Ob ein Kreis mehr oder weniger Schlüsselzuweisungen erhält hängt von der Veränderung der Finanzkraft der Gemeinden ab

Wirkungen unterschiedlicher Auslöser einer gemeindlichen Finanzkraftänderung und verkennen darüber hinaus die Wirkung gemeindlicher Bedarfs- und Steuerkraftänderungen auf die Kreisschlüsselzuweisungen. Die Feststellung der Beschwerdeführer Weil die Gemeinden wegen höherer Bedarfe mehr Schlüsselzuweisungen bekommen, erhält der Kreis weniger Schlüsselzuweisungen (GA Neutralisierung, Ziff. 43), setzen sie systematisch gleich mit ihrer eigenen Feststellung Weil die Gemeinden wegen höherer Steuerkraft weniger Schlüsselzuweisungen bekommen, erhält der Kreis mehr Schlüsselzuweisungen (Döring/Otter, S. 216). Diese ihre Feststellung ist aber eindeutig falsch! Diese unzutreffende Aussage zeigt zudem, weshalb Döring/Otter den Konflikt in der Verbundbeziehung von kreisangehörigen Gemeinden und Kreise nicht wahrnehmen.

20. Ob ein Kreis mehr oder weniger Schlüsselzuweisungen erhält, hängt von der Veränderung der Finanzkraft der Gemeinden ab. Ein Anstieg der Steuerkraft einer Gemeinde führt zwar unter ansonsten gleichen Bedingungen zu geringeren Schlüsselzuweisungen für die Gemeinde, aber nicht zu mehr Schlüsselzuweisungen für den Kreis. Im Gegenteil: Da ein gemeindlicher Steuerkraftanstieg über den Ausgleichsmechanismus im Schlüsselzuweisungssystem nur teilweise - in Nordrhein-Westfalen zu 90 % - durch sinkende Schlüsselzuweisungen kompensiert wird, verbleibt der Gemeinde am Ende ein Finanzkraftanstieg - alles andere wäre Übernivellierung. Damit kommt es aber auch zu einem Anstieg der Umlagekraft des Kreises. Die höhere Umlagekraft wiederum führt dann im Kreisfinanzausgleich zu einer Kürzung der Schlüsselzuweisung des betroffenen Kreises. Die falsche Schlussfolgerung von Döring/Otter über die Rückkoppelungen des Kreisfinanzausgleichs auf Änderungen im Gemeindefinanzausgleich führt nun zum Kernproblem dieses Teils der Verfassungsbeschwerde.

21. Zunächst ist festzuhalten, dass jeder Finanzkraftanstieg einer kreisangehörigen Gemeinde auch für seinen Kreis bei konstantem Umlagesatz einen Gewinn bedeutet, denn die Kreisumlage steigt. Ergibt sich der Finanzkraftgewinn aus einem Zuwachs an Schlüsselzuweisungen, der wiederum aus einem Anstieg des Soziallastenansatzes resultiert, ist dieser Zugewinn des Kreises sogar in besonderer Weise gerechtfertigt, denn er ist der Träger des sozialen Hilfesystems im kreisangehörigen Raum - nicht die Gemeinde. Insofern ist diese kreisinterne Verbundwirkung über die Finanzkraft bei der Kreisumlage

- zunächst - nicht zu beanstanden.

22. Im Kreisfinanzausgleich kommt es zu einer zusätzlichen Verbundwirkung zwischen den Kreisen. Dabei stellt die undifferenzierte Verwendung der Finanzkraft als Maßstab des Ausgleichssystems das Problem dar, denn: Woraus eine Finanzkraftsteigerung der kreisangehörigen Gemeinden eines Kreises resultiert, ist im Kreisfinanzausgleich egal. Er reagiert - bei gleichbleibendem Bedarfsansatz - immer mit einer Kürzung der Schlüsselzuweisungen an den Kreis:

Steigt die Steuerkraft der kreisangehörigen Gemeinden, sinken ihre Schlüsselzuweisungen. 12 Im Saldo bleibt aber ein Rest an Finanzkraftgewinn bestehen, der dem Kreis zugerechnet wird.

Nehmen die Sonderbedarfe der kreisangehörigen Gemeinden bei konstanter Steuerkraft zu, erhalten sie mehr Schlüsselzuweisungen. Auch in diesem Fall steigt die Finanzkraft, die dem Kreis zugerechnet wird.

Zwischen beiden identischen Wirkungen besteht aber ein gravierender Unterschied:

Bei einem steuerkraftinduzierten Finanzkraftgewinn verbleibt in Abhängigkeit vom Ausgleichsgrad und trotz der Kürzung der Kreisschlüsselzuweisung im Gesamtkreis immer noch ein Rest an zusätzlicher Finanzmasse, dem - noch - keine konkrete Ausgabe gegenübersteht. Er ist frei verfügbar.

Ein bedarfsbedingter Finanzkraftgewinn führt hingegen nicht zu einer zusätzlichen, frei verfügbaren Finanzmasse. Insofern ist der Begriff Gewinn schon irreführend, denn es handelt sich um einen Ausgleich, der erfolgt, weil vermehrt Ausgaben - im Sozialbereich sogar für Pflichtaufgaben - vorzunehmen sind. Dieser Ausgleich für Sonderbedarfe13 erfolgt zudem nicht zu 100 %, sondern ist, um eine Anreizwirkung zum wirtschaftlichen Umgang mit den Mehrzuweisungen zu erhalten, im 11 Zum kreisinternen Finanzausgleich siehe weiter Abschnitt 1.2.5.

12 Abundante Gemeinden sind hiervon nicht betroffen, es sei denn, sie geraten dadurch in die Abundanz.

13 Hierbei handelt es sich ja noch nicht einmal um exakt gemessene Bedarfe, sondern um Wirkungen im einem System pauschal festgestellter Bedarfsrelationen.

Rahmen des Ausgleichsgrades reduziert. Die dann erfolgende Kürzung der Schlüsselzuweisung an den Kreis bedeutet also eine zusätzliche Reduktion des Ausgleichs für Sonderbedarfe zugunsten derjenigen Kreise, deren Gemeinden vergleichsweise geringere Sonderbedarfe aufweisen. Damit wird aber das Ziel des gemeindlichen Schlüsselzuweisungssystems konterkariert.

Auf eine Kurzform gebracht kann formuliert werden: Während ein steuerkraftinduzierter Finanzkraftzuwachs ein echter Gewinn ist, reduziert ein bedarfsinduzierter Finanzkraftzuwachs lediglich den überdurchschnittlichen Ausgabendruck. Dieser entscheidende Unterschied wird im Umlagekraft-Bedarfsausgleich des Kreisfinanzausgleichs nicht beachtet (vgl. dazu auch GA Neutralisierung, Ziff. 40-46). 23. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass das interkommunale Gleichbehandlungsgebot durch die Forderung der Beschwerdeführer nach einer sachgerechten Berücksichtigung von Sonderbedarfen im Kreisfinanzausgleich in keinster Weise beeinträchtigt wird. Vielmehr wird erst mit der den Neutralisierungseffekt korrigierenden Berücksichtigung - oder einer anderen Form des Nachteilsausgleichs - die Gleichbehandlung wieder hergestellt.

24. Der zusätzliche Verweis von Döring/Otter darauf, dass die kreisangehörigen Gemeinden im Gegensatz zu den kreisfreien Städten indirekt an der Teilschlüsselmasse für die Kreise partizipieren (Döring/Otter, S. 216) kann dabei nicht als Ausgleich für die Umverteilung der Kreisschlüsselmasse im kreisangehörigen Raum herangezogen werden. Die Kreisschlüsselmasse ist nur in ihrer Relation zur Schlüsselmasse der Gemeinden und dem Gesamtverhältnis der Zuweisungen an kreisfreie Städte und kreisangehörigen Raum für die Beurteilung relevant. Da sie den Kreisen als eigenständige Zuweisung für Kreisaufgaben gewährt wird, steht sie auch nicht im Kontext der Sonderbedarfe.

Zwischenresümee zum Neutralisierungseffekt 25. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der Rückkoppelungen zwischen Gemeinde- und Kreisfinanzausgleich weder die Pauschalierungsmöglichkeiten noch den Gestaltungsfreiraum des Landesgesetzgeber angreift.