Fachkommissariate Umweltschutz und technische Mitarbeiter bei den Staatsanwaltschaften

Seit dem 1. Nov. 1994 gilt in der Bundesrepublik Deutschland ein neues materielles Umweltstrafrecht.

Das Umweltstrafrecht bleibt jedoch ein zahnloser Tiger, wenn den verbesserten materiellen Strafvorschriften nicht auch entsprechende Durchsetzungsmöglichkeiten entsprechen.

Ich frage deshalb die Staatsregierung:

1. Bei welchen Polizeidirektionen bestehen eigene Fachkommissariate für Umweltstraftaten?

2. Teilt die Staatsregierung die Auffassung, dass in eigenen Fachkommissariaten die Verfolgung von Umweltstraftätern effektiver erfolgen kann, als wenn diese Aufgabe anderen Kommissariaten zusätzlich übertragen wird?

3. Teilt die Staatsregierung die Auffassung, dass ein enges und intensives Zusammenwirken von Staatsanwaltschaft und Polizei erforderlich ist, um den besonderen Anforderungen der Umweltkriminalität wirksam zu begegnen?

4. Wie viele Staatsanwälte in Bayern sind mit dem Aufgabengebiet Umweltstrafrecht betraut? Gibt es eigene Abteilungen für Umweltstrafrecht (vergleichbar Wirtschaftskriminalität, Verkehrsstrafrecht) bei den Staatsanwaltschaften in Bayern?

5. Teilt die Staatsregierung die Auffassung, dass technische Fachkräfte (Umweltingenieure (FH) als Zuarbeiter für Staatsanwälte deren Arbeit effektiver machen?

6. Teilt die Staatsregierung die Auffassung, dass solche technischen Fachkräfte entsprechend dem Modell der Wirtschaftsreferenten bei den Wirtschaftsabteilungen der Staatsanwaltschaften eingerichtet werden sollen?

7. Wird die Einstellung von technischen Mitarbeitern für Nordbayern bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth und für Südbayern bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I für ausreichend erachtet?

8. Teilt die Staatsregierung die Auffassung, dass die Normen des Umweltstrafrechts bislang in der Bevölkerung zuwenig bekannt sind? Welche Maßnahmen hält die Staatsregierung für geeignet, die Normen des Umweltstrafrechts noch deutlicher in das Bewußtsein auch der nichtrechtskundigen Bevölkerung zu bringen?

Antwort des Staatsministeriums der Justiz

Die schriftliche Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Staatsministerium des Innern wie folgt:

Zu 1.: Bei den Polizeidirektionen gibt es keine eigenständigen Fachkommisariate, die ausschließlich mit der Bekämpfung von Umweltdelikten betraut sind. Im Bayer. Landeskriminalamt ist das Sachgebiet Umwelt- und Strahlendelikte angesiedelt, dem es neben der Bearbeitung in besonderen Fällen u.a. obliegt, die polizeiliche Bekämpfung von Umweltdelikten bayernweit zu koordinieren, aktuelle Erkenntnisse zu sammeln bzw. auszuwerten und eine Abstimmung zu anderen Behörden sicherzustellen.

Zu 2.: Die Ermittlungszuständigkeit für Umweltdelikte ist innerhalb der Polizei durch Zuständigkeitskataloge und einzelfallbezogene gesetzliche Zuweisungsmöglichkeiten geregelt.

Danach sind, abhängig von der besonderen Gefährlichkeit, der räumlichen Ausdehnung oder wegen der besonderen Umstände der Begehung, verschiedene Dienststellen der Polizei in die Bekämpfung der Umweltkriminalität eingebunden. Für Sachbearbeiter von Umweltdelikten sieht das Aus- und Fortbildungsprogramm der Bayer. Polizei spezifische Schulungsmaßnahmen vor. Desweiteren besteht Zugang zu themenbezogenen Aus- und Fortbildungsseminaren anderer Behörden (z.B. Bayer. Landesamt für Umweltschutz, Kernforschungszentrum Karlsruhe).

Die Bayer. Wasserschutzpolizei wird bei der Bekämpfung von Umweltdelikten tätig, soweit die Tat in ihrem Dienstbereich ­ dazu zählen so die schiffbaren Wasserstraßen, Häfen sowie bayerische Seen ­, begangen worden ist oder sich die Folgen der Tat auf diesen Bereich auswirken:

Die Polizei hat auch gewisse Aufgaben auf dem Gebiet des Strahlenschutzes und des nuklearen Katastrophenschutzes zu erfüllen. Hierzu sind sog. Strahlenspürtrupps (S-Trupps) bei der Bayer. Landespolizei eingerichtet. Zu den Aufgaben der S-Trupps zählen die

­ Entnahme von Proben,

­ Vornahme von Messungen,

­ Begleitung von Transporten mit Kernbrennstoffen oder mit sonstigem radioaktivem Material in bestimmten Fällen,

­ Mitwirkung bei der Ermittlung von Sicherheitsstörungen im Zusammenhang mit radioaktiven Stoffen.

Unabhängig von der fallbezogenen Ermittlungszuständigkeit ist es Aufgabe eines jeden Beamten des Polizeivollzugsdienstes, bei begründetem Verdacht auf Vorliegen einer Umweltstraftat ­ nach pflichtgemäßem Ermessen auch bei Ordnungswidrigkeiten einzuschreiten und zumindest die erforderlichen Erstmaßnahmen zu veranlassen. Diese Regelung hat sich in der Praxis bewährt. Die Polizei steht mit ihrer raumdeckenden Organisation rund um die Uhr zur Verfügung und ist dadurch in der Lage, Umweltdelikte und Umweltschädigungen frühzeitig zu erkennen und in unaufschiebbaren Fällen das Notwendige zu veranlassen.

Eine wichtige Voraussetzung für eine effiziente Strafverfolgung ist die zentrale Sammlung und Auswertung aller im nationalen und internationalen Bereich gewonnenen Erkenntnisse über Umweltdelikte. Dazu wurde bundesweit der Nachrichtenaustausch bei Umweltdelikten eingerichtet.

Die Polizeidienststellen sind gehalten, alle umweltrelevanten Verstöße dem Landeskriminalamt zu melden, das die eingehenden Meldungen zentral auswertet und notwendige Informationen dem Bundeskriminalamt übermittelt. Sonstige mit Umweltaufgaben befaßte Behörden sind in diesen Meldedienst eingebunden.

Im Interesse eines wirkungsvollen Umweltschutzes muss das Schwergewicht der staatlichen Bemühungen im präventiven Bereich liegen, um dem Entstehen von Straftaten vorzubeugen; d.h. die Interessen eines wirkungsvollen Umweltschutzes müssen in erster Linie durch verwaltungsrechtliches Handeln im Vorfeld polizeilicher Zuständigkeit gewahrt werden. Polizeiliche Aufgaben sind in der Regel erst dann berührt, wenn eine Umweltschädigung unmittelbar bevorsteht bzw. bereits eingetreten ist. In diesem Zusammenhang darf auf die Ausführungen zu Frage 3 (Gemeinsame Bekanntmachung über die Zusammenarbeit der Verwaltungsund Verfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Verstößen gegen die Umwelt) verwiesen werden.

Zu 3.: Die Staatsregierung ist der Auffassung, dass die wirksame Verfolgung von Verstößen gegen die Umwelt eine enge, verständnis- und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den für den Umweltschutz verantwortlichen Verwaltungsbehörden und den Strafverfolgungsbehörden voraussetzt. Dementsprechend wurde am 22. September 1988 eine gemeinsame Bekanntmachung aller beteiligten Staatsministerien zur Zusammenarbeit der Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung von Verstößen gegen die Umwelt erlassen S. 783, JMBl S. 266).

Die Staatsregierung sieht sich in dieser Linie durch einen unlängst erschienenen Forschungsbericht des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht bestätigt (Hoch, Die Rechtswirklichkeit des Umweltstrafrechts aus der Sicht von Umweltverwaltung und Strafverfolgung, Freiburg 1994). In diesem Bericht wird die große Bedeutung der Zusammenarbeit innerhalb der Strafverfolgungsbehörden einerseits und der Strafverfolgungsbehörden mit den Bediensteten der Umweltverwaltung andererseits besonders hervorgehoben.

Zu 4.: Je nach Größe der jeweiligen Behörde sind bei den bayerischen Staatsanwaltschaften ein bis zwei Staatsanwälte neben anderen Aufgaben mit Umweltstrafsachen befaßt. Eigene Abteilungen für Umweltstrafrecht existieren nicht.

Zu 5. und 6.: Es mag im Einzelfall nicht auszuschließen sein, dass der Einsatz technischer Fachkräfte als Zuarbeiter für Staatsanwälte dem Ermittlungsverfahren dienlich sein könnte. Im wesentlichen haben die Umweltstrafsachen jedoch sowohl dem Umfang als auch dem Inhalt nach bislang kein derartiges Ausmaß erreicht, dass die Unterstützung durch technische Mitarbeiter für den sachbearbeitenden Referenten ­ angesichts des zu erwartenden Kostenaufwands erforderlich erscheint. Die in diesem Bereich auftauchenden naturwissenschaftlichen Fragen sind zu vielfältig, um durch eine einzige Fachkraft kompetent beurteilt werden zu können. Die Beschäftigung mehrerer technischer Mitarbeiter mit unterschiedlichem Spezialwissen ist jedoch aus ökonomischen Gründen abzulehnen, da eine ausreichende Auslastung nicht zu erwarten wäre. Soweit in Umweltstrafsachen technische Zusammenhänge aufzuklären sind, konnten diese Fragen bislang ohne größere Probleme durch Einschaltung der Fachbehörden, des Landeskriminalamtes oder durch Erteilung von Gutachtenaufträgen an entsprechend spezialisierte Gutachter gelöst werden.

Zu 7.: Im Hinblick auf die Antwort zu den Fragen 5 und 6 erübrigt sich eine Beantwortung dieser Frage.

Zu 8.: Die Staatsregierung geht davon aus, dass die Strafbarkeit gewichtiger Umweltbeeinträchtigungen im Bewußtsein breiter Teile der Bevölkerung verankert ist. Dazu haben ­ wie in anderen Bereichen auch ­ die nachhaltige Verfolgung und Ahndung von Umweltstraftaten durch die Strafjustiz sowie die Berichterstattung darüber beigetragen. Die Staatsregierung hält es darüber hinaus für naheliegend, dass mit dem Bewußtsein um den hohen Rang des Schutzes der Umwelt auch das Bewußtsein über die Bedeutung des Strafrechtsschutzes vor Beeinträchtigungen dieses Rechtsguts weiter zunimmt.

Das Umweltstrafrecht wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Staatsministeriums der Justiz berücksichtigt. So ist ihm in der vom Staatsministerium der Justiz herausgegebenen Broschüre Justiz in Bayern ein besonderer Abschnitt gewidmet.

Seite 2 Bayerischer Landtag 13.