Gesetzentwurf zur Einführung von Bürgerantrag, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Gemeinden und Landkreisen

Mit dem Volksbegehren Mehr Demokratie in Bayern: Bürgerentscheide in Gemeinden und Kreisen wird der nachfolgende Gesetzentwurf gemäß Art. 74 Abs. 4 der Bayerischen Verfassung dem Volke zur Entscheidung mit vorgelegt.

Gesetzentwurf zur Einführung von Bürgerantrag, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Gemeinden und Landkreisen A) Anlaß

Die Bayerische Verfassung enthält bislang keine Aussage zur möglichen Einführung plebiszitärer Elemente auf kommunaler Ebene. Um neue Formen der unmittelbaren Mitwirkung an kommunalen Entscheidungen zu ermöglichen, empfiehlt sich eine entsprechende Verfassungsergänzung.

Die Gemeindeordnung sieht schon jetzt eine Reihe von Mitwirkungsmöglichkeiten für die einzelnen Gemeindebürger (z.B. Bürgerversammlung) vor. In den letzten Jahren ist jedoch verstärkt der Wunsch laut geworden, den Bürgern im kommunalen Bereich zusätzliche Initiativ- und Entscheidungsrechte einzuräumen.

Dem zunehmenden Interesse an einer möglichst unmittelbaren und intensiven Beteiligung der Bürger am kommunalen Geschehen kann durch eine sinnvolle Ergänzung der Gemeinde- und Landkreisordnung Rechnung getragen werden.

Bei der Ausgestaltung im einzelnen ist jedoch darauf zu achten, dass das kommunale Mandat nicht ausgehöhlt, die kommunale Verwaltungstätigkeit nicht erschwert und Mißbräuche verhindert werden.

Insgesamt gilt es, einen ausgewogenen Kompromiß zwischen den bewährten Elementen der repräsentativen Demokratie und neuen Elementen der unmittelbaren Demokratie zu finden.

B) Ziel

Über die Einfügung eines Absatzes 3 in Art. 12 der Bayerischen Verfassung wird der Gesetzgeber ermächtigt, neue Formen der unmittelbaren Mitwirkung an den Aufgaben der Gemeinden und Landkreise vorzusehen. Gleichzeitig wird klargestellt, dass im Gesetz die Festlegung bestimmter Mehrheitserfordernisse möglich ist.

Die Gemeinde- und Landkreisordnung werden durch mehrere Artikel ergänzt, die die Einführung der neuen Rechtsinstitute des Bürgerantrags, des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheids auf Gemeinde- und Landkreisebene vorsehen.

Mit Hilfe des Bürgerantrags erhalten die Gemeinde- und Kreisbürger das umfassende Recht, die Behandlung aller gemeindlicher Angelegenheiten und aller Angelegenheiten des Landkreises im eigenen wie übertragenen Wirkungskreis durch das jeweils zuständige kommunale Organ binnen drei Monaten zu erzwingen. Voraussetzung für einen Bürgerantrag ist lediglich, dass Unterschriften von Gemeinde- bzw. Kreisbürgern in einer Zahl vorliegen, die 1 v.H. der Gemeinde- bzw. Kreiseinwohner entspricht.

Mit dem Rechtsinstitut des Bürgerbegehrens sollen die Gemeinde- und Kreisbürger in die Lage versetzt werden, in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises einen Bürgerentscheid zu beantragen. Das Bürgerbegehren wird bei der Gemeinde bzw. beim Landratsamt mit den erforderlichen Unterstützungsunterschriften (grundsätzlich 1 v.H. der Gemeinde- bzw. Kreisbürger) eingereicht.

Nach Einreichung entscheidet zunächst die Kommune, ob das Bürgerbegehren den formellen Anforderungen entspricht und vom Inhalt her zulässig ist. Anschließend haben die Gemeinde- bzw. Kreisbürger einen Monat lang die Möglichkeit, sich in Unterschriftslisten, die in Amtsräumen der Gemeinden ausgelegt sind, einzutragen. In Gemeinden bis 10.000 Einwohner sind die Unterschriften von 10 v.H. der Gemeindebürger, in Gemeinden von 10.001 bis 20.000 Einwohner von 9 v.H., in Gemeinden von 20.001 bis 30.000 Einwohner von 8 v.H., in Gemeinden von 30.001 bis 50.000 Einwohner von 7 v.H., in Gemeinden von 50.001 bis 100.000 Einwohner von 6 v.H. und in Gemeinden über 100.000 Einwohner von 5 v.H. der Gemeindebürger erforderlich. In Landkreisen beträgt das Unterschriftsquorum durchgängig 5 v.H.

Das Bürgerbegehren muss jeweils Angaben zu den Kosten und, falls Kosten entstehen, einen Kostendeckungsvorschlag enthalten.

Ausgeschlossen ist ein Bürgerbegehren z. B. über Angelegenheiten, die kraft Gesetzes dem ersten Bürgermeister bzw. Landrat obliegen, über Fragen der inneren Organisation oder über den Gemeinde- bzw. Kreishaushalt.

In Angelegenheiten, über die in Verfahren mit förmlicher Beteiligung oder Anhörung zu entscheiden ist (z.B. Bauleitplanung), ist ein Bürgerbegehren hinsichtlich des Ob einer Maßnahme (z.B. Frage, ob für ein bestimmtes Gebiet ein Bebauungsplan aufgestellt wird) zulässig. Das Wie der Ausgestaltung bleibt dagegen einem meist bundesrechtlich geregelten förmlichen Verfahren vorbehalten.

Zum Bürgerentscheid kommt es binnen drei Monaten nach Zulässigerklärung des Bürgerbegehrens. Er ist dann erfolgreich, wenn die Mehrheit der abstimmenden Gemeinde- bzw. Kreisbürger im Sinne des Bürgerbegehrens entscheidet und die Mehrheit mindestens 25 v.H. der Gemeinde- bzw. Kreisbürger ausmacht. Durch dieses Quorum wird sichergestellt, dass zumindest ein erheblicher Teil der Gemeinde- bzw. Kreisbürger hinter dem Anliegen des Bürgerbegehrens stehen muß. Die Gemeinde erhält die Möglichkeit, bei der Abstimmung einen eigenen Entscheidungsvorschlag mitvorzulegen.

Jede Seite trägt die Kosten der Maßnahmen, die sie im einzelnen zu treffen hat.

Die Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung ­ GO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Januar 1993 (GVBl. S. 65, 2020-1-1-I), zuletzt geändert durch § 1 des Gesetzes vom 10. August 1994 (GVBl. S. 761), wird wie folgt geändert:

1. Es werden folgende Art. 18 a, 18 b und 18 c eingefügt: Art. 18 a Bürgerantrag:

(1) 1Die Gemeindebürger können beantragen, dass das zuständige Gemeindeorgan eine gemeindliche Angelegenheit behandelt (Bürgerantrag). 2Ein Bürgerantrag darf nicht Angelegenheiten zum Gegenstand haben, für die innerhalb eines Jahres vor Antragseinreichung bereits ein Bürgerantrag gestellt worden ist.

(2) 1Der Bürgerantrag muss schriftlich mit den erforderlichen Unterschriften bei der Gemeinde eingereicht werden. 2Der Bürgerantrag muss hinreichend bestimmt sein, eine Begründung enthalten und einen Beauftragten sowie einen Stellvertreter bezeichnen, die ermächtigt sind, die Unterzeichner zu vertreten und verbindliche Erklärungen zum Bürgerantrag abzugeben und entgegenzunehmen.

(3) 1Der Bürgerantrag muss von mindestens 1 v.H. der Gemeindeeinwohner unterschrieben sein. 2Unterschriftsberechtigt sind die Gemeindebürger. 3Jede Unterschriftenliste muss den vollen Wortlaut des Bürgerantrags enthalten. 4Für die Unterzeichnung genügen Vor- und Familienname, die genaue Anschrift sowie die eigenhändige Unterschrift. 5Ungültig sind Eintragungen, die unvollständig sind oder die die Unterzeichnenden nicht zweifelsfrei erkennen lassen. 6Jede Person kann sich nur einmal eintragen; Mehrfacheintragungen gelten als eine Eintragung.

(4) 1Über die Zulässigkeit eines Bürgerantrags entscheidet das für die Behandlung der Angelegenheit zuständige Gemeindeorgan innerhalb eines Monats seit der Einreichung. 2Die Entscheidung über die Zulässigkeit und das Ergebnis der Behandlung ist dem Beauftragten unverzüglich bekanntzugeben.

(5) Ist der Bürgerantrag zulässig, hat ihn das zuständige Gemeindeorgan binnen drei Monaten nach Zulässigerklärung zu behandeln.

(6) 1In Gemeinden, in denen Bezirksausschüsse gebildet sind, können in Angelegenheiten, für die die Bezirksausschüsse zuständig sind, Bürgeranträge gestellt werden.

2Hierfür gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend mit der Maßgabe, daß

1. antrags- und unterschriftsberechtigt nur ist, wer im Zuständigkeitsbereich des Bezirksausschusses Bürger ist,

2. die Berechnung der Unterschriftenzahl sich nach der Zahl der im Zuständigkeitsbereich des Bezirksausschusses wohnenden Einwohner richtet,

3. der Bezirksausschuß über die Zulässigkeit des Bürgerantrags und über für zulässig erklärte Bürgeranträge entscheidet.

(7) Art. 18 Abs. 4 Satz 2 gilt entsprechend.

Art. 18 b Bürgerbegehren:

(1) 1Die Gemeindebürger können einen Bürgerentscheid beantragen (Bürgerbegehren). 2Ein Bürgerbegehren darf nur Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde zum Gegenstand haben, für die der Gemeinderat oder ein beschließender Ausschuß zuständig ist, und für die innerhalb der letzten drei Jahre vor Einreichung nicht bereits ein Bürgerbegehren beantragt oder ein Bürgerentscheid durchgeführt worden ist.

(2) 1In Angelegenheiten, über die in einem durch Rechtsvorschrift vorgesehenen Verfahren mit förmlicher Beteiligung oder Anhörung entschieden wird, ist ein Bürgerbegehren über die Frage zulässig, ob ein Verfahren eingeleitet werden soll, wenn die Gemeinde im eigenen Wirkungskreis selbst entscheiden kann. 2Während und bis