Juli 1893 PrGS S 152 49 Ausführlich VogelWaldhojJFn 42 Rdnr

Sie sollen als Vorzugslasten entweder einen dem Pflichtigen individuell zuzurechnenden Aufwand decken (Gebühren) oder einen Aufwand, der einem Personenkreis zuzurechnen ist, dem der Pflichtige angehört Gebühren finden im Verfassungstext in Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 und in Art. 80 Abs. 2 GG eine beiläufige, freilich zur Begriffsbildung nicht weiterführende45 Erwähnung. Das Bundesverfassungsgericht hat eine genaue finanzverfassungsdogmatische Umgrenzung des Gebührenbegriffs mehrfach vermieden46. In dem Beschluss zum sog. Wasserpfennig vom 7. November 199547 hat es allerdings verdeutlicht, dass es einen weiten verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff vertritt. Dieser ist wie der verfassungsrechtliche Steuerbegriff eigenständig, aber unter Rückgriff auf das historisch gewachsene einfache Recht - insbesondere das preußische Kommunalabgabengesetz von 189348 - als Auslegungshilfe zu gewinnen49. Dies führt zu einem doppelgliedrigen verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff50 : Der durch eine Gebühr auszugleichende Aufwand besteht entweder in einem dem einzelnen als Folge eines Verhaltens eines Hoheitsträgers (in weitesten Sinne) zugeflossenen individuellen (geldwerten) Vorteil oder in von dem einzelnen individuell zu verantwortenden Kosten des Hoheitsträgers. Im ersten Fall wird durch die Gebühr der Vorteil ausgeglichen (kompensiert), im zweiten Fall sollen die entstandenen Kosten ganz oder zum Teil ausgeglichen werden. Aus dieser weiten verfassungsrechtlichen Begriffsbestimmung folgt das Fehlen eines numerus clausus der Gebührentypen51. Neben den klassischen - insbesondere im Kommunalabgabenrecht der Verwaltungs- und Benutzungsgebühren für öffentliche Einrichtungen52, haben sich insbesondere im Zusammenhang mit der Diskussion um Umweltabgaben zahlreiche Ansätze zur Entwicklung neuer Gebührentypen gezeigt. Hierzu zählen etwa die sog. Verleihungs- oder Duldungs-53 sowie die Ressourcennutzungsgebühren54. Der durch eine Gebühr auszugleichende Sondervorteil wird insoweit nicht mehr auf das unmittelbare Resultat eines Verwaltungshandelns beschränkt55, sondern auf die Nutzung (knapper) öffentlicher Güter ausgedehnt. Als Anknüpfungspunkt für die Einführung solcher Gebührentatbestände bietet sich dann das öffentlich-rechtliche Nutzungsregime, das umweltrechtlich über die jeweilige Ressource errichtet wurde, an - wie etwa das Regelungsgefüge des sog. demonstriert. Letztlich birgt eine solche Ausweitung von Begriffund Funktion der Gebühr die Gefahr, die abgabenbegrenzende Wirkung der Finanzverfassung zu unterlaufen57: Bei flächendeckender Ausdehnung58 etwa des Konzepts der Ressourcennutzungsgebühr wird die Gebühr zum Preis der Freiheits. Die Grenzen der Ausdehnung des verfassungsrechtlichen Gebührenbegriffs schließlich hat die Diskussion um die Einordnung des Erlöses aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen markiert6o.

Nicht genuin finanzverfassungsrechtlicher, sondern grundrechtlicher Natur ist die Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit der Errichtung öffentlich-rechtlicher Nutzungsregime61. Genuin finanzverfassungsrechtliche Begrenzungen einer uferlosen Ausweitung der Gebührenerhebung ergeben sich - gerade auch eingedenk der subsidiären Bedeutung der Gebühr im Rahmen der staatlichen Einnahmenerzielung - aus dem Begriffund der Rechtfertigung der Gebühr selbst: Das Gebührenrecht ist das legitime Betätigungsfeld des als Grundsatz der allgemeinen Staatsfinanzierung abzulehnenden Äquivalenzgedankens: Bei der Vorteilsabschöpfung ist das Äquivalenzprinzip im engeren Sinne, bei der Kostenprovokation das Kostendeckungsprinzip zu beachten62. Stets ist demnach eine Gegenleistung Voraussetzung der Gebühr, die über die Finanzierung der Gemeinlasten hinausgeht, sonst würde die Gebühr gleichermaßen voraussetzungslos wie die Steuer63. Greift bei Gebühren das Äquivalenzprinzip, bleibt zur Abmilderung der Folgen wuchernder Gebühren auch kein Raum für die Entfaltung des Leistungsfähigkeitsprinzips etwa in Form der sozialen Abstufung der Gebührenhöhe, zumal Leistungsfahigkeit dann - neben progressiver Besteuerung - doppelt abgeschöpft werden würde64.

III. Die Sonderabgabenjudikatur und sonstige Abgaben

Die neben der Gebühr im vorliegenden Fall näher heranzuziehende Abgabenform der Sonderabgabe wirft zwei wiederum zusammenhängende Fragen auf: Wie ist sie in das verfassungsrechtliche Abgabensystem einzuordnen? Insbesondere: handelt es sich um eine Auffangkategorie für anderweitig nicht qualifizierbare Abgaben oder um einen fest umrissenen eigenständigen Abgabentypus? Und: Wie ist sie zu rechtfertigen, was sind ihre Grenzen, vor allem im Hinblick auf die durch Sonderabgaben gefahrdeten Prinzipien der Steuerstaatlichkeit, des Haushaltsverfassungsrechts, der bundesstaatlichen Finanzverfassung und der Belastungsgleichheit der Bürger. Mehr noch als andere Bereiche des Finanzverfassungsrechts ist das Recht der Sonderabgaben durch eine breite Kasuistik des Bundesverfassungsgerichts geprägt65. Leitentscheidung ist hier diejenige zur Ausbildungsplatzförderungsabgabe von 198066.

Dort wurden drei kumulativ erforderliche Voraussetzungen postuliert, um eine Sonderabgabe ausnahmsweise von Verfassungs wegen zulässig zu machen: (1.) eine in der Wirklichkeit und I oder in der Rechtsordnung vorfindliche und abgrenzbare homogene soziale Gruppe muss vorliegen, damit sie rechtmäßig mit einer solchen Abgabe belastet werden kann; (2.) eine spezifische Sachnähe I Beziehung zwischen dieser Gruppe und dem zu finanzierenden Zweck ist erforderlich: Die mit der Abgabe belastete Gruppe muss dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck evident näher stehen als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler. Aus dieser Sachnähe muss eine besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe entspringen.; (3.) die gruppennützige Verwendung des Abgabenaufkommens um eine sachgerechte Verknüpfung zwischen Belastung und Begünstigung herzustellen. Bei der gruppennützigen Verwendung handelt es sich nicht nur um eine einfache haushaltsrechtliche Zweckbindung, vielmehr führt die64 42), Rdnr. 420; Matthias Jestaedt, Staffelgebühren im Steuerstaat, DVBl. 2000, 1820

(1825 ff.); prinzipiell anders 97, 332 (344): soziale Abstufung bis zur Erreichung der abgegoltenen Gegenleistung, d.h. im Rahmen des Kostendeckungsprinzips grundsätzlich zulässig.