Armut trotz Erwerbstätigkeit

Es häufen sich Meldungen, wonach immer mehr Menschen in Hessen trotz eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatzes bzw. einer Erwerbstätigkeit Anspruch auf staatliche Leistungen, wie z. B. ALG II, haben. Bundesweit wird geschätzt, dass zwischen 600.000 und 900.000 Erwerbstätige ergänzend Leistungen nach dem SGB II erhalten.

Vorbemerkung der Sozialministerin:

Nach § 53 SGB II erstellt die Bundesagentur für Arbeit (BA) aus den bei der Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende von ihr nach § 51b SGB II erhaltenen und den ihr von den kommunalen Trägern und den zugelassenen kommunalen Trägern nach §51b übermittelten Daten Statistiken.

Sie übernimmt die laufende Berichterstattung. Da die Landesregierung selbst nicht über die Daten verfügt, die für eine Beantwortung der vorliegenden Kleinen Anfrage benötigt werden, wurde die Regionaldirektion Hessen um entsprechende Unterstützung gebeten.

In ihrer Antwort verweist die Regionaldirektion Hessen u.a. darauf, dass von der Statistik der BA derzeit noch nicht alle für eine Beantwortung erforderlichen Daten dargestellt werden können. Bereits in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der Abg. Fuhrmann, Eckhardt, Habermann, Dr. PaulyBender, Schäfer-Gümbel, Dr. Spies (SPD) und Fraktion betreffend Umsetzung von Hartz IV in Hessen - Drucksache 16/4242 - hatte die Landesregierung darauf hingewiesen, dass es nach wie vor erhebliche Probleme in der Übermittlung der Daten von den optierenden Kommunen zur Bundesagentur für Arbeit bzw. der anschließenden Verarbeitung durch die Bundesagentur gibt. Auf die Gründe wurde im Rahmen der Antwort auf die Große Anfrage ebenfalls kurz eingegangen.

Zu den von den Kommunen nach § 51b SGB II zu übermittelnden Daten gehören auch Daten zur Anrechnung von Einkommen. Diese Daten werden derzeit bei der BA-Statistik auf Plausibilität überprüft. Ein Konzept zur Auswertung dieser Daten befindet sich in der technischen Umsetzung. Erste Auswertungen werden voraussichtlich in der 2. Jahreshälfte erfolgen können.

Die Regionaldirektion verweist daher in ihrer Antwort im Wesentlichen auf den beigefügten Bericht der Statistik der Bundesagentur für Arbeit, "Grundsicherung für Arbeitsuchende: Anrechenbare Einkommen und Erwerbstätigkeit". Der Bericht datiert vom März 2006; ihm liegen im Wesentlichen Daten aus dem Monat September 2005 zugrunde. Darüber hinaus stehen derzeit keine weiteren Auswertungen zur Verfügung. Die im Rahmen des vorgenannten Berichts ausgewerteten Daten entstammen nach Angaben der Statistik der Bundesagentur für Arbeit dem Fachverfahren A2LL. Daten der Optionskommunen sind in diesen Auswertungen noch nicht enthalten. Hinsichtlich der Methodik wird auf Seite 15 ff. des Berichts verwiesen.

Der Vollständigkeit halber soll angemerkt werden, dass die vom Fragesteller als "Aufstocker" bezeichneten Personen nicht identisch sind mit dem Personenkreis, der bei der Bundesagentur für Arbeit als "Aufstocker" bezeichnet wird. Die Bundesagentur für Arbeit versteht darunter vielmehr Arbeitslosengeld-I-Bezieher, die noch ergänzend Leistungen nach dem SGB II erhalten.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Wie viele Menschen in Hessen - so genannte "Aufstocker" - erhalten trotz Erwerbstätigkeit Leistungen nach dem SGB II (Angaben bitte nach Landkreisen, Sonderstatusstädten und Städten aufschlüsseln)?

Im September 2005 lag in Hessen die Zahl der hilfebedürftigen Personen mit anrechenbarem Einkommen aus Erwerbstätigkeit bei 52.927, wobei die Personen, die lediglich Kindergeld als Einkommen beziehen, in dieser Zahl nicht enthalten sind. Hinsichtlich der regionalen Aufschlüsselung wird auf Tabelle 10, S. 38, des o.a. Berichts der BA-Statistik verwiesen.

Frage 2. Wie viel Prozent der Erwerbstätigen in Hessen sind dies?

Im Berichtsmonat Juni 2005 lag der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit ergänzendem ALG-II-Bezug in Hessen bei 1,3 v.H. Bei den ausschließlich geringfügig entlohnten Beschäftigten lag der entsprechende Anteil bei 8,0 v.H. (vgl. Tabelle 11, S. 46 des o.a. Berichts der BAStatistik).

Frage 3. Wie hoch ist der durchschnittliche Zahlbetrag pro "Aufstocker"?

Die Frage kann nicht beantwortet werden, da derzeit noch nicht alle erforderlichen Informationen für statistische Auswertungen erschlossen sind.

Frage 4. Wie hoch ist der Gesamtbetrag in Hessen für diesen Personenkreis?

Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen.

Frage 5. Wie viele von diesen "Aufstockern" erhalten

a) ALG-II-Unterhalt,

b) Leistungen für Unterkunft und Heizung,

c) ausschließlich Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge,

d) sonstige Leistungen des SGB II?

Zu a: Hierzu liegen der Landesregierung keine Daten vor. Es kann ledi glich eine Aussage über die Höhe des anrechenbaren Einkommens getroffen werden (vgl. hierzu S. 19-23 des Berichts der BA-Statistik). Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass es "ALG-II-Unterhalt" als so definierte Leistungsart nicht gibt. Arbeitslosengeld II setzt sich zusammen aus den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung und ggf. - unter den Voraussetzungen des § 24 SGB II - einem befristeten Zuschlag.

Zu b: Hierzu liegen keine Individualdaten vor.

Zu c: Sozialversicherungsbeiträge werden nur gezahlt, wenn zumindest auch Kosten der Unterkunft gewährt werden.

Zu d: Hierzu liegen keine Individualdaten vor.

Frage 6. Wie viele von diesen "Aufstockern" gehen

a) einer ganztägigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung,

b) einem Mini-Job,

c) einer sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung nach?

Zu a: Hierzu enthält der Bericht der Statistik der BA lediglich Angaben für das gesamte Bundesgebiet (vgl. S. 4 und 10 des Berichts). Demnach waren 1,3 v.H. der in Vollzeit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen. Das waren ausgehend von einer Zahl der in Vollzeit Beschäftigten von 21.800.000 Ende Juni 2005 rund 283.

Personen bundesweit.

Zu b: Bundesweit haben 395.000 Arbeitslosengeld-II-Empfänger im Juni 2005 einen Mini-Job ausgeübt. Das waren nach Angaben der BA 8,3 v.H. aller Mini-Jobber.

Zu c: 2,4 v.H. der in Teilzeit sozialversicherungspflichtig beschäftigten Personen erhielten im Juni 2005 Leistungen nach dem SGB II. Das waren, ausgehend von einer Gesamtzahl der in Teilzeit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von rund 4,36 Millionen Ende Juni 2005 rund 104.600 Personen.

Frage 7. Wie viele der betroffenen Erwerbstätigen sind Frauen und wie viele Männer?

Im Juni 2005 erhielten bundesweit 1,6 v.H. der beschäftigten Frauen (rund 180.000) ergänzend Arbeitslosengeld II; bei den Männern waren es 1,4 v.H. (rund 185.000 Personen).

Frage 8. Wie viele von den "Aufstockern" sind

a) unter 25 Jahre,

b) über 55 Jahre alt?

Zu a: Von allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit SGB-IILeistungsbezug waren 13,5 v.H. im Alter von 15 bis unter 25 Jahre (vgl. Tabelle auf S. 24 des Berichts der BA-Statistik). Bei den geringfügig Beschäftigten betrug dieser Anteil 8,3 v.H. (vgl. Tabelle 6, S. 24, des Berichts der BA-Statistik).

Zu b: Der Anteil der 55- bis unter 65-Jährigen lag bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit SGB-II-Leistungsbezug im Juni 2005 bei 5,1 v.H, bei den geringfügig Beschäftigten lag er bei 11,5 v.H. (vgl. Tabelle 6, S. 24, des Berichts der BA-Statistik).

Frage 9. Wie viele von den "Aufstockern" sind

a) Ungelernte bzw. ohne Schulabschluss,

b) Erwerbstätige mit Migrationshintergrund,

c) Alleinerziehende,

d) Erwerbstätige mit im Hauhalt lebenden Kindern unter 15 Jahren,

e) Selbstständige?

Zu a: Von allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit SGB-IILeistungsbezug in Deutschland waren im Juni 2005 20,6 v.H. ohne Berufsabschluss (vgl. Tabelle 6 auf S. 24 des Berichts der BA-Statistik).

Zu b: Bundesweit waren im Juni 2005 12,4 v.H. der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit ergänzendem Arbeitslosengeld-II-Bezug Ausländer (vgl. Tabelle 6 auf S. 24 des Berichts der BA-Statistik).

Zu c: Hierzu liegen keine Individualdaten vor.

Zu d: Hierzu liegen keine Individualdaten vor.

Zu e: Hierzu liegen keine Individualdaten vor.

Frage 10. In welchen Branchen sind die "Aufstocker" überwiegend tätig?

Auch hier enthält der Bericht der Statistik der Bundesagentur für Arbeit nur bundesweite Angaben. Danach kann die Aussage getroffen werden, dass der Anteil der Arbeitslosengeld-II-Bezieher im Dienstleistungsbereich, in der Bauwirtschaft und in der Land- und Forstwirtschaft überdurchschnittlich groß ist (vgl. S. 4 und Tabelle S. 10 des Berichts der BA-Statistik).

Frage 11. Wie viele

a) Erwerbstätige,

b) ALG-I-Empfänger,

c) Rentner und Rentnerinnen,

d) sonstige Personen, z. B. Studenten, in Hessen erhalten Leistungen nach dem Wohngeldgesetz?

Die gewünschten Angaben aus der amtlichen Wohngeldstatistik sind derzeit lediglich zum Stichtag 31. Dezember 2004 verfügbar. Zu diesem Zeitpunkt wurde Wohngeld noch in Form von allgemeinem Wohngeld und von besonderem Mietzuschuss für Empfänger von Sozialhilfe geleistet. Seit dem 1. Januar 2005 ist diese Sonderform abgeschafft, ferner sind Empfänger von Transferleistungen (ALG II, Leistungen nach SGB XII etc.) vom Wohngeld ausgeschlossen. Sie erhalten Leistungen zu den Unterkunftskosten nur noch über die originäre Leistung. Die Aussagekraft der lieferbaren älteren Statistikwerte ist daher nur eingeschränkt. Aktuelle Werte zum 31. Dezember 2005 liegen noch nicht vor.