Elektrifizierung und Modernisierung des Bahnverkehrs im Allgäu

Der Bahnverkehr im Allgäu wird mit Dieselfahrzeugen betrieben. Wohl einmalig rückständig ist es in Deutschland, daß sogar Eurocityzüge, hier auf der Strecke München­Lindau­Zürich, nur mit veralteten Dieselloks gezogen werden.

Abgase und Ruß der technisch längst überholten Dieselloks strömen unverantwortlicherweise auch in die Reisewägen.

Bei manchen Wetterlagen machen sich diese gesundheitsschädigenden giftigen Abgase für die Fahrgäste durch penetranten Gestank bemerkbar. Die Anwohnerinnen und Anwohner längs der Allgäuer Bahnstrecken und in der Nähe insbesondere der Bahnhöfe: Augsburg, Buchloe, Kaufbeuren, Memmingen, Kempten, Immenstadt und Lindau leiden unter schwarzen Abgaswolken. Die Bahn, die sich eigentlich als umweltfreundliches Verkehrsmittel profilieren möchte, kommt in Verruf.

Ich frage die Staatsregierung:

1. Welche Regionen (nicht Strecken) außer dem Allgäu sind der Staatsregierung bekannt, die insgesamt nicht elektrifiziert sind und zu Dieselnestern gemacht wurden? Was ist der historische Grund für diese Rückständigkeit? Sind der Staatsregierung auch andere IC- bzw. EC-Linien in der ehemaligen BRD bekannt, die nicht von E-Loks gezogen werden?

2. Wie hoch liegt durchschnittlich bei einer EC-Fahrt von München nach Lindau der Dieselverbrauch pro 100 km und wieviel umweltrelevante und gesundheitsgefährdende Abgase werden bei solchen EC-Fahrten pro 100 km durchschnittlich emittiert? Bitte die Zahlen der besseren Vergleichbarkeit wegen so weit möglich pro Sitzplatz angeben.

3. Wie sehen die Verbrauchswerte und die Schadstoffemissionen vergleichsweise aus für:

a) Pendolinozüge, wie sie z. B. zwischen Nürnberg und Hof eingesetzt werden?

b) Den Einsatz moderner Dieselloks wie z. B. der DE 1024 von der neuerdings zu Siemens gehörenden Krupp Verkehrstechnik?

c) Andere schon oder bald verfügbare dieselangetriebene Züge?

Bitte die Zahlen der besseren Vergleichbarkeit wegen so weit möglich pro Sitzplatz angeben.

4. Welche Schadstoffhöchstmengen definierenden staatlichen Bestimmungen (z.B. TRGS 554 oder MAK) sind bezüglich der Dieselfahrzeuge der Bahn zum Schutz der Passagiere, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bahn und der Anwohnerinnen und Anwohner zu beachten?

5. Elektrifizierung. Warum fördert im Unterschied zu beispielsweise Schleswig-Holstein oder Baden-Württemberg bisher Bayern nicht die aus Gründen des Umweltschutzes und der Regionalentwicklung wünschenswerte Elektrifizierung der Bahn gerade im Allgäu?

6. Wie beurteilt insgesamt die Staatsregierung das Problem stinkende und veraltete Dieselloks und Elektrifizierung der Bahn im Allgäu? Wann ist voraussichtlich und spätestens mit einer Verbesserung zu rechnen?

Antwort des Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen

Das Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen hat zur Beantwortung Stellungnahmen des Staatsministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Technologie (zu den Punkten 5 und 6) und der Deutschen Bahn AG (DB AG) erbeten. Die DB AG konnte aufgrund der engen Terminsetzung keine schriftliche Stellungnahme abgeben. Die folgenden, die DB AG betreffenden Aussagen (zu den Punkten 1, 2 und 3) wurden fernmündlich erteilt und unterliegen damit dem Vorbehalt einer möglichen Korrektur.

Zu 1.: Diese Frage wurde von der DB AG nicht beantwortet. Aus dem Gesamtverkehrsplan Bayern geht hervor, dass vom Schienennetz der DB AG in Bayern im Jahr 1990 rund 60 % der Hauptstrecken elektrifiziert waren. Auf Nebenstrecken betrug der Anteil elektrifizierter Strecken rund 7 %.

In den alten Ländern sind nach hiesiger Kenntnis beispielsweise die Strecken Hamburg Westerland, Hamburg­Berlin und Hamburg­Kiel nicht elektrifiziert. Die Aufzählung ist nicht abschließend.

Zu 2.: Auf der Strecke München­Lindau wird in Doppeltraktion mit Diesellokomotiven der Baureihe 218 für folgenden BR 218) gefahren. Der durchschnittliche Diesel-Verbrauch für Doppeltraktion der BR 218 liegt nach Auskunft der DB AG bei ca. 500 l/100 km. Klasse) und 30 Sitzplätzen (1. Klasse).

Zu 3.: a) Der durchschnittliche Dieselverbrauch eines Pendolinozuges liegt nach Auskunft der DB AG bei ca.

Klasse und 114 Sitzplätzen in der 2. Klasse sowie 6 Notsitzen. Für die sitzplatzbezogene Emission wurde mit 520

Sitzen gerechnet. Da durchschnittlich weniger als vier Wageneinheiten verkehren, Angaben hierüber aber dem nicht vorliegen, sind die sitzplatzbezogenen Emissionswerte für verkürzte Züge höher anzusetzen.

b) Die Verfügbarkeit der Diesellok 1024 wird von der DB AG derzeit mit 90 %.

c) Derzeit wird auf der Strecke München­Mühldorf eine motortechnisch optimierte Diesellokomotive der BR 218 erprobt (Umbaukosten ca. 100.000,00 DM pro Lok). Bei einer erfolgreichen Erprobung ist ab Ende 95 mit dem Beginn einer Umrüstaktion von vorerst 100 Diesellokomotiven zu rechnen.

Hierfür wurden folgende Abgaswerte angegeben: CO 3,5 kg/100 km NOx 32,9 kg/100 km Kohlenwasserstoffe HC 0,48 kg/ 100 km Ruß 0,071 kg/100 km SO2 1,17 kg/100 km CO2 1235,0 kg/100 km

Die motortechnischen Maßnahmen führten zu einer deutlichen Minderung der Emissionen von CO um rund 63 % und von Ruß um rund 90 % und parallel dazu auch zu einer drastischen Verminderung der Emissionen an geruchsintensiven Stoffen. Die Abgaswerte können unmittelbar mit denen aus Punkt 2 dieses Schreibens verglichen werden (gleiche Ermittlung der Abgaswerte, Doppeltraktion).

Zu 4.: Der Wert für die Technische Richtkonzentration von Dieselmotor-Emissionen beträgt für Mitarbeiter, wie Schaffner und Zugbegleitpersonal, 0,2 mg/m3 Ruß (d.h. Kohlenstoffanteile je m3 Luft). Hierbei ist von einer Expositionszeit von 40 Stunden pro Woche auszugehen.

Die maßgebliche Rechtsvorschrift für die Beschaffenheit und den Betrieb von Schienenfahrzeugen ist in diesem Zusammenhang § 38 Bundes-Immissionsschutzgesetz Danach müssen Schienenfahrzeuge, also auch Diesellokomotiven, so beschaffen sein, dass ihre durch die Teilnahme am Verkehr verursachten Emissionen im bestimmungsgemäßen Betrieb die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen einzuhaltenden Grenzwerte nicht überschreiten. Sie müssen so betrieben werden, dass vermeidbare Emissionen verhindert und unvermeidbare Emissionen auf ein Mindestmaß beschränkt bleiben. Gesetzlich festgelegte Grenzwerte für Abgasemissionen von Schienenfahrzeugen gibt es zur Zeit nicht. Für Schienenfahrzeuge werden derzeit die vom Internationalen Eisenbahn-Verband UIC/ERRI selbst auferlegten Richtwerte (Grenzwerte) zugrunde gelegt, die im Laufe der Zeit immer enger gefaßt wurden und nach denen sich die Bahnen richten.

Als Richtwerte gelten danach seit 1993 in Anlehnung an ISO 8178 für CO = 4,0 Kohlenwasserstoffe HC = 1,6 NOx = 16,0 sowie die Rußzahl nach Bosch 1,6­2,5, was in etwa 0,2­0,3 entspricht.

Zu 5: Ein wesentliches Ziel der am 01.01.94 in Kraft getretenen Eisenbahnstrukturreform stellt die Umwandlung der ehemaligen Behörden Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn in das privatrechtliche Unternehmen Deutsche Bahn AG dar. Zu den unternehmerischen Entscheidungen der Bahn gehört auch, mit welcher Infrastruktur sie ihre Transportleistungen anbietet.

Zu 6.: Die Staatsregierung setzt sich bereits seit längerer Zeit für einen Ausbau und eine Elektrifizierung der Eisenbahnstrecke München­Lindau ein. Die Eisenbahnstrecke München­Lindau­Grenze ist dabei sowohl im Bundesverkehrswegeplan als auch im Bedarfsplan zum Bundesschienenwegeausbaugesetz in der Kategorie Länderübergreifende Projekte enthalten. Derartige Strecken können in die Kategorie Vordringlicher Bedarf des Bedarfsplans zum Bundesschienenwegeausbaugesetz aufgenommen werden, sobald eine Vereinbarung mit den betroffenen Nachbarstaaten über die Fortführung jenseits der deutschen Grenze getroffen ist und die notwendige gesamt- und betriebswirtschaftliche Rentabilität nachgewiesen ist.

Die für einen Planungsauftrag notwendige Abstimmung zwischen den Nachbarstaaten ist bereits angelaufen. Die Verkehrsminister Deutschlands und der Schweiz haben eine Arbeitsgruppe gegründet, die aus Vertretern der Verkehrsverwaltung und der Bahnen bei der Länder besteht. Die Arbeiten auf diesem Gebiet sind noch nicht abgeschlossen.

Die verkehrliche Bedeutung des Projekts hat sich durch die Entscheidung der Schweiz für eine Neue Eisenbahn-Alpen-Transversale (NEAT) erhöht, da die Verbindung München­Lindau somit zu einer wichtigen Zulaufstrecke für den Alpentransit wird. Die NEAT soll dem Vernehmen nach bis zum Jahr 2006 fertiggestellt sein.

Erst wenn entsprechende positive Untersuchungsergebnisse der Deutsch-Schweizerischen Arbeitsgruppe vorliegen, können Planungen hinsichtlich eines Streckenausbaus für den Fernverkehr/Alpentransit konkretisiert werden. Sowohl der Bayerische Ministerpräsident als auch der Bayerische Staatsminister für Wirtschaft, Verkehr und Technologie haben sich gegenüber dem Bundesverkehrsminister und dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG mehrmals für den Ausbau der Eisenbahnstrecke München­Lindau eingesetzt. Weiterhin ist ein Gespräch des Bayerischen Staatsministers für Wirtschaft, Verkehr und Technologie mit dem Schweizerischen Verkehrsminister geplant.

Das Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen drängt seit Längerem auf technologische Maßnahmen zur Emissionsminderung bei alten Diesellokomotiven. Die DB AG hat zwischenzeitlich Initiativen des zu motortechnischen Optimierungen aufgegriffen.

Seit Ende letzten Jahres verkehrt auf der Strecke München­ Mühldorf eine motortechnisch optimierte Diesellokomotive der BR 218 im Probebetrieb (s. o.)

Ein Vergleich der Abgaswerte vor und nach der Motorumrüstung (vgl. Punkt 2 mit Punkt 3. c) dieses Schreibens) macht deutlich, dass beispielsweise die Rußemissionen (Ursache für die meisten Beschwerden) im Probebetrieb um ca. 90 % gesenkt wurden. Falls sich die umgebaute Diesellok als praxistauglich erweist, ist die Motorumrüstung ein wichtiger Schritt zur Emissionsminderung bei alten Dieselloks.

Darüber hinaus bestehen Planungen der DB AG und des über ein Kooperationsprojekt zur Entwicklung eines Rußfilters für den Einsatz in alten Diesellokomotiven. Die Arbeiten hierzu werden voraussichtlich noch heuer aufgenommen.