Abwehr des Tourismus

Während der Nationalpark 1991 noch als Instrument zur Abwehr des Tourismus angesehen wurde, soll dieser seit 2004 mit dem Nationalpark gefördert werden54,55. Allerdings haben die beiden erstellten Gutachten diese Hoffnungen nicht belegen können. im Gutachten von Roland Berger aus dem Jahr 2010 wird festgestellt, dass die Effekte von Nationalparks im Tourismus eher gering sind. Eine Untersuchung von bestehenden Nationalparks habe ergeben, dass sich in etablierten Tourismusregionen sich keine oder kaum Tourismuseffekte durch die Gründung eines Nationalparks zeigen. Hohe Wachstumsraten im Tourismus nach einer Nationalparkgründung seien vor allem in vorher schwachen Tourismusregionen erkennbar.

Dazu gehörte Lippe jedoch nicht. Positive Effekte in den Übernachtungszahlen nach einer Nationalparkgründung konnten nur in 2 von 11 betrachteten deutschen Nationalparks festgestellt werden.

Roland Berger prognostiziert vor diesem Hintergrund rund 200 neue Arbeitsplätze im Tourismus durch einen Nationalpark in Lippe. Dem gegenüber stehen bis zu 3.000 Arbeitsplätze im Bereich der Forst- und Holzwirtschaft, die durch einen Nationalpark gefährdet wären (IHK Lippe zu Detmold und IHK Ostwestfalen zu Bielefeld). in der Studie Förderung des Landtourismus NRW. Handlungsorientierte Konzeptstudie über die regionalökonomischen, u.a. touristischen Entwicklungsperspektiven einer Nationalparkregion Senne von Dr. U. Harteisen und Prof. Dr. P. Liepmann (2003) wurden für einen Nationalpark Senne 200 neue Arbeitsplätze vorhergesagt. Allerdings sollen diese 200

Arbeitsplätze im gesamten Nationalparkumfeld, d.h. in einem Umkreis von 50 km um die Senne herum entstehen (also auch u.a. in Porta Westfalica, Herford, Halle, Oelde und Lippstadt). Für den Fall, dass 750.000 neue Übernachtungen generiert werden können, sollen insgesamt 3.

Arbeitsplätze neu geschaffen werden. Das ist allerdings eine völlig unrealistische Annahme, die auch durch das neuere Gutachten von Roland Berger relativiert werden. Im Bayerischen Wald beläuft sich die Zahl der Arbeitsplätze, die durch den Nationalpark verursacht worden sind, auf 939 (Schreiben der IHK Niederbayern vom 25.07.2011). Aus keinem anderen Nationalpark sind höhere Zahlen bekannt.

Weil ein Nationalpark in der Senne die Bundeswehr aus Augustdorf verdrängen würde, ist festzustellen, dass die Gemeinde Augustdorf alleine mehr Arbeitsplätze verlieren würde, als die

Im Antrag von SPD-Fraktion und Bündnis 90/DIE GRÜNEN Ein Land - zwei Nationalparks: Nationalpark Senne voranbringen! vom 12.11.2004 (Drucksache 13/6219) wird ausgeführt, dass die militärische Nutzung entscheidend zur Erhaltung wertvoller Offenlandbiotope beigetragen habe. Es wird darauf hingewiesen, dass Verteidigungsminister Dr. Peter Struck bei einem Besuch in der Senne Anfang 2004 die Auffassung vertreten habe, es bestehe kein Gegensatz zwischen militärischer Nutzung und Naturschutz. Militärische Nutzung und Naturschutz würden sich keineswegs ausschließen. Die Senne könne daher zum positiven Model/fall, zur konsensualen Lösung für die von der EU geforderte Umsetzung der Richtlinie Natura 2000 auf militärisch genutztem Gelände werden (was auch geschehen ist, zwar nicht in Form einer Nationalparkausweisung, sondern durch eine Vereinbarung, wie sie nach § 48c Abs. 3 LG ausdrücklich vorgesehen ist). Staatssekretär Dr. Th. Griese sagte am 17.02.2005 im Umweltausschuss sogar, das Militär solle die Nationalparkverwaltung selbst vornehmen. Das sei der entscheidende Mechanismus 52 Der Abgeordnete Dr. Georg Scholz erklärte im Umweltausschuss am 17.02.2005: Für die SPD-Fraktion stehe fest, dass die militärische Nutzung in dem Gebiet aus zwei Gründen erhalten bleiben müsse: Wegen der wirtschaftlichen Bedeutung der militärischen Nutzung und der ökologische Bedeutung. Die ökologische Bedeutung habe die Senne nur durch die militärische Nutzung bekommen. Durch die 100jährige militärische Nutzung sei das wertvolle ökologische Biotop entstanden. Wenn man so etwas von heute auf morgen ändern wolle, wäre das kontraproduktiv. Frau Ministerin Höhn betonte, dass sie immer gesagt habe, dass die militärische Nutzung bleiben soll. Es werde kein Gegeneinander, sondern nur ein Miteinander geben (Ausschussprotokoll13/1464)

So lehnte der kleine Parteitag der Grünen in OWL eine militärische Nachfolgenutzung der Senne nach einem Abzug der Briten entschieden ab (Pressemitteilung vom 17.12.2010, www.gruene-owl.de).

Im Antrag von SPD-Fraktion und Bündnis 90/DIE GRÜNEN Ein Land - zwei Nationalparks: Nationalpark Senne voranbringen! vom 12.11.2004 (Drucksache 13/6219) wird ausgeführt, dass Nationalparke Arbeitsplätze schafften, die Attraktivität der Ferienregion erhöhten und für zusätzliche Investitionen sorgten. Menschen würden nicht aus dem Nationalpark ausgesperrt. Nur Kernruhezonen seien für Besucher nicht zugänglich.

Beispielsweise wollen Frau S. Beer (PM 20.10.2010), Herr R. Priggen (PM 22.10.2010), Frau u. Koczy (Schreiben vom 16.12.2010) und der Bezirksverband OWL von Bündnis 901 Die Grünen (PM 10.12.2010) den Nationalpark zur Förderung des Tourismus und zum Schutz der Artenvielfalt bzw. der Natur. gesamte Region in einem Umkreis von 50 km dazu gewinnen würde. In Augustdorf beschäftigt die Bundeswehr rund 240 Zivilbedienstete, 35 Auszubildende und Beamtenanwärter sowie mehr als 4.300 Soldaten (bislang zu 80 %, zukünftig zu 100 % Zeit- und Berufssoldaten). Nicht errechnet und berücksichtigt ist die Zahl der Arbeitsplätze, die durch die Soldaten und die Bundeswehr im Einzelhandel, im Handwerk, in der Industrie, im Dienstleistungsgewerbe etc. generiert werden.

Gesamtwirtschaftlich wäre ein Nationalpark also schädlich. Der touristische Nutzen wäre sehr gering. Vor diesem Hintergrund lehnen die Vollversammlungen der beiden IHKs in OWL und selbst der gemeinsame Tourismusausschuss der beiden IHKs den Nationalpark Teutoburger Wald ab. Auch die Fachstelle Heimat, Arbeit, Wirtschaft des Lippischen Heimatbundes stellt nach einer massiven Kritik an der Methodik des Roland Berger-Gutachtens fest, dass wirtschaftliche Gründe nicht für einen Nationalpark in Lippe sprechen (Stellungnahme aus Juli 2011, verfasst von den Ökonomen Prof. Dr. Klaus Rittenbruch und Prof. Dr. Paul Harff).

Im Übrigen ist die Behauptung, Nationalparke würden den Tourismus generell stärker fördern als Naturparke oder Biosphärenreservate, bereits widerlegt. Die Studie Ökonomische Effekte von Großschutzgebieten von Job et al. (2005) hat gezeigt, dass Naturparke touristisch erfolgreicher sein können als Nationalparke. Entsprechendes gilt für Biosphärenreservate.

Entscheidend für den touristischen Erfolg ist weniger die Schutzgebietskategorie als vielmehr die konkrete Landschaft und deren Ausstattung mit Besuchereinrichtungen56.

Die naturschutzfachliche Argumentation wird immer noch nicht sauber geführt: Es wird einerseits immer wieder festgestellt, dass der Hauptzweck von Nationalparken die Sicherstellung des Prozessschutzes ist57. Auf der anderen Seite wird gesagt, dass der Naturschutz und das Militär miteinander kompatibel seien. Unbeantwortet bleibt die Frage, wie in einem militärisch genutzten Nationalpark eine vom Menschen ungestörte natürliche Entwicklung auf großer Fläche ablaufen soll58.

Naturschutz und Militär sind in extensiv genutzten schutzwürdigen Kulturlandschaften miteinander vereinbar. In Nationalparken, die ihrem Zweck nach Naturlandschaften schützen, bleibt es bei der generellen Unvereinbarkeit von Naturschutz und Militär.

Auch wird immer noch eine angebliche, tatsächlich aber nicht vorhandene Nationalparkwürdigkeit der Senne mit dem hohen Bestand seltener und gefährdeter Arten und Biotope begründet59 - obwohl diese überwiegend der vom Militär erhaltenen Kulturlandschaft

Im Nationalpark Bayerischer Wald konzentrieren sich mehr als 80% der Besucher auf die zentralen Einrichtungen wie den Baumwipfelpfad, das Nationalparkzentrum, das Tierfreigehege oder den Waldspielplatz. Im Nationalpark Eifel sucht mehr als die Hälfte der Besucher die Burg Vogelsang und die Stauseen auf. Der sich selbst überlassene Wald ist also nur von untergeordneter Bedeutung.

Im Antrag von SPD-Fraktion und Bündnis 90/DIE GRÜNEN Ein Land - zwei Nationalparks: Nationalpark Senne voranbringen! vom 12.11.2004 (Drucksache 13/6219) wird betont, dass Nationalparke Schutzgebiete sind, in denen die Natur sich weitgehend ungestört entwickeln kann und der Gedanke des Prozessschutzes im Vordergrund steht.

So wird beispielsweise im Antrag von SPD-Fraktion und Bündnis 90/DIE GRÜNEN Ein Land - zwei Nationalparks: Nationalpark Senne voranbringen! vom 12.11.2004 (Drucksache 13/6219) behauptet, dass die Senne nach Aussagen des Bundesamtes für Naturschutz die Kriterien für die Ausweisung eines Nationalparks erfüllen würde. Dabei wird allerdings unterschlagen, dass das die Beendigung der militärischen Nutzung als Voraussetzung für die Ausweisung eines Nationalparks ansieht und damit die Parallelnutzung ausschließt. Nicht gesagt wird außerdem, dass das die Senne für nationalparkwürdig hielt, weil sie geeignet sei, auf großer Fläche die Entstehung natürlicher Wälder zu ermöglichen. Dazu müssten Heide- und Graslandschaften der Wiederbewaldung überlassen werden: Einen Abzug der britischen Truppen und die Beseitigung der militärischen Altlasten vorausgesetzt, bietet die Senne eine hervorragende Möglichkeit, auf relativ großer, zusammenhängender Fläche die Wiederentstehung von Waldökosystemen zu ermöglichen, die einst für Teile des Nordwestdeutschen Tieflandes charakteristisch waren und heute kaum noch vorhanden sind. . Bei der Errichtung eines Nationalparks müsste festgelegt werden, den überwiegenden Teil der Fläche (mindestens 75%) zusammenhängend innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums der natürlichen Entwicklung zu überlassen, (..). Erhalt und Pflege kullurbedingter Ökosysteme dali nur auf kleiner Fläche stattfinden (FÖNAD 1997).

Im Antrag von SPD-Fraktion und Bündnis 90/DIE GRÜNEN Ein Land - zwei Nationalparks: Nationalpark Senne voranbringen! vom 12.11.2004 (Drucksache 13/6219) heißt es, die Schutzkategorie Nationalpark sei in Anbetracht der gesamtstaatlichen Bedeutung, Großräumigkeif und der Vielzahl der gefährdeten Arten und Lebensräume durchaus angemessen. angehören und durch eine konsequente Umsetzung des Nationalparkgedankens zu erheblichen Teilen in ihrem Bestand bedroht würden. Und obwohl 2002 der Schutzzweck im Bundesnaturschutzgesetz geändert wurde (s.o.).

Anders gewichtet wurde in den Jahren 2004 und 2005 noch die Bedeutung des Waldes als lieferant nachwachsender Rohstoffe. Frau Ministerin Höhn erklärte am 17.02.2005 im Umweltausschuss, dass mehr Holz nachwachse als eingeschlagen werde. Nur etwa 50 % des nachwachsenden Holzes würden genutzt. Daher könne man nicht sagen, dass Holz fehle. Die Waldbesitzer beklagten, dass der Markt niederläge und sie für ihr Holz kaum Geld bekommen.

Weder in der Holzindustrie noch beim Militär würden durch einen Nationalpark Arbeitsplätze gefährdet. Es kämen lediglich neue Arbeitsplätze im Tourismus dazu, und zwar in der Egge.

Denn der Tourismus fände vor allem in der Egge statt, nicht in der Senne (Ausschussprotokoli 13/1464).

Diese Situation hat sich inzwischen vollständig verändert: NRW ist Holzimportland, die Nachfrage nach Holz wächst, auch für die energetische Verwertung (Roland Berger 2010).

Durch die nach wie vor bestehende Angst vor einem menschenverursachten Klimawandel und den beschleunigten Ausstieg aus der Atomenergie ist der Bedarf nach regenerativen Energien erheblich gewachsen. Mit dem Wald kann man wieder Geld verdienen.

Geändert haben sich zwischen 2005 und 2011 auch die finanziellen Möglichkeiten des Landes NRW. Während Staatssekretär Dr. Th. Griese noch am 17.02.2005 im Umweltausschuss erklärte, dass das Land für einen Nationalpark Senne-Egge kein Geld zur Verfügung stelle könne60, sieht das heute anscheinend anders aus.

Schließlich wird auch die Bedeutung eines Konsens in der Region anders gesehen. In den Jahren 2004 und 2005 schien die landesregierung bemüht zu sein, einen Nationalpark nur in einem Konsens mit der Region, inklusive der Kommunen, und der betroffenen Privateigentümer zu realisieren. Heute wird regelmäßig davon gesprochen, dass ein Nationalpark gemeinsam mit der Bevölkerung und den Verbänden umgesetzt wird. Die Kommunen werden nicht explizit erwähnt - was angesichts der Hervorhebung der Verbände befremdet.

Im April 2005 beschloss der landtag auf Vorschlag der Fraktionen von SPD und Bündnis 901

Die Grünen einstimmig, die Gebietskulisse nach dem Vorbild des Nationalparks Eifel ausschließlich auf Flächen in öffentlicher Hand und auf solche Privatflächen beziehen, für die ein Einvernehmen mit den Eigentümern besteht,61 In Flächen, die an die Senne angrenzen, soll es keine Einschränkungen der forstwirtschaftlichen Nutzung geben. Auf diesen Beschluss wird im Koalitionsvertrag explizit Bezug genommen.

Heute werden entgegen diesem geltenden Landtagsbeschluss forstwirtschaftlieh genutzte Flächen in an die Senne angrenzenden Wäldern als Prozessschutzflächen geplant. Und Privatwaldflächen werden gegen den Widerstand des Grundstückseigentümers in eine Nationalparkkulisse einbezogen (LANUV 2011).

Staatssekretär Dr. Thomas Griese sagte im Umweltausschuss am 17.02.2005: Eben sei die Vorstellung geäußert worden, dass, wenn es einen Nationalpark gebe, man mit Geldsegen überschüttet würde. Das stimme nicht. Das sei auch nicht in der Eifel so geschehen. In der Forstverwaltung sei allerdings umgeschichtet worden. Personal sei verstärkt eingesetzt worden. Das wäre auch hier der Fall. Der Finanzminister könne in der gegenwärtigen Situation sicherlich kein Geld für einen Nationalpark zur Verfügung stellen. Es werde die eine oder andere Hilfe über den Wirtschaftsminister geben. Das Füllhorn könne niemand ausschöpfen. Der Nationalpark sei ein Instrument, um sich als Region selbst nach vorne zu bringen (Ausschussprotokoll 13/1464).

Frau Ministerin Höhn erklärte am 17.02.2005 im Umweltausschuss: Wir wollen keinen Anspruch auf privaten Besitz nehmen.. Wir sind in der Eifel gut damit gefahren, dass wir uns auf Staatsforstflächen konzentriert haben.

Alles andere sind freiwillige Maßnahmen, über die wir uns freuen, die aber nicht Bedingung sind für die Anerkennung des Nationalparks. Mit diesen Argumenten können wir die vorgetragenen Bedenken ausräumen (Ausschussprotokoll 13/1464).