Bayerisch-österreichische Zusammenarbeit bei der Standortplanung von Müllbehandlungsanlagen

Durch Pressemeldungen einerseits aber auch durch amtliche und halbamtliche Veröffentlichungen in der Gemeinde St.

Pantaleon im Bezirk Braunau am Inn in Oberösterreich ist bekannt geworden, dass die Landesregierungen von Oberösterreich und Salzburg eine Standortprüfung für eine mögliche Verbrennungsanlage von Restabfällen aus Haushalten und Gewerbe im Gemeindegebiet von St. Pantaleon durchführen.

Ich frage die Staatsregierung:

1. Ist der Staatsregierung die Absicht der beiden österreichischen Landesregierungen bekannt gemacht worden? Was weiß sie über die Standortuntersuchungen für eine Müllverbrennungsanlage im oberösterreichisch/ salzburgischen Raum und was weiß sie über die technischen Daten der geplanten Anlage, die verschiedentlich schon von österreichischen Beamten in Bürgerbesprechungen usw. dargestellt worden sind?

2. War die Planung einer Müllverbrennungsanlage im salzburgisch/oberösterreichischen Raum schon Gegenstand bayerisch/österreichischer Gespräche oder sind solche beabsichtigt? Welche Möglichkeiten bestehen insbesondere nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union für eine zwischenstaatliche raumordnerische Abstimmung der Standorte von Müllverbrennungsanlagen, nachdem der vorgesehene Standort für die Anlage in St.

Pantaleon nur 18 km Luftlinie von der vorhandenen Müllverbrennungsanlage in Burgkirchen entfernt ist?

3. Wie beurteilt die Staatsregierung einen nahe am Müllverbrennungswerk Burgkirchen gelegenen Standort für eine Müllverbrennungsanlage in Österreich hinsichtlich der Vorbelastung des Bereiches z. B. infolge der Steinkohleverbrennung in St. Pantaleon, durch die Industrieanlagen in Ranshofen und durch die Anlagen im bayerischen Chemiedreieck? Wird die Staatsregierung die Immissionssituation westlich der Salzach genauestens aufnehmen, um einerseits zu ermitteln, ob eine weitere Belastung in diesem Bereich hinnehmbar sein kann, und um andererseits den Nachweis führen zu können, welche Zusatzbelastung eine Müllverbrennungsanlage am Standort St. Pantaleon darstellt?

4. Treffen Nachrichten zu, wonach wegen der derzeitigen Unterschreitung der Verbrennungskapazität des Müllverbrennungswerkes in Burgkirchen beabsichtigt sei, Müll aus Österreich in Burgkirchen zu verbrennen? Ist dies rechtlich überhaupt möglich? Unter welchen Voraussetzungen? Wäre die Staatsregierung bereit, dem zuzustimmen, wenn auf österreichischer Seite dadurch auf den Bau eines zusätzlichen Müllverbrennungswerkes verzichtet würde?

5. Im Kohlekraftwerk Riedersbach wurden Versuche zur Verbrennung von Klärschlamm durchgeführt. Wurde die Staatsregierung an dem Genehmigungsverfahren beteiligt und wurde die Staatsregierung über die Versuchsergebnisse informiert und würde die Staatsregierung einer Klärschlammverbrennung in einem Kohlekraftwerk zustimmen?

6. Auf welche Weise würde die Staatsregierung an der Planung, Genehmigung, Auflagenfestsetzung für eine Müllverbrennungsanlage nahe der bayerisch/österreichischen Grenze beteiligt werden und wie würde die Staatsregierung die Interessen der bayerischen Bevölkerung wahrnehmen können?

Antwort des Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen

Zu 1. :

Das Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen wurde Anfang 1995 durch Presseberichte auf Überlegungen der Landesregierungen von Salzburg und Oberösterreich aufmerksam, eine gemeinsame Müllverbrennungsanlage im Bereich Riedersbach/Oberösterreich (St. Pantaleon) nahe der Staatsgrenze zu Bayern zu errichten. Weder die Staatsregierung noch die Regierung von Oberbayern waren hierüber von österreichischer Seite informiert.

Mit Schreiben vom 19.01.95 wandte sich das Ministerium an die Ämter der Oberösterreichischen und Salzburger Landesregierungen mit der Bitte um Information. Beide Ämter teilten umgehend (30.01.95 und 02.02.95) mit, dass die Landesregierungen am 19.12.1994 eine engere Zusammenarbeit in der Abfallwirtschaft beschlossen hätten. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit solle auch die Idee einer gemeinsamen Abfallverbrennungsanlage geprüft werden. Als Standort biete sich aus infrastrukturellen Gegebenheiten Riedersbach an.

Weiter wurde mitgeteilt, dass mit der Prüfung der Eignung des Standorts und mit den Vorarbeiten für eine Umweltverträglichkeitserklärung begonnen werde. Es sei damit zu rechnen, dass diese Arbeiten, die Umweltverträglichkeitsprüfung sowie das Bürgerbeteiligungsverfahren mehrere Jahre in Anspruch nehmen werden.

Technische Daten existieren bei diesem Stand der Überlegungen nicht; ein Projektträger muss erst gebildet werden.

Zu 2.: Die Überlegungen zu einer Müllverbrennungsanlage in Riedersbach waren bisher nicht Gegenstand der regelmäßigen Gespräche mit Oberösterreich und Salzburg. Für das nächste Treffen der Gesprächsgruppe Bayern/Salzburg unter Federführung der Staatskanzlei am 11.05.95 hat Bayern das Thema Müllverbrennungsanlage Riedersbach als Tagesordnungspunkt angemeldet.

Eine Verpflichtung für eine raumordnerische Abstimmung der Standorte mit Bayern bestand für Österreich oder die österreichischen Bundesländer weder vor noch besteht sie seit dem Beitritt zur EU. Österreich ist jedoch als EU-Mitglied verpflichtet, die Richtlinie des Rates vom 27.06. über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG) in nationales Recht umzusetzen. Art. 7 der Richtlinie sieht vor, dass den anderen Mitgliedstaaten die nach Art. 5 eingeholten Informationen zum gleichen Zeitpunkt mitgeteilt werden sollen, zu dem sie den eigenen Staatsangehörigen zur Verfügung gestellt werden. Diese Information hat das Amt der Salzburger Landesregierung zugesichert.

Zu 3.: Nach allen Erkenntnissen ist das bayerische Gebiet westlich der Salzach zwischen Simbach im Norden und Freilassing im Süden lufthygienisch sehr gering belastet. Dies trifft auch für das durch Rechtsverordnung ausgewiesene Untersuchungsgebiet (früheres Belastungsgebiet) Burghausen zu.

In den vergangenen Jahren wurden in diesem Raum vergleichsweise häufig aufwendige lufthygienische Messungen vorgenommen. Bereits in den Jahren 1975 bis 1977 hat das Landesamt für Umweltschutz zur Überprüfung möglicher Auswirkungen der Luftschadstoffemissionen aus dem Raum Ranshofen/Oberösterreich im Bereich Simbach an mehreren Meßpunkten regelmäßige diskontinuierliche Luftschadstoffmessungen mittels Meßwagen vorgenommen. Trotz der in früheren Jahren vergleichsweise hohen Luftschadstoffemissionen im Raum Ranshofen ergaben sich bereits damals keine Hinweise auf wesentlich erhöhte Luftschadstoffbelastungen auf bayerischem Gebiet.

Auch aus den Meßwerten der Meßstation Braunau des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung lassen sich keine anderen Schlußfolgerungen ziehen.

Die Meßwerte der bayerischen Luftgütemeßstationen im Raum Burghausen belegen für das dortige Untersuchungsgebiet geringe lufthygienische Belastungen, die am unteren Ende vergleichbarer Immissionsstrukturen in den übrigen Untersuchungsgebieten in Bayern liegen. Dies wird auch durch das für den Raum Burghausen erstellte Immissionskataster voll bestätigt.

Da die Gemeinde Fridolfing in früheren Jahren Befürchtungen wegen etwaiger Schadstoffeinträge durch das Kraftwerk Riedersbach äußerte, hat die Betreibergesellschaft dieses Kraftwerks (OKA) vom April 1988 bis Oktober 1989 im Raum Fridolfing auf freiwilliger Basis eine kontinuierlich registrierende Luftgütemeßstation installiert und die Meßergebnisse der Gemeinde Fridolfing regelmäßig übermittelt.

Ergänzend wurden damals vom Landesamt für Umweltschutz Vergleichsmessungen mit Meßfahrzeugen vorgenommen. Sowohl diese Messungen wie auch Messungen der OKA im Raum Riedersbach selbst haben die insgesamt sehr günstige lufthygienische Situation in dem Gebiet bestätigt.

Trotz all dieser Erkenntnisse wurde das Landesamt für Umweltschutz angewiesen, im Hinblick auf die im Raum Ranshofen geplante Sondermüllverbrennungsanlage und die damit verbundenen Besorgnisse der bayerischen Bevölkerung an einem geeigneten Standort im Raum Simbach für einen begrenzten Zeitraum eine kontinuierlich registrierende Luftgütemeßstation einzurichten. Diese Station ist seit Ende September 1994 am Standort Kirchdorf in Betrieb; die bisher vorliegenden Meßergebnisse sind erwartungsgemäß niedrig.

Bei dieser Sachlage kann die Staatsregierung keine Veranlassung sehen, weitere aufwendige Immissionsmessungen durchführen zu lassen, zumal davon auszugehen ist, dass im Falle eines Genehmigungsverfahrens für eine thermische Abfallbehandlungsanlage an einem österreichischen Standort die Zusatzbelastungen durch diese Anlage ohnehin zu ermitteln sein werden.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass thermische Abfallbehandlungsanlagen in Österreich wie in Deutschland sehr strengen gesetzlichen Begrenzungen unterliegen, um dem Vorsorgeprinzip Rechnung zu tragen; die höchstzulässigen täglichen Schadstoffemissionen sind in beiden Ländern insgesamt vergleichbar.

Zu 4.: Nachrichten, wonach wegen der derzeitigen Unterschreitung der Verbrennungskapazität der Anlage in Burgkirchen beabsichtigt sei, Müll aus Österreich zu verbrennen, treffen nicht zu. Die Anlage Burgkirchen ist mit den Müllanlieferungen aus dem Zweckverbandsgebiet (ZAS) nahezu ausgelastet.

Die in der diskutierten Anlage Riedersbach (St. Pantaleon) zu behandelnden Restmüllmengen der Bundesländer Oberösterreich und Salzburg ­ geschätzt werden gegenwärtig etwa 80.000 bis 100.000 Tonnen jährlich ­ wären für eine Mitbehandlung in der Anlage Burgkirchen ohnehin viel zu hoch.

Zwar ist vom Grundsatz her die Annahme und Behandlung österreichischen Restmülls in der Anlage Burgkirchen rechtlich nicht ausgeschlossen, gleichwohl wären freiwerdende Kapazitäten zuerst teil- oder nichtentsorgten bayerischen Gebietskörperschaften anzubieten. Die Frage einer etwaigen Zustimmung der Bayerischen Staatsregierung zu Müllimporten aus Österreich bei Verzicht auf eine Anlage in Riedersbach (St. Pantaleon) stellt sich deshalb bereits aus diesen Gründen nicht.

Zu 5.: Nach Auskunft des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung wurden vor über 5 Jahren Einzelversuche zur Klärschlammverbrennung im Kohlekraftwerk Riedersbach durchgeführt. Seit 1990 fanden solche Versuche nicht mehr statt. Die Staatsregierung wurde von der österreichischen Seite zum damaligen Zeitpunkt über die Durchführung der

Versuche nicht informiert; ebenso wurden keine Ergebnisse mitgeteilt.

Die Verbrennung von Klärschlamm in Kohlekraftwerken ist nach deutschem Immissionsschutzrecht grundsätzlich möglich. Ihr kann zugestimmt werden, wenn die Anforderungen der 17. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Verbrennungsanlagen für Abfälle u.ä. brennbare Stoffe) eingehalten werden.

Zu 6.: Planung, Genehmigung und ggf. Auflagenfestsetzung für eine Müllverbrennungsanlage auf österreichischem Staatsgebiet sind allein Sache der zuständigen Landesbehörde, in diesem Fall Salzburgs bzw. Oberösterreichs. Eine Verpflichtung zur Information bayerischer Behörden hat Österreich in der Empfehlung der Deutsch-Österreichischen Raumordnungskommission für die Zusammenarbeit beim Umweltschutz in Gebieten nahe der gemeinsamen Staatsgrenze vom 14.10.1983 übernommen. Dort heißt es: Sie (d.h. ausreichende Konsultationen zwischen den Verwaltungsstufen beider Staaten) sollen frühzeitig stattfinden, d.h. z. B. im Falle von Genehmigungs-, Bewilligungs- und Antragsverfahren, in denen die Auswirkungen von Maßnahmen oder Anlagen auf die Umwelt zu prüfen sind bzw. Umweltbelastungen verhindert oder abgestellt werden sollen, möglichst bereits vor deren Einleitung.

Eine Beteiligung bayerischer Behörden kann somit frühestens zu dem Zeitpunkt erwartet werden, in dem Pläne eine Beurteilung des Vorhabens zulassen. Ungeachtet dessen wird die Staatsregierung in dem Gespräch mit Salzburg am 11.05.95 ihre Bitte um möglichst frühzeitige Information und Beteiligung vortragen.

Parallel zu dem Genehmigungsverfahren für die geplante Sondermüllverbrennungsanlage Ranshofen wird sie die Beteiligung bayerischer Bürger in einem etwaigen Verfahren zu einer Müllverbrennungsanlage Riedersbach anmahnen und sich dabei auch auf Zusagen des Bundeskanzlers der Republik Österreich und des Landeshauptmanns von Oberösterreich gegenüber Ministerpräsident Dr. Stoiber im Hinblick auf Ranshofen berufen können.