem Zeitpunkt - nach Angaben der GLS mit der Öffentlichkeitsarbeit der Firma GLS betraut war.

Die Vertreter der GLS legten bei diesem Gespräch ein Arbeitspapier "Ausbau Flughafen Kassel-Calden" vor, in dem die Vorstellungen des Unternehmens über eine Nutzung dargelegt waren. Diese wurden zur Kenntnis genommen. Die Vertreter des Unternehmens wurden auf die bestehende Rechtslage aufmerksam gemacht, der zufolge lediglich vier Nachtflüge in der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr zulässig sind, und ihnen wurde bedeutet, dass jede Änderung der Zahl der Nachtflüge aufgrund des hohen Konfliktpotenzials einer sehr sorgfältigen Prüfung und Begründung bedürfe. Der GLS wurde ferner geraten, sich unmittelbar mit der Flughafen Kassel GmbH als der Betreiberin des Verkehrslandeplatzes Kassel-Calden in Verbindung zu setzen. Nach Kenntnis der Staatskanzlei ist dies zu einem späteren Zeitpunkt auch geschehen.

Frage 2. Soll in Kassel-Calden ein Rund-um-die-Uhr-Flughafen entstehen?

Die Flughafen Kassel GmbH wird mit dem Antrag auf Planfeststellung Folgendes beantragen:

- vier Flüge für Passagiere und Fracht in der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr für montags bis sonntags,

- VIP- und Ambulanzflüge in der Zeit zwischen 22.00 und 6.00 Uhr,

- Regelung für Verspätungen von Flügen, deren Landung vor 22.00 Uhr geplant ist.

Im Übrigen wird auf die Antwort auf Frage 1 verwiesen.

Frage 3. Welche Art der Nutzung und welchen Umfang der Nutzung, insbesondere bezogen auf Nachtflüge für den Flughafen Kassel-Calden, hat die Landesregierung gegenüber Investoren signalisiert?

Die Landesregierung hat in Bezug auf den Flughafen Kassel-Calden gegenüber Investoren keinerlei bestimmte Nutzungsarten oder bestimmte quantitative Umfänge von Nutzungen signalisiert. Sie hat lediglich die Vorstellungen eines Unternehmens mit Sitz in Nordhessen zur Kenntnis genommen, sich diese Vorstellungen aber nicht zu Eigen gemacht.

Frage 4. Gibt es einen Vermerk mit der Nummer K22-71a02/1296 oder ein anderes Schriftstück über Bedingungen, die das Land aus Sicht der Firma GLS erfüllen sollte?

Wenn ja, wie ist der Wortlaut?

Über das am 12. August 2003 stattgefundene Gespräch - siehe Ausführungen zu Frage 1 - hat der zuständige Referatsleiter der Staatskanzlei am 13. August 2003 einen internen Vermerk mit dem Aktenzeichen K 22 - 71 a 02/1296 angefertigt. Die Bedingungen, die die Firma GLS für aus ihrer Sicht erforderlich hielt, hat das Unternehmen - wie oben ausgeführt - in einer Tischvorlage für das Gespräch am 12. August 2003 formuliert. In dem Vermerk der Staatskanzlei werden die wichtigsten dieser Bedingungen in kurzer Form aufgelistet - siehe Antwort zu Frage 1.

Eine Wiedergabe von internen Vermerken oder Arbeitspapieren der Landesregierung ist nicht üblich.

Frage 5. Wie bewertet die Landesregierung gegebenenfalls die von der Firma GLS genannten Bedingungen?

Die Landesregierung bewertet die von der Firma GLS vorgetragenen Bedingungen als eine aus unternehmerischer Sicht formulierte Maximalforderung.

Frage 6. Wie bewertet die Landesregierung die genannte Forderung bezüglich der Straßenverbindung zwischen Kassel-Calden und Neuenstein?

Kassel-Calden ist von Neuenstein aus bereits jetzt über die Autobahnanschlussstelle Hersfeld-West (85), die A 7, die A 44 und die Anschlussstelle Zierenberg in ca. einer Stunde erreichbar (ca. 70 km).

Frage 7. Schließt die Landesregierung aus, dass es in Kassel-Calden zu 20 oder mehr Nachtflügen kommen könnte?

Sollten aufgrund konkreter Anfragen bzw. Anträge von Interessenten von der Flughafen GmbH Kassel weitere Nachtflüge beantragt werden, wird sich die zuständige Behörde damit zu gegebener Zeit in einem separaten Genehmigungsverfahren zu befassen und die von der Flughafen GmbH Kassel dafür geltend gemachten Gründe zu bewerten haben. Zum derzeitigen Zeitpunkt gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass überhaupt Anträge von Interessenten der benannten Größenordnung erfolgen könnten.

Frage 8. Ist der Landesregierung das genannte PR-Konzept der Firma Stroomer bekannt?

Zu der Besprechung am 12. August 2003 wurde ein Papier der PR-Firma Stroomer verteilt und vorgestellt.

Frage 9. Wer hat dieses PR-Konzept in Auftrag gegeben und bezahlt?

Dies ist der Landesregierung nicht bekannt. Da die Firma Stroomer zu dem genannten Zeitpunkt für die Öffentlichkeitsarbeit der Firma GLS zuständig war, ist anzunehmen, dass das PR-Konzept - es handelt sich allerdings eher um eine Ideenskizze als um ein ausgearbeitetes Konzept - von dem Unternehmen GLS in Auftrag gegeben und bezahlt wurde.

Frage 10. Wurden eine oder mehrere der in dem PR-Konzept genannten Maßnahmen von der Landesregierung umgesetzt?

Wenn ja, welche?

Das Papier war nicht Gegenstand näherer Erörterungen und hatte keine Relevanz für die Meinungsbildung der Landesregierung. Unabhängig davon war ein Besuch des Hessischen Ministerpräsidenten bei der Firma GLS am 14. August 2003 bereits vorgesehen.

Am 10. Juli 2004 hat der Hessische Ministerpräsident an der Einweihung eines Logistikzentrums der Firma GLS in Schaafhausen teilgenommen.