Strukturen und Bündnisse Größe und Struktur linksautonomer Gruppierungen sind lokal unterschiedlich und wechseln rasch

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Sachschäden. Sie sind häufig als Reaktion auf Veranstaltungen des rechten Spektrums zu sehen und richten sich vor allem gegen Kundgebungen und andere öffentliche oder interne Veranstaltungen rechtsgerichteter Gruppierungen mit dem Ziel, diese zu stören oder zu verhindern, gegen Organisationen, Institutionen und Szeneobjekte rechtsgerichteter Gruppierungen, gegen Einzelpersonen, die tatsächlich oder vermeintlich der rechtsextremistischen Szene angehören oder denen eine Unterstützung dieser Szene unterstellt wird.

Strukturen und Bündnisse Größe und Struktur linksautonomer Gruppierungen sind lokal unterschiedlich und wechseln rasch. Linksautonome Protagonisten lehnen festgefügte und hierarchisch geprägte Organisationsstrukturen strikt ab. Insbesondere bei der Kampagnenarbeit und bei Mobilisierungen für gemeinsame Aktionen bilden sich jedoch funktions- und kommunikationsbezogene Zuständigkeiten.

Der Altersschwerpunkt liegt bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 14 und 25

Jahren. Allerdings gibt es auch deutlich ältere Altautonome. Wissenschaftliche Studien zum Milieuhintergrund linksautonomer Aktivisten existieren nur fragmentarisch und haben daher eingeschränkte Aussagekraft. Insgesamt handelt es sich ­ altersbedingt ­ um eine stark fluktuierende Szene, die sich nur in begrenztem Umfang konkreten Gruppenstrukturen zuordnen lässt.

Bei ihren Aktionen geht die Autonome Antifa sowohl taktisch-pragmatische Bündnisse gegen Rechts mit linksextremistischen Parteien und Gruppierungen ­ etwa der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) ­ ein, als auch mit zivilgesellschaftlichen Initiativen und Organisationen, welche die gleichen oder ähnliche Themenschwerpunkte mit legalen Mitteln durchsetzen wollen. In Teilen der Gesellschaft existiert ein zwar ablehnend-distanzierter, gleichzeitig aber auch partiell verständnisvoller Umgang mit autonomen Zielsetzungen und Handlungsoptionen. Sie werden mitunter als übermütig-leidenschaftliches Eintreten für eine positive Sache verklärt.

Ziel der Linksautonomen ist es hier, den gesellschaftsübergreifenden Konsens gegen Rechts zu nutzen, um eigene Strukturen mit fremden Mitteln zu stärken. Antideutsche Aktivisten lehnen die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen prinzipiell ab, machen vor dem Hintergrund einer erfolgreicheren Mobilisierung jedoch auch Ausnahmen von dieser Regel.

Rekrutierungsmuster der linksextremistischen Szene: Soziales Engagement als Anreiz für Jugendliche Personen der linksautonomen Szene haben in der Regel einen Vorlauf im linksalternativen Spektrum und schließen sich anlass- und aktionsbezogen zusammen, um die Mobilisierung für ihr jeweiliges Themengebiet mit Aktionen zu unterstützen, die nicht mehr im Einklang mit gängigen und legalen politischen Mitteln stehen. Dazu können etwa Hausbesetzungen, Straßenblockaden zur Verhinderung von Kundgebungen rechtsextremistischer Organisationen oder CASTOR-Transporten und Hacking-Angriffe auf rechtsextremistische Internetseiten gehören.

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Selbstgestaltete Informationsdienste (Twitter, Blogs, Foren) und soziale Netzwerke im Internet werden von der linksautonomen Szene genutzt, um eine schnelle Kommunikation zu gewährleisten. Über virtuelle Vernetzungen lassen sich gerade bei Mobilisierungskampagnen vor allem jugendliche Nutzer gewinnen. Die Oberflächlichkeit dieser Beziehungen zieht zwar zwangsläufig keine darüber hinausgehende Aktivität nach sich, bietet aber schnelle Anknüpfungspunkte für Szenekontakte.

Politisch links zu sein vermittelt Jugendlichen nicht selten ein Gefühl von Gerechtigkeit, Solidarität, kritischem Hinterfragen bestehender Strukturen und Suche nach neuen, alternativen Lebensformen und Handlungsmustern in Gruppenzusammenhängen. Kommt eine politische Motivation hinzu, die sich auf zunehmende Distanz zum etablierten politischen Spektrum gründet, sehen manche Jugendliche den antifaschistischen Kampf und Aktionen für Freiräume als attraktive Alternativen, um ihrem Bedürfnis nach aktionsorientierten Handeln außerhalb konventioneller bürgerlich-vermachteter Strukturen Ausdruck zu verleihen.

Dass dabei unter dem Motto Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen! allerdings die politische Auffassung Andersdenkender von Vornhinein diskreditiert wird, Staat und Polizei als Beschützer der Rechten und Bewahrer eines kapitalistisch geprägten Status quo gesehen werden, und das staatliche Gewaltmonopol prinzipiell missachtet wird, verengt den Blick und ist Ausdruck eines fehlenden demokratisch-pluralistischen Grundverständnisses.

Die Faszination für Jugendliche und junge Erwachsene, die das Eintreten für eigene und zum Teil auch in weiten Teilen der Gesellschaft vorhandene Ideale bei gleichzeitiger situationsbedingter oder sogar geplanter Gewalt hat, ist nicht zu unterschätzen. Auf diese Weise werden szeneseitig Outlaw- und Freiheitskämpfer-Phantasien ausgelebt und ­ sollte man dafür verurteilt werden ­ Märtyrer und Opfer kreiert. Auch Trittbrettfahrer ohne besondere politische Motivation finden auf diese Weise eine Plattform, die eventbezogenes Action-Gehabe zu heroischem Handeln verklärt. Auch in der linksautonomen Szene selbst wird diese Wechselwirkung häufig kritisiert.

Ähnliche Motive und Prozesse an der Schwelle zum Erwachsenwerden können allerdings auch den Keim einer Hinwendung zu anderen Phänomenbereichen des Extremismus ­ beispielsweise den rechtsextremistischen Autonomen Nationalisten ­ legen.

Zunehmende Gewaltorientierung bei Demonstrationen

In Berlin und Hamburg kam es im Jahr 2009 und Anfang 2010 zu einer Vielzahl von Gewaltdelikten (Angriffe auf Polizeibeamte mit zum Teil schweren Verletzungen, Brandstiftungen gegen Fahrzeuge), die mit der Verdrängung der einkommensschwächeren Bevölkerung in innenstadtnahen Stadtteilen als Folge der Sanierung und Aufwertung von Wohngebieten (Stichworte: Gentrifizierung und Yuppisierung) in Zusammenhang gebracht wurden.

Zeit- und ortsgebundene Auseinandersetzungen mit einer gewissen Tradition ­ wie in Berlin und Hamburg ­ mit besonders schweren Gewalttaten gibt es in NRW allerdings nicht. Der Protest gegen Gentrifizierung findet lediglich in gelegentlichen Hausbesetzungen und Eingriffen in den innerstädtischen Verkehr seinen Ausdruck. Auch der Brandanschlag auf Fahrzeuge des Logistikunternehmens DHL am 18. April 2010 in Drensteinfurt als Teil einer bundesweiten Kampagne des linksautonomen, antimilitaristischen Spektrums ändert nichts an diesem Befund.

Gewalt in der linksextremistisch-autonomen Szene wird seit jeher als ein Mittel der politischen Auseinandersetzung mit den Rechten, dem Staat und mit Wirtschaftsunternehmen verstanden G E W A L T B E R E I T S C H A F T D E R A U T O N O M E N 25 und legitimiert. Gewaltausübung ist darüber hinaus auch Ausdruck einer egoistischhedonistisch orientierten Subkultur geworden, die den Erlebniswert entgrenzter Konkurrenzsituationen und dabei angewendeter Gewalt höher schätzt als ein pluralistisches Nebeneinander verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und Meinungen. Stichworte dafür sind Krawallkids, Hooliganismus, Ghettoverhalten und unpolitische Eventgewalt. Letzteres wird durch die Feststellung unterstützt, dass Gewalttäter bei Ausschreitungen anlässlich von Demonstrationen oft recht jung sind und häufig kein festgefügtes politisches Weltbild haben. Anlassbezogen finden wir eine erhöhte Zahl junger Gewalttäter im Alter zwischen 16 und 25 Jahren vor.