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Für die Analyse des Verkehrsablaufs und die Dimensionierung von Straßenquerschnitten wird üblicherweise das q-v-Diagramm verwendet. Sofern an der betrachteten Messstelle die gesamte Bandbreite der möglichen Verkehrszustände bis hin zur Überlastung beobachtet wurden, ergibt sich im q-v-Diagramm eine asymmetrisch parabelförmige Punktewolke. Der obere Ast der Parabel repräsentiert den fließenden Verkehr, der untere Ast kennzeichnet den zähfließenden und gestauten Verkehr. Die Grenzgeschwindigkeit zwischen dem fließenden und dem zähfließenden bzw.gestauten Verkehr liegt auf deutschen Autobahnen üblicherweise in einer Größenordnung von 70 bis 80 km/h, bei Abschnitten mit Geschwindigkeitsbeschränkung darunter. Teilweise wird auch eine feinere Unterscheidung von Verkehrszuständen vorgenommen, vgl. z. B. KIM, KELLER (2001) und REGLER (2004).2 Kapazität

Nach den Begriffsbestimmungen der FGSV (2000) ist die Kapazität einer Straße definiert als die größte Verkehrsstärke, die ein Verkehrsstrom bei gegebenen Weg- und Verkehrsbedingungen an dem für ihn bestimmten Querschnitt erreichen kann. In den Bemessungsverfahren des HBS (2001) wird die Kapazität als fester Wert aufgefasst. Bei der makroskopischen Beschreibung des Verkehrsablaufs durch ein Verkehrsflussmodell entspricht die Kapazität der Verkehrsstärke im Bereich des Scheitelpunkts der q-v-Beziehung.

Die Kapazität einer Autobahn ist von zahlreichen systematischen Einflussfaktoren abhängig.

Dazu zählen insbesondere (vgl. HBS, 2001):

Fahrstreifenanzahl,

Längsneigung,

Verkehrszusammensetzung (Schwerverkehrsanteil),

Zusammensetzung des Fahrerkollektivs (repräsentiert durch die Lage der Strecke innerhalb oder außerhalb von.Ballungsräumen),

Geschwindigkeitsregelung,

Witterungsbedingungen und Helligkeitsverhältnisse.

Darüber hinaus wird die Kapazität auch durch den Verkehrszustand systematisch beeinflusst.

Verschiedene Untersuchungen (HALL, AGYEMANG-DUAH, 1991; BANKS, 1991 ; PONZLET, 1996; BRILON e.a., 2005) haben gezeigt, dass der maximale Stauabfluss nach einem Zusammenbruch des Verkehrsflusses geringer ist als die Kapazität bei fließendem Verkehr. Dieser Effekt wird auf das Fahrverhalten der Verkehrsteilnehmer bei Stauauflösung zurückgeführt. Der Rückgang der Kapazität wird als capacity-drop bezeichnet. Das Ausmaß des capacity-drop ist jedoch uneinheitlich und weist keine eindeutigen Gesetzmäßigkeiten auf (REGLER, 2004). Neuere Untersuchungen (z.B. MINDERHOUD e.a., 1997; BRILON e.a., 2007) zeigen, dass die Kapazität von Autobahnen auch unabhängig von äußeren, systematischen Einflüssen erheblich variieren kann und daher als Zufallsgröße aufzufassen ist. Dies bedeutet, dass die Kapazität nicht durch einen festen Wert, sondern durch eine Verteilungsfunktion repräsentiert wird. Die Verteilungsfunktion der Kapazität Fc(q) ist definiert als die Wahrscheinlichkeit, dass es bei der Verkehrsstärke q zu einem Zusammenbruch des Verkehrsflusses kommt.

Die stochastischen Eigenschaften der Kapazität sind für das Verkehrsmanagement vor allem deswegen von Bedeutung, weil verschiedene Untersuchungen (STÖCKER, TRUPAT, 2001 ; PISCHNER e.a., 2003; GEISTEFELDT, 2009) gezeigt haben, dass mit Zuflussregelungs- und Streckenbeeinflussungsanlagen die Varianz der Kapazität unabhängig von der mittleren Kapazität signifikant beeinflusst wird. Die geringere Varianz der Kapazität führt dazu, dass bei hohen Verkehrsstärken die Wahrscheinlichkeit eines Verkehrszusammenbruchs sinkt und damit in der Regel länger ein stabiler Verkehrszustand aufrecht erhalten werden kann.

Stauentstehung und -ausbreitung Staus entstehen, wenn die Verkehrsnachfrage die (momentane) Kapazität einer Verkehrsanlage überschreitet. Dabei wird die Verkehrsnachfrage als die Stärke des an der betrachteten Verkehrsanlage ankommenden Verkehrs definiert, während die Verkehrsstärke den abfließenden Verkehr beschreibt. Aus der Definition der Kapazität folgt, dass die Verkehrsstärke nie größer als die Kapazität sein kann.

Die. Entstehung eines Staus auf einer Autobahn ist üblicherweise mit einem plötzlichen Rückgang der Geschwindigkeiten verbunden. Der Übergang vom fließenden in den gestauten Verkehr wird als Zusammenbruch des Verkehrsflusses bezeichnet. Zusammenbrüche treten üblicherweise an Engstelien auf, an denen sich die Kapazität der Autobahn permanent (z.B. Fahrstreifenreduktion) oder temporär (z.B. Fahrstreifensperrung aufgrund eines Unfalls) ändert oder die Verkehrsnachfrage zunimmt (z.B. Zufahrt einer Anschlussstelle).

Nach dem Zusammenbruch bildet sich stromaufwärts der Engstelle ein Rückstau, der sich mit einer Geschwindigkeit von bis zu ca. 20 km/h entgegen der Fahrtrichtung ausbreitet. Die Stauausbreitung weist dabei in Abhängigkeit von der Art der Engstelle und weiteren Randbedingungen bestimmte Regelmäßigkeiten auf, die in verschiedenen Untersuchungen (z.B. KERNER, 2009; TREIBER, KESTING, 2010) beschrieben und kategorisiert wurden. Zur Modellierung der Stauausbreitung wurden zahlreiche Ansätze entwickelt und in Simulationsanwendungen eingesetzt. Dazu zählen insbesondere Kontinuumsmodelle WITHAM, 1955; RICHARDS, 1956) sowie zellenbasierte Modelle (NAGEL, SCHRECKENBERG, 1992; DAGANZO, 1994).

Definition des Begriffs Stau

Ein Stau ist ein vorübergehender Verkehrszustand, der entweder durch eine zu hohe Verkehrsnachfrage in den Spitzenstunden oder durch einen Kapazitätsrückgang infolge eines temporären Ereignisses (z.B. Baustelle, Unfälle, ungünstige Witterungsbedingungen) verursacht wird. Dabei sind zu unterscheiden: regelmäßig wiederkehrende Überlastungen, die in Spitzenstunden aufgrund eines - im Vergleich zur Verkehrsnachfrage - unzureichenden Kapazitätsangebots entstehen, unvorhersehbar auftretende Überlastungen, die entweder durch zufällig auftretende Störungen wie z. B. Unfälle oder durch geplante, aber für den Verkehrsteilnehmer im Vorfeld nicht absehbare Eingriffe in den Verkehrsablauf (z.B. Arbeitsstellen kürzerer Dauer) verursacht werden.

Regelmäßig wiederkehrende Staus sind vor allem ein regionales Problem, welches sich im Wesentlichen auf bestimmte Streckenabschnitte in dicht besiedelten Ballungsräumen be. schränkt (vgl. BOVY, SALOMON 1998). Für die betroffenen Verkehrsteilnehmer bedeuten Stauerscheinungen aufgrund von Geschwindigkeitsrückgängen und damit verbundenen Reisezeitverlusten einen Rückgang der Qualität des Verkehrsablaufs.

In der öffentlichen Debatte werden Staus vor allem als losgelöste Erscheinung gesehen, ohne dessen Komplexität näher zu betrachten. Für eine detaillierte Betrachtung des Begriffs Stau ist es jedoch unumgänglich, zwischen den unterschiedlichen Arten und Entstehungsgründen von Stau zu differenzieren (vgl. SCHALLABÖCK, PETERSEN 1998). Zum Beispiel sind die Gründe für den Rückstau an einer Signalanlage nicht zu vergleichen mit Staus auf der unbeeinflussten Autobahn.

Aufgrund der unterschiedlichen Ursachen und Auswirkungen sind unterschiedliche Definitionen für Verkehrsstaus denkbar. Nach GERONDEAU (1998) können mindestens fünf Definitionen mit teilweise unterschiedlichen Bedeutungen angegeben werden:

1. Der Begriff Stau kann einem nicht flüssigen Verkehrsfluss zugeordnet werden.

2. Stau tritt ein, wenn die mittlere Geschwindigkeit in einem Zeitintervall unter einen Grenzwert sinkt.

3. Staus können anhand der wirtschaftlichen Kosten identifiziert werden, die anfallen, wenn der Verkehrsfluss ein normales Level übersteigt, d.h. wenn die Nachfrage die Kapazität übersch reitet.

4. Stau kann als eine Situation betrachtet werden, in der die Nachfrage die Kapazität überschreitet.

5. Der Nutzer kann eine individuelle und qualitative Staudefinition festlegen.

In Abhängigkeit von der Perspektive des Betrachters kann Stau als ein verkehrstechnisches Problem, ein wirtschaftliches Problem oder einfach nur als eine Reduktion der Service-Qualität betrachtet werden. SCHALLABÖCK und PETERSEN (1998) betonen den letztgenannten Aspekt durch die Definition von Stau als eine Reduktion der Servicequalität der Infrastruktur aufgrund von Überlastungen oder anderen Gründen. BOVY und SALOMON (1998) hingegen betrachten den Stau aus einer mehr verkehrstechnischen Perspektive und definieren Stau als einen Zustand des Verkehrsflusses auf einer Verkehrsanlage, der durch eine im Vergleich zum Referenzzustand hohe Dichte und niedrige Geschwindigkeiten geprägt ist.