Klinische Bewertung des Robodoc-Systems

Für CE-gekennzeichnete Medizinprodukte ist eine klinische Bewertung durch den Hersteller gemäß den Anforderungen des Anhangs 10 der Richtlinie 93/42/EG durchzuführen. Bestehen daran Zweifel, hat die für den Verantwortlichen nach § 5

Medizinproduktegesetz (MPG) zuständige Landesbehörde die Möglichkeit, die entsprechende Dokumentation zu überprüfen.

Vorbemerkung der Sozialministerin:

Der Verantwortliche für das erstmalige Inverkehrbringen nach § 5 MPG hat seinen Sitz in Frankreich (ehemals in den Niederlanden) und unterliegt nach entsprechender europäischer Richtlinie der Überwachung der dort zuständigen Behörden. Für Fragestellungen betreffend das rechtmäßige Inverkehrbringen sind somit die französischen Behörden zuständig. Nach Bekanntwerden eines Artikels im "Spiegel" (Heft 05/2003) zur Thematik Robodoc und der Kenntnis des darin erwähnten hessischen Betreibers von Robodoc-Systemen, der BGU-Klinik in Frankfurt, wurden die betreiberrechtlichen Fragestellungen bei diesem unverzüglich durch die zuständige Behörde geprüft. Aufgrund der dort vorliegenden Unterlagen ergaben sich keinerlei Zweifel an der Verkehrsfähigkeit.

Im Rahmen seiner Zuständigkeit hinsichtlich der Bewertung von Risiken mit Medizinprodukten wurde das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) unter anderem auch infolge eines Vorkommnisses mit dem Robodoc-System, welches diesem nahezu zeitgleich zum Erscheinen des Artikels im "Spiegel" gemeldet wurde, tätig und trat sowohl mit den französischen Behörden wie auch mit der Aufsichtsbehörde für die beteiligte benannte Stelle, der Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik (ZLS), in Kontakt und stellte Ermittlungen an. Diese Ermittlungen mündeten schließlich in der Risikobewertung und der Empfehlung des BfArM zum weiteren Betrieb des Robodoc-Systems vom 25. August 2004.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Liegt der Landesregierung eine klinische Bewertung zum Nachweis der Leistungsfähigkeit des Robodoc-Systems vor oder hat sie diese angefordert?

Wie bereits in der Vorbemerkung erwähnt, liegt der Landesregierung bezüglich des Robodoc-Systems die Risikobewertung des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte vor. Der Risikobewertung beigefügt sind Unterlagen, die auch klinische Daten enthalten.

Frage 2. Hat die Landesregierung geprüft, ob vor dem Einsatz des Robodoc-Systems an der BGU-Klinik eine klinische Bewertung zum Nachweis der Leistungsfähigkeit durchgeführt wurde und wenn nein, warum nicht?

Für eine solche Prüfung durch die Landesregierung vor Einsatz des Robodoc-Systems ergab sich aufgrund des Medizinprodukterechts basierend auf EU-Richtlinien kein Anlass. Wie bereits in der Vorbemerkung ausgeführt, hat der Verantwortliche für das erstmalige Inverkehrbringen seinen Sitz in Frankreich und unterliegt der Überwachung durch die dortigen Behörden.

Das Medizinprodukterecht fordert vom Verantwortlichen für das erstmalige Inverkehrbringen die Durchführung eines Konformitätsbewertungsverfahrens. Dieses umfasst auch eine klinische Bewertung, (EU-Richtlinie 93/42/EWG Anhang X) sowie mitunter ein vollständiges Qualitätssicherungssystem gemäß EU-Richtlinie 93/42/EWG Anhang II, Art. 3. Ein solches ist für den Hersteller entsprechend den Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte dokumentiert und zum 1. Dezember 2003 abgelaufen. Derzeit findet ein Rezertifizierungsverfahren statt.

Nach den Erkenntnissen der Landesregierung wurden die ersten Geräte noch nach der Medizingeräteverordnung, die auf dem Gerätesicherheitsgesetz basierte, in Verkehr gebracht. Es handelte sich bei diesen Geräten um solche der Gruppe 3 entsprechend § 2 der Medizingeräteverordnung. Klinische Bewertungen sah die Medizingeräteverordnung für diese Gerätegruppe nicht vor. Aufgrund von Übergangsbestimmungen des Medizinproduktegesetzes vom 2. August 1994 (§ 48) konnten Medizinprodukte noch bis zum 14. Juni 1998 nach den Bestimmungen der Medizingeräteverordnung erstmalig in Verkehr gebracht werden.

Frage 3. Sind nach Erkenntnissen der Landesregierung vor oder während des Einsatzes von "Robodoc" Studien zur Leistungsfähigkeit gemacht worden und wenn ja, von wem?

Es gibt eine Reihe von Studien, die klinische Daten zum Einsatz des RobodocSystems enthalten. Es sei auf die Literaturübersicht im Gutachten des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen e.V. zu "Robodoc" hingewiesen, die 60 Artikel umfasst und im Internet zur Verfügung steht.

(Roboterunterstützte Fräsverfahren am coxalen Femur bei Hüftgelenktotalendoprothesenimplantation, Methodenbewertung am Beispiel "Robodoc", April 2004.)

Die Unterlagen zur Risikobewertung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel enthalten ebenfalls Ergebnisse von 14 klinischen Studien zu "Robodoc".

Ferner ist eine Verfahrensbewertung zur Hüftgelenkendoprothetik der Universität Lübeck bekannt, in der auch über robotergestützte Verfahren ("Robodoc") berichtet wird: Lühmann, D.; Hauschild, B.; Raspe, H.: Hüftgelenkendoprothetik bei Osteoarthrose - Eine Verfahrensbewertung. Schriftenreihe Health Technology Assessment, Band 18. Baden-Baden: Nomos, 2000. In dieser Arbeit wird der gesamte Bereich der Hüftgelenkendoprothetik dokumentiert und kritisch bewertet. Diese Veröffentlichung steht auch im Internet in der Health-Technology-Assessment (HTA)-Reihe des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation (DIMDI) als Band 18 zur Verfügung. Es findet sich hierin auch der Hinweis auf eine Studie, die vor dem Inverkehrbringen des "Robodocs" durchgeführt worden ist: Bargar WL, Taylor JK, Leathers MW, Paul HA: Preoperative Planning and Surgical Technique for Cementless Femoral Components Using 3-D Imaging and Robotics, Report of Human Feasibility Study. American Academy of Orthopedic Surgeons 1994, Annual Meeting. Paper No. 110; New Orleans; 1994. Eine Beschreibung der Entwicklungsschritte vor dem Inverkehrbringen des "Robodoc"-Systems findet sich ferner in einer Veröffentlichung von Bargar et al.: Bargar WL, Bauer A, Börner M: Primary and Revision Total Hip Replacement Using the "Robodoc" System. Clinical Orthopedics and related Research 354: 82-91; 1998.

Frage 4. Hat die Landesregierung zu irgendeinem Zeitpunkt Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Robodoc-Systems gehabt und von ihrer Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Dokumentation zu überprüfen?

a) Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?

b) Wenn nein, warum nicht?

Die Landesregierung hat aufgrund des Artikels im "Spiegel" (Heft 05/2003) sofort reagiert und bei der Berufgenossenschaftlichen Unfallklinik in Frankfurt am Main, die den "Robodoc" betrieb, die dort vorhandenen Unterlagen überprüft. Es ergaben sich aufgrund der Überprüfung keine Hinweise auf ein unrechtmäßiges Inverkehrbringen des "Robodoc"-Systems oder auf Verstöße gegen die Medizinprodukte-Betreiberverordnung.