Kennen Sie weitere denkbare praktikable Alternativen zu Kumulieren und Panaschieren auf kommunaler

Sinnvoll wäre die Einführung eines STV-Systems (integrierte Stichwahl oder alternative vote) in jedem Fall bei der Wahl des Bürgermeisters, weil damit auf die in NRW umstrittene Stichwahl verzichtet werden könnte und trotz des fehlenden zweiten Wahlgangs eine absolute Mehrheit für den Gewinner erreicht würde.

Kennen Sie weitere denkbare / praktikable Alternativen zu Kumulieren und Panaschieren auf kommunaler Ebene?

Nein.

I. Einleitung:

Der vorliegende Antrag der Fraktion der FDP zielt auf die Einführung eines Wahlsystems mit der Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens für die Kommunalwahlen in NRW. Mehr Demokratie begrüßt diesen Vorstoß und sieht darin die Weiterführung einer 2008 durch die Volksinitiative Mehr Demokratie beim Wählen angestoßenen Debatte; die Initiative wurde von immerhin 72.830 Bürgerinnen und Bürgern unterstützt, fand aber seinerzeit keine Mehrheit im Landtag.

Im Februar 2011 hat Mehr Demokratie ein Wahlrechtsranking1 veröffentlicht, das die Kommunalwahlsysteme der Bundesländer nach dem Kriterium des Bürgereinflusses auf die Zusammensetzung der Stadt- und Gemeinderäte bewertet. Nordrhein-Westfalen landet hier, vor allen Dingen auf Grund des fehlenden Einflusses der Wählerinnen und Wähler auf die Reservelistenreihenfolge nur auf dem 14. Platz; schlechter werden lediglich das Saarland und Berlin bewertet. Die 13 davor platzierten Bundesländer kennen die Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens; die Regelungen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Wirksamkeit allerdings deutlich.

Das von der Fraktion der FDP favorisierte niedersächsische Wahlrecht lässt in diesem bundesweiten Vergleich eine wesentliche Schwäche erkennen. Die dort angewandte Verrechnung von Listen- und Personenstimmen bei der Auszählung führt zu einer weitgehenden Wiederherstellung der ursprünglichen Listenreihenfolge. Das im Wahlrechtsranking auf dem ersten Platz platzierte Bremen ähnelt in weiten Teilen dem niedersächsischen Wahlrecht, kehrt aber die oben erwähnte Verrechnungsformel um. Dadurch wird die Entscheidung der Wählerinnen und Wählern, die sich gezielt für eine Personenwahl entscheiden, weitaus besser abgebildet. Sollte der Antrag der FDP im Landtag eine Mehrheit finden und die Landesregierung mit der Erarbeitung eines Gesetzentwurfs, angelehnt an das niedersächsische Kommunalwahlrecht beauftragt werden, so sollte diesem Umstand unbedingt Rechnung getragen werden. siehe http://www.mehr-demokratie.de/rankings-berichte.html

2. Fragenkatalog:

a) Welche Chancen bietet das Kumulieren und Panaschieren?

Würde sich das Wahlverhalten der Bürger in NRW mit der Einführung des neuen Wahlrechts voraussichtlich verändern? In welche Richtung?

Der Grundgedanke des Kumulierens und Panaschierens ist, Bürgerinnen und Bürgern einen stärkeren Einfluss auf die Besetzung des Stadtrats zu geben als dies bei starren Listen der Fall sein kann. Diese Möglichkeit wird in anderen Bundesländern, so vorhanden, gerne genutzt. In Hessen, wo bei der Kommunalwahl 2001 zum ersten das Mal Kumulieren und Panaschieren möglich war, nutzen etwa 40 % der Wähler in den großen Städten und etwa 60 % der Wähler in den kleineren Städten diese Möglichkeit. In Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg, wo seit Jahrzehnten kumuliert und panaschiert werden kann, liegt der Anteil wie etwa in München bei 60 bis 70 %, während in den kleinen Gemeinden oftmals fast alle Stimmzettel einige Personenkreuze enthalten.

In Bremen haben bei der Wahl 2011 über 60 Prozent der Wählenden Möglichkeiten des neuen Wahlrechts genutzt. Angesichts dieser Zahlen scheinen zwei Prognosen für die die Entwicklung des Wahlverhaltens der Bürger in NRW wahrscheinlich: zum ersten würden diese neuen Möglichkeiten von einem wesentlichen Teil der Wählerinnen und Wähler gerne genutzt werden. Zum zweiten würde die Zahl der Wähler, die in irgendeiner Form Kumulieren und Panaschieren, im Verlauf der Jahre zunehmen.

Würde ein neues Wahlrecht der derzeitigen Politikverdrossenheit entgegenwirken können?

Kumulieren und Panaschieren kann ein - wenn auch kleiner Beitrag - gegen die um sich greifende Politiker- und Parteienverdrossenheit sein; dann nämlich, wenn ein Kandidierender durch den großen Zuspruch der Wählerinnen und Wähler auf der Liste nach oben gewählt wird. Die oft beklagte Bürgerferne wird dadurch ein Stück weit aufgelöst, dass alle Kandidierenden, die ein ernsthaftes Interesse haben, in den Rat gewählt zu werden, motiviert sein müssen, den Kontakt zu den Wählerinnen und Wählern zu suchen und um ihre Stimmen zu werben.