Kontinentale Tiefenbohrung (KTB) in Windischeschenbach; Maßnahmen nach Abschluß der Bohrung

Mit den vorhandenen Einrichtungen und aus den gewonnenen Forschungserkenntnissen des größten geowissenschaftlichen Forschungsprojekts der Bundesrepublik, der Kontinentalen Tiefenbohrung (KTB) in Windischeschenbach, können für die bayerische und insbesondere oberpfälzische Wirtschaft und den Arbeitsmarkt enorme Zukunftsimpulse erwachsen. Da zum Ende des Jahres Verträge auslaufen, besteht dringender Handlungsbedarf.

Wir fragen die Staatsregierung:

1. Was macht der Freistaat Bayern aus dem Standortvorteil, mit der KTB (= kontinentale Tiefenbohrung) in Windischeschenbach

­ die heißeste Forschungstiefbohrung

­ die tiefste Kontinentalbohrung in Bayern zu haben?

2. Welche Überlegungen und Aktivitäten unternimmt die Staatsregierung nach Abschluß der Bohrarbeiten der KTB Windischeschenbach um

a) die gewonnenen Ergebnisse der Forschung und die technologischen Erkenntnisse auch in Bayern und für Bayern zu nutzen,

b) die hochqualifizierten Arbeitsplätze in der Region zu halten?

3. Was hat die Staatsregierung getan, um den am 6.9. angekündigten wirtschaftsnahen Wissenschafts- und Technologieaustausch zum Nutzen von Firmen und Einrichtungen in der Region und in Bayern einzurichten, zu fördern und umzusetzen?

4. Welche deutschen, internationalen und welche bayerischen Firmen und wissenschaftlichen Einrichtungen waren am Projekt beteiligt?

Welche Interessen seitens dieser Firmen und Einrichtungen bestehen an Folgeprojekten, z. B. auf den Gebieten

­ Bohrtechnik (unter extremen thermischen Bedingungen)

­ Hydrothermie

­ Steuerungs- und Regelungstechnik?

5. Welche Möglichkeiten bestehen, die Haupt- und/oder die Nebenbohrung geothermisch zu nutzen?

6. Wer ist der Eigentümer, wer der Besitzer des Bohrlochs und wer vergibt welche Nutzungsrechte?

Welche Möglichkeiten hat die Staatsregierung als Grundstückseigentümer?

Antwort des Staatsministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Technologie

Die schriftliche Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen wie folgt:

Die Kontinentale Tiefbohrung ist Teil eines internationalen Programmes zur Erforschung der Erdkruste. Es geht um die Verbesserung der Kenntnis der Erdkruste ­ unseres Lebensraums ­, ihrer Struktur und der chemischen und physikalischen Vorgänge in der Tiefe, aber auch um technische Neuerungen.

Mit der Kontinentalen Tiefbohrung (KTB) befindet sich eine der weltweit tiefsten Forschungsbohrungen in der Oberpfalz.

Dieses geowissenschaftliche Großforschungsprojekt wird vom Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie mit insgesamt 530 Mio. DM finanziert. Die Projektleitung ist dem Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung übertragen worden. Die Koordination der Forschungsarbeiten liegt bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Insgesamt arbeiten mehr als 350 Wissenschaftler aus 12 Ländern an dem Vorhaben mit.

Erste Vorarbeiten haben im Jahre 1978 begonnen. Nach der Diskussion mehrerer möglicher Standorte blieben schließlich eine Lokation im Schwarzwald und eine in der nördlichen Oberpfalz in der engeren Wahl. Im Jahr 1986 ist in einer wissenschaftlichen Konferenz die Entscheidung zugunsten der Oberpfalz gefallen. In den Jahren 1987 bis 1989 ist zunächst eine ca. 4000 m tiefe Vorbohrung niedergebracht worden. Die darauf folgende Hauptbohrung wurde am 12.10.1994 mit dem Erreichen des Bohrziels ­ einem Temperaturbereich von 250­300 °C ­ bei einer Tiefe von 9.101m (ca. 280 °C) beendet.

Die einzelnen Fragen darf ich wie folgt beantworten:

Zu 1.: Die Zielsetzungen des KTB-Projektes sind ganz überwiegend überregionaler Art. Doch bringt ein derartiges geowissenschaftliches Großforschungsprojekt auch Nutzen für den Standort mit sich. Standortvorteile ergeben sich vor allem:

­ aus den wirtschaftlichen Vorteilen für die Region: Beispiele:

Die Gesamtbaukosten betrugen 12,7 Mio. DM. Entsprechende Aufträge in Höhe von rund 90 % dieser Kosten gingen an qualifizierte Unternehmen in der Region.

Für die laufende Versorgung des Betriebs wurden Aufträge von jährlich mehreren Mio. DM an bayerische Firmen vergeben.

Die Gesamtbesucherzahl seit Beginn der Bohrungen im Jahre 1987 liegt bei rund 750000. Die Übernachtungszahlen in Windischeschenbach sind von 38187 im Jahre 1985 auf 85536 in 1993 gestiegen. An dieser Steigerung hat das Projekt sicher wesentlichen Anteil.

Die KTB-Mitarbeiter, zum Teil mit ihren Familien, haben pro Jahr schätzungsweise ca. 2 Mio. DM in der Region ausgegeben.

­ aus den Ergebnissen und Impulsen für die geologische Erforschung der Region:

Die Bohrung selbst sowie andere Untersuchungen aus dem Projekt und begleitende Arbeiten seitens des Freistaates Bayern haben die geowissenschaftlichen Informationsgrundlagen für das Gebiet wesentlich erweitert.

Großmaßstäbige Karten des Bohrungsumfelds liegen jetzt vor, sowie eine Fülle von weiteren Einzeldaten. Viele Ergebnisse bedürfen noch der Auswertung und Umsetzung für die geowissenschaftliche Landesaufnahme.

Großenteils waren die Standortvorteile also mit dem laufenden Projekt verbunden. Die Staatsregierung widmet sich deshalb diesen Fragen nicht erst jetzt nach Abschluß der aktiven Bohrphase, sondern hat frühzeitig vor Beginn des Projekts Maßnahmen ergriffen: Der damalige Bayerische Ministerpräsident Dr. h.c. Franz Josef Strauß hatte sich aktiv für einen bayerischen Standort des Projekts verwendet und der Ministerrat hat am 23.09.1986 beschlossen, die notwendigen infrastrukturellen Maßnahmen zu ergreifen und flankierende Forschungsarbeiten zu fördern. Im Vollzug des Beschlusses hat der Freistaat Bayern diese Maßnahmen mit rund 12 Mio. DM finanziert.

Die Staatsregierung hat seinerzeit alles unternommen, um die Chance der Durchführung der Kontinentalen Tiefbohrung in der Oberpfalz bestmöglich zu nutzen und war damit erfolgreich.

Zu den künftigen Aktivitäten wird auf die Antworten zu den folgenden Fragen hingewiesen.

Zu 2. a):

Mit dem Transfer von Ergebnissen in Bayern und für Bayern befaßt sich die vom Freistaat Bayern gemeinsam mit dem Projektträger betriebene und finanzierte Forschungs- und Informationsstelle (FIS). Diese Einrichtung soll auch, nachdem die Bohrung fertiggestellt ist, im Jahr 1995 noch bestehen bleiben (siehe auch Pkt 3.), möglicherweise noch länger.

Bayern hat die Bau- und Betriebskosten dieser Forschungs- und Informationsstelle bisher etwa hälftig mit rund 3,35 Mio. DM gefördert. Eine weitere Finanzierung der Betriebskosten für 1996 ist in Aussicht genommen.

Im übrigen werden Forschungsergebnisse unmittelbar durch die am Projekt beteiligten Wissenschaftler publiziert. Sie stehen damit öffentlich für die Forschung und für die Wirtschaft zur Verfügung.

Zur Ausnutzung des geowissenschaftlichen regionalspezifischen Vorteils, der in der Erweiterung der Kenntnis des geologischen Aufbaues Nordostbayerns liegt, wird das Bayerische Geologische Landesamt weiterhin die Ergebnisse des Projekts für die geowissenschaftliche Landesaufnahme, besonders für die geologische Kartierung auswerten. Geologische Karten sind eine wichtige Grundlage für die planvolle Nutzung und den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlage.

Die Förderung der geologischen Umfeldforschung (begleitende Bohrungen, Schürfe, geologische Kartiervorhaben) seitens des Freistaates läuft noch.

Zu 2. b):

Nach Abschluß der Bohrarbeiten wird im Jahre 1995 der bisherige Projektträger, das Niedersächsische Landesamt für Bodenforschung, noch tätig sein. Finanziert aus Bundesmitteln über die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) werden 1995/96 wissenschaftliche Arbeiten durchgeführt. Ab 1996 sollen seitens des Geo-Forschungs-Zentrums Potsdam

­ wahrscheinlich bis zum Jahr 2000 ­ wissenschaftliche Aktivitäten stattfinden.

Das Personal der Forschungs- und Informationsstelle wird vom Freistaat Bayern finanziert. Diese Stellen bleiben nach Fertigstellung der Bohrung zumindest noch im Jahr 1995 erhalten; eine Weiterführung in 1996 ist in Aussicht genommen.

Eine mögliche Nachnutzung des Geländes und der Einrichtungen wird derzeit geprüft.

Zu 3.: Am 19.06.1992 ist die Forschungs- und Informationsstelle (FIS) bei der KTB in Betrieb gegangen mit den Zielen, die Ergebnisse aus dem Projekt sowohl Fachleuten als auch einem breiten Publikum allgemeinverständlich zu vermitteln und um begleitende Forschung zu betreiben. Mittlerweile wurden über 1100 interessierte Gruppen betreut. Die Information umfaßte auch speziell für einschlägige bayerische Verbände organisierte Veranstaltungen. Seit Einrichtung der FIS wurden ca. 246000 Besucher betreut.

Die in der FIS betriebene Forschung befaßt sich mit der Auswertung von Daten aus dem KTB-Projekt sowie aus begleitenden Vorhaben hinsichtlich regionalgeologischer nutzungsrelevanter Aspekte. Ziel ist es insbesondere, die Fülle von Daten für die Bearbeitung praktischer Fragestellungen außerhalb des eigentlichen KTB-Projektes mit Zielrichtung auf die Wirtschaft zu nutzen.

Zu 4.: Am KTB-Projekt sind zahlreiche internationale, deutsche und bayerische Firmen und wissenschaftliche Einrichtungen beteiligt. Auf eine namentliche Auflistung muss wegen schutzwürdiger Interessen der Beteiligten verzichtet werden.

Die gewaltige Resonanz der Kontinentalen Tiefbohrung bei Wirtschaft und Wissenschaft lässt sich daraus ersehen, daß insgesamt 80 Firmen (19 aus dem Ausland, 61 aus Deutschland, davon 7 aus Bayern) sowie 66 wissenschaftliche 2 Bayerischer Landtag 13. Wahlperiode Drucksache 13/678

richtungen (30 aus dem Ausland, 36 aus Deutschland, davon 7 aus Bayern) am KTB-Projekt beteiligt sind bzw. waren.

Von drei Firmen wurde bislang Interesse bekundet, das Bohrloch der KTB-Hauptbohrung für Tests von Meßeinrichtungen, Elektronik, Untertageausrüstungen unter Hochdruck-/Hochtemperaturbedingungen, Hydrothermie und Steuerungs- und Regelungstechnik nutzen zu können.

Zu 5.: Eines der Ziele des Projekts ist die Forschung auf dem Gebiet der Geothermie. Entsprechende Messungen und Versuche im Bohrloch sind noch vorgesehen. Ziel ist es, fundierte Informationen über das Temperaturfeld im Bereich der Bohrlochaktion und den Wärmefluß aus dem Erdmantel zu bekommen, was notwendige Voraussetzungen für eine kommerzielle Nutzung ist. Eine kommerzielle Nutzungsmöglichkeit für geothermische Energiegewinnung ist während der laufenden Forschungsarbeiten nicht möglich. Ob eine geothermische Nutzung nach Abschluß der laufenden Forschungsarbeiten erfolgen wird, ist zu gegebener Zeit zu prüfen und zu entscheiden.

Zu 6.: Eigentümer der KTB-Lokation ist der Freistaat Bayern, vertreten durch die Bezirksfinanzdirektion Regensburg; den Grundbesitz verwaltet das Finanzamt Weiden. Unmittelbarer Besitzer ist das Land Niedersachsen, vertreten durch das Niedersächsische Landesamt für Bodenforschung.

Über die Nutzung der KTB-Lokation haben der Freistaat Bayern und das Land Niedersachsen eine Vereinbarung geschlossen. Darin wird dem Land Niedersachsen das Recht eingeräumt, auf dem Grundstück das Projekt KTB zu realisieren und alle zur Erfüllung dieses Vorhabens notwendigen Maßnahmen auszuführen, bzw. ausführen zu lassen.

Die Einräumung weitergehender Nutzungsrechte bedarf während der Laufzeit der Vereinbarung der Zustimmung des Freistaates Bayern. Nach Abwicklung des Projektes kann darüber allein der Freistaat Bayern entscheiden. Weiterhin ist vereinbart: Sofern und soweit das Land Niedersachsen einzelne Gebäude oder Anlagen zur Erfüllung des wissenschaftlichen Zieles des KTB-Projektes auch nach Abschluß des Kontinentalen Tiefbohrvorhabens benötigen sollte, stellt der Freistaat Bayern die Fortsetzung des Nutzungsverhältnisses in dem dann noch erforderlichen Umfang in Aussicht.

Falls durch Entscheidung des Bundes anstelle des Landes Niedersachsen ab 1996 das Potsdam für die Folgenutzung zuständig sein wird, gilt die Bereitschaft des Freistaates Bayern hinsichtlich Fortsetzung des Nutzungsverhältnisses auch für diese Institution.

Grundsätzlich wird von seiten des Freistaates Bayern einer weiteren Nutzung der KTB-Lokation zur Erfüllung des wissenschaftlichen Zweckes der Kontinentalen Tiefbohrung der Vorrang eingeräumt werden. Ob und inwieweit sich aus den noch durchzuführenden wissenschaftlichen Arbeiten eine längere Dauer dieser Nutzung der Lokation ergibt, kann derzeit nicht abgesehen werden, da das wissenschaftliche Ergebnis dieser Arbeiten noch abgewartet werden muß.

Der Freistaat Bayern als Grundstückseigentümer steht jedoch allen weiteren Vorschlägen zu einer sinnvollen künftigen Nutzung der KTB-Lokation aufgeschlossen gegenüber.

Drucksache 13/678 Bayerischer Landtag 13.