Unfallversicherung

Die Frauen sitzen hierbei regelmäßig besonders steif um Diktiertes über den Kopfhörer ohne Störung durch Nebengeräusche abhören zu können.

Arbeitsmediziner weisen darauf hin, dass eine derartige Zwangshaltung mit der Zeit die Wirbelsäule ruiniert, da die elastischen Bandscheiben als Puffer zwischen den knöchernden Wirbeln auf Bewegung angewiesen sind. Langfristig stellen sich degenerative Veränderungen an den Wirbeln und Bandscheiben ein, die dann irreparabel sind.

Ich frage deshalb die Staatsregierung:

1. Teilt die Staatsregierung die zitierte Auffassung von Arbeitsmedizinern, dass langjähriges Arbeiten in Schreibbüros zu irreparablen Gesundheitsschäden bei Frauen führen kann?

2. Teilt die Staatsregierung die Auffassung, dass als Konsequenz hieraus entsprechende Krankheitsbilder in die Berufskrankheitsverordnung aufzunehmen sind. Bislang sind irreparable Schäden der Wirbelsäule, bedingt durch starre Körperhaltung beim Sitzen in Schreibbüros über Jahre hinweg nicht im Katalog?

3. Teilt die Staatsregierung die Auffassung, dass durch kurze Arbeitsunterbrechungen, die zu gemeinsamer Gymnastik genutzt werden, eine wichtige Vorbeugungsmaßnahme gegen derartige Krankheitsbilder geleistet werden kann?

4. Welche Aktivitäten unternimmt die Staatsregierung um derartige Bewegungspausen bei ihren eigenen Beschäftigten in Schreibbüros zu fördern oder auf die bayerische Wirtschaft in diesem Sinne einzuwirken?

5. Teilt die Staatsregierung die Auffassung, dass gesetzliche Bestimmungen unerläßlich sind, die Arbeitgeber verpflichten, arbeitsbedingten degenerativen rheumatischen Krankheiten vorzubeugen, da die derzeit entstehenden arbeitsbedingten Leiden im Gesundheitswesen erhebliche Kosten produzieren und langfristig Menschen arbeitsunfähig machen?

Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit

Die schriftliche Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit der Staatskanzlei und den Staatsministerien wie folgt:

Zu 1.: Rückenbeschwerden und Erkrankungen der Wirbelsäule zählen wegen ihrer Häufigkeit zu den Volkskrankheiten.

60 % aller Erwachsenen haben Rückenbeschwerden. Erkrankungen der Muskeln, Sehnen und Knochen sind mit 31 % die häufigsten Erkrankungen bezogen auf die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage. Diese Beschwerden und Erkrankungen haben viele Ursachen und kommen in allen Alters- und Berufsgruppen vor.

Epidemiologische Untersuchungen zeigen, dass Männer und Frauen, die in bewegungsarmer und langdauernder Zwangshaltung in Büros sitzen, vermehrt an muskulo-skelettalen Beschwerden im Nacken- und Schulter-Arm-Bereich leiden.

Besonders davon betroffen sind ganztägig beschäftigte Datenerfasserinnen und Schreibkräfte.

Art und Ablauf der Tätigkeit, die Gestaltung des Büroarbeitsplatzes und die Körperhaltung am Büroarbeitsplatz beeinflussen die Häufigkeit dieser Beschwerden. Eine ungünstige Sitzhaltung, insbesondere das nach vorne gebeugte Sitzen, erhöht den Belastungdruck in den Bandscheiben etwa um das Doppelte im Vergleich zum Stehen und kann schmerzhafte Verspannungen der Rücken- und hervorrufen. Die Folgerung, dass sich langfristig degenerative Veränderungen an den Wirbeln und Bandscheiben einstellen, ist in der arbeitsmedizinischen Fachwelt umstritten. Bislang liegen keine schlüssigen wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür vor, dass langjähriges Arbeiten in Schreibbüros bei Frauen zu bleibenden Gesundheitsschäden führen könnte.

Durch ergonomisch gestaltete Arbeitsplätze, häufig wechselnde Tätigkeiten und Mitwirkung der Beschäftigten bei der Gestaltung ihres eigenen Arbeitsablaufes lassen sich die gesundheitlichen Beschwerden vermeiden, verringern oder beseitigen. Grundsätzlich soll der Mensch möglichst wenig sitzen. Wenn der Mensch sitzt, dann soll er physiologisch richtig sitzen, d.h. aufrecht, ohne Rundrücken, auf den Sitzbeinknochen. Da jedoch jede länger andauernde starre Sitzhaltung die Muskulatur und die Wirbelsäule stärker beansprucht

­ auch beim physiologisch richtigen Sitzen ­, werden als vorbeugende gesundheitliche Maßnahmen dynamisches Sitzen und Ausgleichsgymnastik empfohlen.

Dynamisches Sitzen bezeichnet das Einnehmen verschiedener Sitzpositionen, d.h. abwechselnd vorgeneigt, aufrecht und zurückgelehnt. Dies ist notwendig, weil der Mensch nach einer gewissen Zeit die aufrechte Sitzhaltung aufgibt und in sich zusammensinkt. Deshalb ist es wichtig, das Sitzen zu einem bewußten Vorgang zu machen und die Sitzhaltung in kurzen Abständen zu verändern.

Eine zusätzliche Maßnahme ist die Ausgleichsgymnastik.

Die Ausgleichsgymnastik umfaßt einfache Dehn- und Streckübungen, die auch am Arbeitsplatz durchgeführt werden können.

Zu 2.: Nach dem bisherigen arbeitsmedizinischen Kenntnisstand reichen die zu Frage 1. dargestellten gesundheitlichen Beanspruchungen nicht aus, um als Berufskrankheit in die Berufskrankheiten-Liste aufgenommen zu werden.

Zu 3.: Der Erholungswert mehrerer kurzer Arbeitsunterbrechungen nach eigener Wahl bei Tätigkeiten in Zwangshaltung, beispielsweise durch Aufstehen oder Gehen, ist nach arbeitsphysiologischem Wissensstand ungleich größer als der Erholungswert einer längeren Arbeitsunterbrechung.

Gemeinsame gymnastische Ausgleichsübungen sind ebenfalls als eine bedeutende Vorbeugungsmaßnahme anzusehen. Sie sollten jedoch grundsätzlich der Eigeninitiative der Beschäftigten überlassen bleiben.

Zu 4.: Die Staatsregierung steht allen Maßnahmen, die geeignet sind, arbeitsbedingten Gesundheitsschäden ihrer Beschäftigten vorzubeugen und deren Gesundheit zu fördern, aufgeschlossen gegenüber. So ist den Angestellten auf einem Bildschirm-Arbeitsplatz nach 50-minütiger Tätigkeit, die einen ständigen Blickkontakt zum Bildschirm oder einen laufenden Blickwechsel zwischen Bildschirm und Vorlage erfordern, Gelegenheit zu einer Unterbrechung dieser Tätigkeit von zehn Minuten zu geben (§ 8 des Tarifvertrages vom 11.01.1988 über die Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern an Bildschirmgeräten, veröffentlicht mit FMBek vom 16.03.1988, Nr. 12, geändert durch FMBek vom 03.12.1990, Nr. 50). Auf diese Weise wird eine arbeitsbedingte Zwangshaltung am Bildschirm-Arbeitsplatz regelmäßig unterbrochen.

Auch dadurch, dass Schreibdienste in Abteilungen bzw. in Referate eingebunden sind, wird gewährleistet, dass der Aufgabenbereich der Angestellten auf eine eher abwechslungsreiche Mischtätigkeit zugeschnitten ist, bei der neben der zeitlich überwiegenden Schreibtätigkeit am Bildschirm auch Sekretariatsaufgaben und allgemeine Bürotätigkeiten anfallen.

Darüber hinaus haben sich die Staatsministerien dieses Themas u.a. mit folgenden Maßnahmen angenommen:

­ Staatsministerium des Innern: Pilotprojekt der Obersten Baubehörde Rückenschulung an Schreibarbeitsplätzen,

­ Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie: Vortragsangebot Wirbelsäule und Beruf, vorbeugende Maßnahmen zur Vermeidung berufsbedingter Wirbelsäulenerkrankungen mit Verteilung des Faltblatts Ausgleichsübungen am Arbeitsplatz,

­ Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit: Verteilung des Faltblattes Ausgleichsübungen am Arbeitsplatz an alle Beschäftigten des Geschäftsbereiches; Angebot zur Teilnahme an der Veranstaltung Ausgleichsgymnastik für Mitarbeiter an Bildschirmarbeitsplätzen,

­ Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Verteilung einer Anleitung zur Wirbelsäulengymnastik und des Faltblattes Menschen im Büro und an ähnlichen Arbeitsplätzen,

­ Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen: Arbeitszirkel Gesundheitsförderung.

Das Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit hat bereits 1981 den Ratgeber Sitzen Sie richtig? Sitzhaltung und Sitzgestaltung am Arbeitsplatz herausgegeben und den Gewerbebetrieben zugeleitet, damit auch dort Beschwerden durch Zwangshaltungen beim Sitzen vorgebeugt wird. Bei Betriebsrevisionen der Gewerbeaufsichtsämter wird u.a. auch das richtige Sitzen am Arbeitsplatz regelmäßig überprüft.

Zu 5.: Die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Beschäftigten verpflichten den Arbeitgeber und Dienstherrn in ausreichendem Maße arbeitsbedingten Erkrankungen vorzubeugen. Hier sind in erster Linie die Verordnung über Arbeitsstätten im gewerblichen Bereich und die Allgemeinen Vorschriften der Träger der Eigenunfallversicherungen und der staatlichen Ausführungsbehörden zu nennen. Diese Bestimmungen beinhalten auch die Verpflichtung, durch geeignete Schutzmaßnahmen möglichen arbeitsbedingten degenerativen rheumatischen Erkrankungen vorzubeugen.

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