Dieter Engels in Bonner Kommentar zum Grundgesetz DolzerKahllWaldhoffGraßhof Hrsg

Verfassungsorgan die Verantwortung für das gesamtstaatliche Finanzgebaren trägt, folgt daraus nicht zwangsläufig, dass jedes öffentliche Unternehmen von Verfassungs wegen der Kontrolle durch den Rechnungshof zu unterwerfen wäre.123 Die Verfassung gibt die Rechnungshofkontrolle allein für den staatlichen Funktionsbereich im engeren Sinne zwingend vor. Soweit das Parlament daneben organisatorische Einheiten schafft, die nicht innerhalb des Haushaltsplans agieren, obliegt es dem Parlament, sicherzustellen, dass eine wirksame Finanzkontrolle durchgeführt wird. Dazu mag das Parlament je nach Umfang und Ausmaß der finanziellen Konsequenzen seiner Entscheidung für die Schaffung einer selbständigen Organisationseinheit sogar von Verfassungs wegen verpflichtet sein.124 Das mag auch in Fällen der Zuwendungsgewährung oder der Garantieübernahme der Fall sein. Die verantwortliche Entscheidung darüber, auf welche Weise und durch welche Instanz die Informationen ermittelt und aufbereitet werden sollen, die für eine verantwortliche Wahrnehmung der parlamentarischen Überwachungsfunktion erforderlich sind, liegt jedoch beim Parlament.125 Dabei kann sich der Gesetzgeber für eine Prüfung durch den Rechnungshof entscheiden; er kann jedoch ebenso gut eine andere Instanz wählen,126 die ihm beispielsweise fachlich geeigneter erscheint. Aus Rücksicht auf die beschränkten Kapazitäten des Rechnungshofs kann die Wahl einer anderen Kontrollinstanz sogar geboten sein. Da die Funktionsfähigkeit des Rechnungshofs von Verfassungs wegen nicht etwa durch Überlastung gefährdet werden darf, seine Ressourcen jedoch beschränkt sind, würde jede andere Sichtweise zu einer nicht hinnehmbaren Einschränkung der ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgten Organisationshoheit des Parlaments führen.127 Insoweit ist dem Parlament als unmittelbar demokratisch legitimiertem Staatsorgan eine sachangemessene Einschätzungsprärogative zuzugeste123 So jedoch Florian Becker, Staatliche Wohnungsbauförderung und der Landesrechnungshof, NWVBI. 2010, 413 (418). 124 Vgl. Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, (Hrsg.), Band 16, Loseblatt, Heidelberg Stand 148. Lieferung Oktober 2010, Art. 114 GG Rdnr.192.

125 Zu den einfachgesetzlichen Prüfungsbestimmungen und ihrer Vereinbarkeit mit dem Prinzip der lückenlosen Finanzkontrolle vgl. Thomas Puhl, Budgetflucht und Haushaltsverfassung, Tübingen 1996, S. 347 ff.

Vgl. Dieter Engels, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, (Hrsg.), Band 16, Loseblatt, Heidelberg Stand 148. Lieferung Oktober 2010, Art. 114 GG Rdnr.201.

127 Siehe unten 111. 2. b) bb) Grenze der Erweiterungsbefugnis durch einfaches Gesetz. hen. Darauf ist an späterer Stelle zurückzukommen.

Hier ist allein festzuhalten, dass sich unmittelbar aus der Verfassung auch unter Rückgriff auf das Demokratieprinzip kein Prüfungsrecht des Antragstellers bezüglich landesunmittelbarer juristischer Personen des öffentlichen Rechts ableiten lässt.

(2) Prüfungsbefugnisse des Antragstellers und besondere Haftungsrisiken

Von Verfassungs wegen obliegen dem Antragsteller allein die Kontrolle der Rechnungslegung sowie die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der gesamten unmittelbaren Landesverwaltung unter Einschluss der Sondervermögen (Art. 86 Abs. 2 Satz 1 LV NRW). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die NRW.BANK nach § 1 NRW.BANK G als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts des Landes Nordrhein-Westfalen organisiert ist. Zwar trägt das Land gemäß § 4 Abs. 2 NRW.BANK G die Anstaltslast und nach § 4 Abs. 3 NRW.BANK G die Gewährträgerhaftung für die NRW.BANK. Auch trifft es zu, dass beide in ihrer Höhe nicht begrenzt sind und dass die Gewährträgerhaftung eine unmittelbare Haftung gegenüber Dritten zum Inhalt hat. Sie ist im Grundsatz - anders als der Antragsteller vorträgt bedingt: Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 NRW.BANK G tritt der Gewährträger nur ein, soweit eine Befriedigung aus dem Vermögen der NRW.BANK nicht zu erlangen ist. Lediglich ausnahmsweise haftet das Land unmittelbar und gesamtschuldnerisch. Solche Fallkonstellationen regelt § 4 Abs. 3 Satz 3 NRW.BANK G. Ob dadurch insgesamt eine unbegrenzte Haftung des Landes angelegt ist, deren Begründung allein in der Hand der Anstaltsleitung liegt - wie der Antragsteller meint - darf bezweifelt werden; die Frage kann jedoch vorliegend offen bleiben.

Selbst wenn die Behauptung des Antragstellers zuträfe, dass das Land Nordrhein-Westfalen für die NRW.BANK unmittelbar und unbegrenzt hafte, ergäbe sich daraus noch keine Erweiterung der dem Antragsteller von Verfassungs wegen garantierten Kontroll- und Prüfungsbefugnisse. Die Verfassung weist dem Antragsteller in Art. 86 Abs. 2 LV NRW die Prüfung der Rechnung des Landes sowie der Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung zu. Diese Tätigkeit ist auf finanzwirtschaftliche Vorgänge beschränkt. Sie umfasst keine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle des Verwaltungshandelns und auch eine politische Kontrolle gehört nicht zu den verfassungsrechtlichen Aufgaben des Antragstellers. Die 128 Siehe unten 111. 3. Einlösung der Anforderungen des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 2 LV NRW).

Kontrolle gehört nicht zu den Aufgaben des Antragstellers. Die von der Politik vorgegebenen Ziele hat er zu respektieren.

Selbst wenn der Rechnungshof nicht bloßes Hilfsorgan des Parlaments sein mag,130 so wird er doch vorrangig in dessen Interesse tätig. Die Finanzkontrolle durch den Rechnungshof ermöglicht dem Parlament, das Budgetrecht nicht nur wahrzunehmen, sondern auch den ordnungsgemäßen Vollzug des Haushaltes zu überwachen. Erst auf der Grundlage des Berichts des Rechnungshofs kann das Parlament über die Entlastung der Regierung entscheiden. Der Antragsteller hat aus diesem Grund und mit diesem Ziel die buchhalterische Korrektheit der Rechnungsführung sowie die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung zu überwachen.

Entscheidungen des Landesgesetzgebers, die eine Haftung des Landes oder Haushaltsrisiken zur Folge haben können, fallen demgegenüber nicht in den verfassungsrechtlich garantierten Aufgabenbereich des Antragstellers. Solche Entscheidungen mögen aus Sicht des Antragstellers kritikwürdig sein; sie haben gleichwohl keine Ausweitung seiner Prüfungsbefugnisse zur Folge. Dem Landesgesetzgeber obliegt es, als unmittelbar demokratisch legitimiertem Verfassungsorgan im Rahmen der verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen alle für das Land und seine Bürger wesentlichen Entscheidungen durch Parlamentsgesetz zu treffen. Auch die Begründung haushaltsrelevanter Pflichten und das Eingehen von Risiken zählen dazu. Daraus folgt, dass allein die Begründung möglicherweise haushaltsrelevanter Pflichten oder Risiken noch nicht von Verfassungs wegen der Prüfung durch den Antragsteller unterliegt. Erst wenn diese sich in der Haushaltsrechnung oder im Vermögen des Landes niederschlagen, sind sie vom Antragsgegner zu 1) in die Rechnung aufzunehmen und zur Prüfung vorzulegen.

(3) Zwischenergebnis

Anders als der Antragsteller meint, führt die gesetzgeberische Begründung haushaltsrelevanter Pflichten und das Eingehen von Risiken nicht zu einer Ausweitung der verfassungsrechtlichen Prüfungsbefugnisse des Rechnungshofs. Die Verfassung be129 Vgl. Helmut Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 5. Aufl., München 2009, Art. 114 GG Rdnr. 28.

130 So aber Klaus Grupp, Zum Verhältnis von Landtag und Landesrechnungshof in NVWBI. 1992, 265 (267 f.); Joachim Wieland, Rechnungshofkontrolle im demokratischen Rechtsstaat, DVBI. 1995, 894 (904); Christian Waldhoff, Verfassungsfragen der Kontrollkompetenzen des Landesrechnungshofs in gestuften Vermögensprivatisierungen, NVWBI. 2009, 369 (370).