Inkasso

5.3 Illegaler Datenhandel

In Deutschland sind über 1.300 legale Adresshändler registriert. Über diesen Händlerkreis werden einfache Adressdaten angeboten, die z. B. im Direktmarketing für Werbebriefaktionen aber auch im Rahmen der Produktvermarktung zur Eingrenzung der Zielgruppe und Vermeidung profilfremder Werbung eingesetzt werden. Deutsche Unternehmen gaben in 2009/2010 ein Werbebudget für voll-, teil-, und unadressierte Werbebriefe von 12,6 Mrd. Euro, für online-Medien von 10,7 Mrd. Euro und für Telefonmarketing von 4,3 Mrd. Euro aus

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Dabei umfasst der legale Datenhandel ausschließlich die Weitergabe von einfachen Personaldaten wie Name, Anschrift und das Geburtsjahr. Nach derzeitigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen ist die Weitergabe ergänzender persönlicher Angaben (Geburtsdatum, Telefonnummer, e-mail Adresse oder sogar Bankverbindungen) nur dann erlaubt, wenn das Einverständnis der betroffenen Person vorliegt. Hier beginnt der illegale Datenhandel und Datenmissbrauch, den auch OK Gruppierungen als lukratives Geschäftsfeld für sich entdeckt haben.

EG Bit, Bonn

Das Verfahren der Bonn wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung richtete sich gegen eine 10-köpfige türkisch-deutsche Tätergruppe, die über ein im Inland und der Türkei eingerichtetes Firmengeflecht u.a. illegal erlangte Personen-, Bank- und Vertragsdaten eines Telekommunikationsunternehmens unerlaubt mehrfach an diverse Unternehmen verkauft hat.

Dabei wurden z. B. für 5 Millionen Datensätze Summen von 500.000 verlangt. Die aufkaufenden Unternehmen betrieben hauptsächlich Telefonakquise im Bereich der Versicherungs- und Glücksspielvermittlung.

Weiterhin akquirierten die Täter über von ihnen in der Türkei beherrschte Firmen Telekommunikationsverträge und reichten diese in betrügerischer Weise bei einem deutschen Telekommunikationsunternehmen ein. Durch die Täuschungshandlungen kam es zu unberechtigten Zahlungen an die Tätergruppe in einer bisher festgestellten Höhe von 4,1 Mio.

Die Polizei geht zudem davon aus, dass der Tätergruppierung der unbefugte Zugriff auf Firmenrechner von Vertriebspartnern eines deutschen Telekommunikationsunternehmens gelang und hier monatlich etwa 1.000 Datensätze von Kunden derart manipuliert wurden, dass die Provisionszahlungen nicht an die tatsächlichen, sondern unberechtigt an einen durch die Tätergruppierung eingesetzten Vertriebspartner flossen. Somit erlangten diese widerrechtlich monatliche Provisionszahlungen zwischen 130.000 und 140.000.

Auch von Einschüchterungsversuchen an Zeugen schreckte die Tätergruppe nicht zurück: Sie zerschlugen das Büromobiliar einer Call-Center-Mitarbeiterin und bedrohten einen weiteren Zeugen und dessen Familie. Ein Täter trug bei seiner Festnahme eine Schusswaffe bei sich. Bislang konnten Vermögenswerte i.H.v. 700.000 sichergestellt werden. Die Hauptverhandlung findet vor dem Landgericht Bonn statt.

2 http://www.stern.de/digital/computer/datenhandel-wie-ich-meine.daten-schuetzen-kann.635318.html Deutsche Post AG: Dialog Marketing Monitor Studie 22, Dialogmarketing Deutschland 2010 - die neuesten Zahlen zum Dialogmarketing. Zu beziehen unter: https:l/www.dialogmarketing-shop.de/ (30.04.2011)

- 22.

Illegale Gewinnspiele

Als Wiener Karussell hat die Vermarktung betrügerisch aufgezogener Glücksspieleintragsdienste mittels strafbarer Werbung mediale Aufmerksamkeit erregt: Betrüger agieren in der Telefonmarketingbranche und instrumentalisieren Call-Center, deren Mitarbeiter mit unseriösen Werbeanrufen ahnungslosen und vornehmlich älteren Kunden kostenpflichtige Glücksspielprodukte anbieten.

EK Teleflachs, Essen

Die Essen zerschlug im April 2010 ein Betrugskartell, das nach diesem Vorbild seit Oktober 2009 zwei Callcenter in Essen betrieb.

Die rund 90 Mitarbeiter dieser Firmen waren beauftragt, Personen aus einem zuvor angekauften Datenpool, welcher Kundendaten renommierter Lotteriegesellschaften enthielt, telefonisch zu kontaktieren. Seit Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb im Jahr 2009 gelten telefonische Kontaktanrufe ohne vorherige Zustimmung des Angerufen als unerlaubte Telefonwerbung. Zur Umgehung dieser Rechtslage wurde den Callcenter-Mitarbeitern ein standardisierter Gesprächsleitfaden an die Hand gegeben und der Einstieg des eigentlichen Verkaufsgespräches so gewählt, dass man die Angerufenen als registrierte Kunden des Glücksspieleintragsdienstes begrüsste und so das Vorliegen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses suggerierte.

Den vornehmlich älteren Gesprächsteilnehmern wurden dann mitgeteilt, dass eine Vertragskündigung erst nach Ablauf einer 3-monatigen Frist, nach Abgleich der Bankdaten der Angerufenen und nach Abbuchung der Monatsbeiträge möglich sei. Eine Teilnahme dieser Kunden an Glücksspielen im Internet war zu keinem Zeitpunkt vorgesehen. Die eigens zu diesem Zweck programmierten Internetportale der beworbenen Glücksspielprodukte dienten als bloße Fassade.

Mit den so generierten Kontodaten veranlassten die Tatverdächtigen Lastschriftaufträge zugunsten eigener Konten. Mitschnitte der Kundentelefonate, die die - aus dem tatsächlichen Gesprächskontext genommene - Zustimmung zum Lastschrifteinzug dokumentieren sollten, dienten der Legitimierung gegenüber externen Finanzdienstleistern. Im Falle einer Zahlungsverweigerung drohten die Tatverdächtigen mit dem Einschalten von Inkassodiensten und dem Beschreiten des Rechtsweges.

Durch diese Form der Telefonakquise wurden etwa 58.000 Geschädigte betrogen und nach Abzug aller Rücklastschriften bzw. Berücksichtigung sonstiger Buchungsprobleme noch etwa 2,5 Millionen Euro betrügerisch erlangt.

Für die Essener handelt es sich bei dem Geschäftsführer des Call-Centers, dem Betreiber einer Gesellschaft für Gewinnspieleintragsdienstprodukte und dessen Personalchef, um die drei führenden Köpfe der kriminellen Organisation. Diese konnten im April 2010 im Rahmen einer bundesweiten Razzia festgenommen werden. Im Oktober 2010 eröffnete das Landgericht Essen die Hauptverhandlung. Die Strafverfolgungsbehörden leiteten gegen die in den Call-Centern tätigen Agenten gesonderte Ermittlungsverfahren ein.

Vor dem Hintergrund der Betroffenheit vieler Verbraucher von illegaler Gewinnspielwerbung starteten das LKA NRW und die Verbraucherzentrale NRW anlässlich des Weltverbrauchertages am 15.03.2011 eine Präventionsinitiative, mit welcher nicht nur die Verbraucher im Umgang mit der Gewinnspielwerbung am Telefon sensibilisiert werden sollen, sondern auch Banken und Telekommunikationsunternehmen zu intensiveren Kontrollen beim Lastschriftverfahren und bei der Rechnungsstellung aufgefordert werden

Illegales Glücksspiel und Sportwetten OK dokumentiert sich nicht ausschließlich in spektakulären, in den Medien umfassend kommentierten Gewalttaten. Auch die groß angelegte und konsequent durchgeführte Nutzung rechtlicher Grauzonen sowie das Agieren in denjenigen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, die nicht oder nur sehr oberflächlich von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, bietet OK Tätern Gelegenheit, illegale Gewinne zu erlangen. Beispiele für diese weitgehend von der Öffentlichkeit unbeachteten Milieus sind illegales Glücksspiel und illegale Sportwetten.

EK Schwan, Essen

Eine türkischstämmige Großfamilie aus Essen betrieb eigene Spielhallen und einen landesweiten Automatenaufstellbetrieb. Dabei manipulierte die Bande die Software der Geldspielgeräte, um die Umsatzangaben und damit die fiskalischen Abgaben zu minimieren.

Als wesentlich lukrativeres Tätigkeitsfeld entwickelte sich für die Tatverdächtigen die in Deutschland verbotene private Sportwettenvermittlung - zunächst in einer Vielzahl türkischer Cates und später auch via Internet. Agierte die Gruppierung in 2005 noch lediglich als Vermittler für einen österreichischen Wettanbieter, so richtete sie sukzessive ab 2007 drei Internetplattformen tür Sportwetten und ein Glücksspiel-Portal online ein. Die Anmietung und Abwicklung über ausländische Server sowie ein aufwändiges Firmenkonstrukt von Strohfirmen in England, Belgien und Costa Rica diente der Verschleierung der illegalen Unternehmungen. Den Ermittlern der Essener Polizei gelang es, der Bande die Wetthalterschaft mit Sitz in Essen und damit nach dem Rennwett- und LOlteriesteuergesetz eine deutsche Steuerpflicht nachzuweisen.

In zwei zeitlich versetzten Razzien durchsuchten Beamte unter Leitung der Essen insgesamt 115 Privat- und Geschäftsanschriften, darunter auch 74 Internetcafes. Außerdem gelang den Ermittlern mit der Unterstützung externer Experten die Sicherung der auf dem ausländischen Server liegenden Daten, so dass der Gruppierung illegale Umsätze in Höhe von 120 Mio. nachgewiesen werden konnten. Gegen zwölf der mutmaßlichen Drahtzieher konnten Haftbefehle erwirkt werden. Finanzermiltler veranlassten die Sicherung von Vermögenswerten in Höhe von 1 Mio. Bargeld und Immobilien mit einem Gegenwert von etwa 7 Mio. 4 Details zu dieser Initiative unter (30.04.2011)