Sehr geehrter Herr Wilhelm sehr geehrte Damen und Herren Fritz Pucher Kornackerstr

Pikanterweise stellte die CDU noch 2005 einen Entschließungsantrag gegen genau dieses Gesetz. In dieser Gesamtphase kann man, was die Kommunikation dieses Gesetzwerkes angeht, nur noch von einem Desaster sprechen. Nachdem sich beginnend 2007 immer stärker werdender Bürgerprotest regt, versuchen alle Verantwortlichen im Nachgang Begründungen und Rechtfertigungen, auch pseudo-wissenschaftlicher Art, für den Beschluss zu finden.

Von dem wiederholten Bezug auf die EU-Verordnung aus 2003, die mit keiner Silbe die Formulierung Dichtheitsprüfung enthält, bis hin zu Versuchen, an der RWTH Aachen in Literaturstudien Begründungen für das Gefahrenpotential häuslichen Abwassers zu finden, zieht sich der argumentative Notstand. Die Hausbesitzer fühlen sich in der Tat von der Politik alleingelassen und stellen in Gesprächen mit ihren Abgeordneten immer wieder fest, dass sie an der Sinnhaftigkeit dieses Gesetzes zweifeln. Der Generalverdacht, unter den nun durch das Gesetz alle Bürger fallen, ist nicht akzeptabel. Selbst der ehemalige LNAUV-Präsident Dr. Irmer, sieht keine Notwendigkeit für eine flächendeckende Prüfung der Abwasserleitungen. Das Beispiel Niedersachen zeigt eine pragmatische Vorgehensweise.

Zum Beschlussvorschlag der FDP:

Die weitgehende Gestaltungsfreiheit der Kommunen alleine ist nicht zielführend, da die Mehrheit der Kommunen aus Unkenntnis oder Überlastung sich an die Empfehlungen des Erlasses und die Landesmustersatzung hält. Bürgerfreundliche Auslegungen der jetzt schon vorhandenen Möglichkeiten sind in NRW eher die Ausnahme denn die Regel. Deswegen müssen erweiterte Spielregeln den Kommunen an die Hand gegeben werden.

Zum Entschließungsantrag der CDU Sauberes Wasser ist ein Grundbedürfnis für jeden Menschen. Das Ziel ist in Deutschland erreicht (s. Bericht des Umweltbundesamtes). Die hohen Anforderungen an den Grundwasserschutz können nur mit einem funktionstüchtigen Kanalnetz erreicht werden. Deutschland wird von der EU ausdrücklich gelobt für seinen excellenten Standard der Kanalnetze. Nach der hier vorgebrachten Messlatte und dem herbei geredeten Gefahrenpotential wäre, gemessen am Zustand des Kanalnetzes und dem Anschlussgrad, ganz Südeuropa an den Auswirkungen der Trinkwasserqualität ausgestorben. Die Gesamtkosten für Prüfung und Sanierung werden für NRW auf 40 Mrd. (Aussage IKT) bis 100 Mrd. (Sanierungsbranche) geschätzt. Allein daran zeigt sich, dass die Konsequenzen aus dem § 61 a in keinem vernünftigen Kosten-Nutzen-Verhältnis stehen.

Zur Beschlussvorlage der CDU:

Zu Punkt 1: Eine landesweite generelle Dichtheitsprüfung macht auch wissenschaftlich keinen Sinn. Ein risiko-orientierter Ansatz wäre sinnvoller. Die vorhandenen in den Regeln der Technik festgelegten Prüfmethoden bilden nicht den Betriebszustand eines Kanals ab.

Zu Punkt 3: Allein die jetzige Bescheinigung der Dichtheitsprüfung führt zu einem ständigen Streitpotential zwischen Hausbesitzern, Kommunen und Dichtheitsprüfern.

Zu Punkt 6: Die jetzigen Regelungen können Bürger nicht vor Kanalhaien schützen (nicht zertifizierte Anbieter). Auch unter den Zertifizierten, auf der Landeliste stehenden, sind zu viele Firmen, die sich in der Praxis nicht seriös verhalten und die Anforderungen nicht erfüllen. Schon jetzt zeigt sich im Übrigen, dass bei 3 Mio. Hausanschlüssen und ca. 2.300 Prüfern mehr Nachfrage wie Angebot geschaffen wird und dem Wildwuchs Tür und Tor geöffnet ist. Die den Bürgerinitiativen bekannten sehr zahlreichen Fälle von zu hohen Prüfungskosten und abstrusen Sanierungskosten zeigen den schon jetzt eingetretenen Wildwuchs.

Zu Punkt 7: Das Investitionsprogramm Abwasser NRW ist im Volumen keine Entlastung für betroffenen Hausbesitzer bei den insgesamt zu erwartenden Kosten. Die Spielregeln des jetzigen Förderprogramms zeigen im sog. Fremdwassersanierungsprogramm teilweise Formen von Subventionsbetrug. Die Förderrichtlinien müssen dringend geändert werden. Bei sog. Fremdwassersanierungsgebieten muss die grundstücksscharfe Betrachtung durch Erlass zwingend vorgeschrieben werden und gleichzeitig in die Förderrichtlinien aufgenommen werden. Soziale Härtefalle können auch durch dieses Programm, genauso wenig wie durch auch nur annähernd abgemildert werden.

Eine Gesamtfolgeabschätzung des Gesetzes ist neu vorzunehmen, da mit der Umsetzung einer neuen EU-Richtlinie zu rechnen istdie vorschreibt, den Pro von jetzt ca. 125 auf 85 Liter zu senken. Allein dadurch wären große Teile des Kanalsystems nicht mehr funktionsfähig.

Fritz Pucher infodienst Grundstück und Wasser 06, 2011

Sturm der Entrüstung wird größer! IR Interview mit Fritz Pucher, Vorsitzender des Bürgerinitiativen-Dachverbands Dichtheitsprüfung, nein danke!

In Nordrhein-Westfalen gründeten kürzlich 45 lokale Bürgerinitiativen den Dachverband DND - Dichtheitsprüfung, Nein Danke!. Dessen Vorsitzender, Dipl.-Ing. agr. Fritz Pucher, fordert den Stopp der Dichtheitsprüfungen.

Müssen private Abwasserleitungen dicht sein?

Pueher: Nein, sie müssen nach meinem Empfinden nicht dicht sein. Die Forderung nach absolut dichten Abwasserleitungen ist eine vollkommen überzogene und irrealistische Forderung!

Dann brauchen wir also die Dichtheitsprüfung nach § 61a LWG gar nicht?

Pueher: Die grundsätzliche Vermutung, Ihr seid alle undicht, und Ihr müsst uns das Gegenteil beweisen, das ist kein Modell! Es muss ein risikoorient.ierter Ansatz her mit wissenschaftlichen Kriterien, wo Prüfen sinnvoll ist. Momentan kramen die strikten Dichtheitsbefürworter in wirklich allen Schubladen, um nur irgendeinen Grund - Stichwort anthropogene Stoffe - zu finden für das, was schon beschlossen ist.

Befürchten Sie denn irgendwelche Risiken durch undichte Leitungen?

Pueher: Im Moment kann ich kein direktes Gesundheitsrisiko erkennen, was ich ernsthaft so bezeichnen würde.

Das öffentliche Kanalsystem wird ja überprüft. Ist das auch unnötig?

Pueher: Im öffentlichen Bereich konzentriert sich das Abwasser, da läuft es zusammen. Da ist die Beaufschlagung eine ganz andere. Grundsätzlich: Eine Inspektion des Kanals muss sein!

Und warum dann nicht sicherheitshalber auch in die privaten Kanäle schauen?

Pueher: Das sollte man dem Hauseigentümer überlassen, der ein Interesse daran hat, dass seine Anlage das tut, was sie soll, nämlich Abwasser ableiten. Ich denke, auf freiwilliger Basis holt man Leute ab. Stattdessen haben wir jetzt nur ein Bürokratie-Monster.

Würde bei reiner Freiwilligkeit überhaupt etwas passieren?

Pueher: Das ist eine ganz andere Diskussion, Anreize zu schaffen, die Hausanschlüsse zu inspizieren - aber auch nur die, die betroffen sein können. Mit dem Aufwand, der jetzt betrieben wird, die Leute vor Kanalhaien zu schützen, hätte man auch so ein Modell erarbeiten können.

Was könnten Kommunen und Land da besser machen?

Pueher: Ob man da jetzt noch was retten kann, weiß ich nicht. Wenn sich jetzt nicht alle Parteien einen Ruck geben, das Ding aussetzen und versuchen - falls überhaupt notwendig - ein Inspektionsmodell neu zu etablieren, neu zu kommunizieren, glaube ich, holt man die Bürger überhaupt nicht mehr ab - mit keiner Maßnahme.

Wer hat uns das eingebrockt?

Pueher: Es liegt zunächst einmal in der Verantwortung des Bundes als Urheber des Wasserhaushaltsgesetzes, das Thema so aufzubereiten, dass es in den Ländern kommuniziert werden kann. Momentan ist doch das ganze Thema gesetzgeberisches Flickwerk, handwerklich unvollkommen.

Der neue NRW-Erlass schafft Erleichterungen für die Bürger. Nicht zufrieden?

Pueher: Nein, ich denke, wenn man denn überhaupt prüfen will, dann muss man über die drucklose Durchflussprüfung reden. Ein neues Verfahren muss her, das dem Bürger kommunizierbar ist und das man zum Stand der Technik erklärt. Die heutige Befüllungsprüfung bildet überhaupt nicht den Betriebszustand eines Kanals ab. Und bei der TV-Inspektion können Schäden entstehen durch die Spülung vorneweg.

Beide Prüfsysteme haben systemimmanente Mängel, die einfach nicht zu tolerieren sind.

Schadet die Prüfung also?

Pueher: Das muss man in der Umsetzung sehen.

Auf dem Papier kann das zunächst mal eine Erleichterung darstellen. Es liegt dann großenteils an den Kommunen, wie sie damit umgehen.

Sind die Kosten für Dichtheitsprüfung und Sanierung angemessen?

Pueher: Nein. Die tatsächlichen Kosten, die sich jetzt schon abzeichnen, sind schlicht und ergreifend eine Katastrophe!

Wie teuer wird es denn?

Pueher: Wir bekommen täglich mehr Meldungen - von belastungsfähigen Kostenvoranschlägen bis zu durchgeführten Sanierungen.

Momentan zeichnet sich ab, dass sich das überwiegend in einem fünfstelligen Bereich abspielt.

Sind Grundeigentümer so arme Leute, dass man ihnen das nicht zumuten kann?

Pueher: Aber das kann ja kein Grund sein, künstlich Sanierungstatbestände mit überzogenen Kosten zu produzieren! Dazu kommt, dass viele jüngere und ältere Mitbürger an der Belastungsgrenze sind. Die werden schon von 5.000 Euro umgeschmissen: Das ist eine klare Aussage von vielen Haus- und Grund-Vereinen.

Ist das wirklich so dramatisch?

Pueher: Es wird für viele, viele Leute - wie schon geschehen - die kalte Enteignung sein.

Davon bin ich überzeugt. Mich ärgert besonders, dass das alles schon durch vorangegangene Landespilotprojekte bekannt war und man jetzt so tut, als wisse man das gar nicht.

Sie stellen sich gegen ein 2007 einstimmig vom Landtag beschlossenes Gesetz. Auch den neuen Erlass trägt die große Mehrheit der Volksvertreter.

Pueher: Da habe ich so meine Zweifel, dass das die große Mehrheit des Landtags ist. Wenn man mal mit anderen als den Parteioberen spricht, dann merkt man, dass viele gerne anders denken, als es der Fraktionszwang erlaubt. Und 2005 gab es noch einen Entschließungsantrag der CDU gegen dieses Gesetz.

Trotzdem hat man es dann durchgeprügelt.

Sehen Sie eine Kompromisslinie, damit es wieder Abwasserfrieden in NRW gibt?

Pueher: Also im Moment sehe ich das gar nicht, eher im Gegenteil. Wenn es so durchgesetzt wird, wie es jetzt immer noch geplant ist, wenn Grundstücke und Straßen aufgerissen werden, dann wird der Sturm der Entrüstung noch größer. Noch hat man sehr im Verborgenen agiert.

Das ist vorbei. Dafür werden die Bis sorgen!

Vielen Dank, Herr Pucher.@