Tierversuche

In neun Fällen lag die Konzentration über dem zulässigen Grenzwert. Allein im Landkreis Unterallgäu sind bei 121 gezogenen Proben 39 Fälle mit einer Atrazinbelastung aufgetreten.

Über die gesundheitsgefährdenden Wirkungen von Atrazin ­ Atrazin steht u.a. im Verdacht, krebserregend zu sein ­ speziell bei Säuglingen und Kleinkindern bestehen unter Fachleuten unterschiedliche Ansichten. Es gibt jedoch Versuche, die gezeigt haben, dass Atrazin bereits in sehr geringer Konzentration schädlich ist. Neben Atrazin wurde bei den Trinkwasserproben auch noch das Pestizid Simazin nachgewiesen.

Ich vertrete deshalb die Auffassung, dass die Bevölkerung aufgrund der möglicherweise bestehenden Gefahr über die Qualität ihres Trinkwassers Bescheid wissen muß.

Ich frage deshalb die Staatsregierung:

1. Welche Trinkwasserbrunnen im Unterallgäu sind mit Atrazin belastet?

2. Wie hoch ist die jeweilige Belastung?

3. Welche Maßnahmen sind von den zuständigen Behörden zu ergreifen?

4. Wird die Staatsregierung bei einer notwendigen Brunnensanierung finanzielle Mittel zur Verfügung stellen?

5. Gibt es Möglichkeiten der Kontrolle im Umgriff der Brunnen?

Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit

Die schriftliche Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit den Staatsministerien für Landesentwicklung und Umweltfragen sowie Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wie folgt:

Vorbemerkung:

Die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung für Pflanzenschutzmittel (PSM) sind Vorsorgewerte. Das bedeutet, die Werte sind so niedrig festgelegt, dass selbst bei zeitweiser Überschreitung keine Gesundheitsgefährdung zu besorgen ist. Dies gilt auch für Atrazin, das aufgrund von Tierversuchen als mögliches Kanzerogen eingestuft wurde. Atrazin gehört zu einer Gruppe von Stoffen, die tierexperimentell erst bei sehr hohen Dosierungen und nach einem hormonell vermittelten Mechanismus kanzerogen wirken, also nicht gentoxisch sind. Sie besitzen deshalb eine Wirkungsschwelle, so dass bei Atrazin im Trinkwasser-relevanten Konzentrationsbereich mit krebserzeugenden Effekten nicht zu rechnen ist. Unter diesem Aspekt können befristet Abweichungen vom PSM-Grenzwert der Trinkwasser-Verordnung (0,1

µg/l) toleriert werden. Das (frühere) Bundesgesundheitsamt hat als sog. Ausnahmegrenzwert für Atrazin eine Konzentration von 3 µg/l festgesetzt, für mehrere Stoffe der selben toxikologischen Kategorie wie Atrazin einen von 5 µg/l.

Zum Ergebnis der zitierten bundesweiten Greenpeace-Umfrage über Pestizide in Trinkwasser ist aus bayerischer Sicht auf folgendes hinzuweisen:

­ Dort, wo nicht oder nur eingeschränkt untersucht wird, kann auch im Falle einer Kontamination schwer der Wirkstoff im Grundwasser nachgewiesen werden. Die herausragende Belastungssituation in Bayern ist weniger auf eine deutlich stärkere Grundwasserkontamination in dem Bundesland zurückzuführen, als vielmehr auf ein dichtes Überwachungsnetz und kontinuierliche Untersuchungen. (Zitat aus dem Greenpeace-Bericht Pestizide im Grundwasser ­ Ergebnisse einer Befragung deutscher Gesundheitsämter 1994.)

­ Mit ca. 4.300 öffentlichen, meist kleinen und ortsnahen Trinkwasser-Gewinnungsanlagen, die mit rund 10.

Brunnen und Quellen über 97 % der Bevölkerung versorgen, hat Bayern im Vergleich zu den anderen Ländern erfreulicherweise noch die vielfältigste Versorgungsstruktur und die weitaus größte Zahl von Versorgungsanlagen aufzuweisen. Auch daraus ergibt sich, dass in Bayern die absolute Zahl der Brunnen mit PSM-Nachweis vergleichsweise hoch ist.

Zu 1. und 2.: Im Unterallgäu gibt es 19 öffentliche Wasserversorgungsanlagen (siehe auch Hinweis in der angefügten Tabelle), die derzeit Trinkwasser abgeben, in dem sich Atrazin bzw. dessen Abbauprodukte nachweisen lassen. Die Anlagen sind in der Tabelle unter Angabe der jeweiligen aktuellen PSMKonzentrationen aufgelistet.

Zu 3.: Ein erfolgversprechender Trinkwasserschutz ist nur möglich, wenn die Erfordernisse des allgemeinen Grundwasserschutzes flächendeckend erfüllt werden.

Schon immer wird in Bayern der Vorrang der Ursachenbeseitigung gegenüber technischen Ersatz- und Reparaturmaßnahmen betont. Zur erwünschten Erhaltung örtlicher Anlagen und der bewährten Versorgungsstruktur ist dies der einzige Weg, auch wenn die Ursachenbeseitigung oft schwierig und kurzfristig nicht erfolgreich erscheint. Die Verschärfung des Pflanzenschutzgesetzes im Jahre 1986 und der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung im Jahre 1988 verbunden mit einem strengen Vollzug des Pflanzenschutzrechts sind flächendeckende Maßnahmen zur Vorsorge und Ursachenbeseitigung. Auf Initiative Bayerns ist zum 01.03.1991 ein bundesweites Anwendungsverbot für atrazinhaltige Pflanzenschutzmittel ergangen.

Vor Ort werden im Vollzug der Trinkwasserverordnung folgende Maßnahmen ergriffen:

Die Gesundheitsämter machen sich bei den Ämtern für Landwirtschaft und Ernährung bzw. den Wasserwirtschaftsämtern über die im jeweiligen Wassereinzugsgebiet hauptsächlich verwendeten PSM kundig und unterrichten die Kreisverwaltungsbehörden über die Wirkstoffe, auf welche im Einzelfall untersucht werden soll. Die Kreisverwaltungsbehörden ordnen Untersuchungen auf PSM auf Vorschlag des Gesundheitsamtes insbesondere an

­ bei ackerbaulicher Nutzung im Einzugsgebiet der Wassergewinnungsanlage

­ bei Wassergewinnungsanlagen mit größeren Anteilen an Uferfiltrat,

­ bei Wassergewinnungsanlagen in Karstgebieten,

­ bei Wassergewinnungsanlagen, in deren Einzugsgebiet PSM bereits nachgewiesen sind.

Die Untersuchungen werden i.d.R. zweimal jährlich durchgeführt und zwar zu Zeiten, in denen die örtliche PSM-Belastung des Grundwassers erfahrungsgemäß am höchsten ist.

Im Falle einer erstmaligen Grenzwertüberschreitung wird unverzüglich eine zusätzliche Untersuchung vorgenommen.

Das Gesundheitsamt unterrichtet die Kreisverwaltungsbehörde umgehend über Grenzwertüberschreitungen oder PSM-Konzentrationen, die eine solche Überschreitung in absehbarer Zeit befürchten lassen. Die Kreisverwaltungsbehörde erörtert die daraus zu ziehenden Konsequenzen mit den Fachbehörden (Gesundheitsamt, Wasserwirtschaftsamt, Amt für Landwirtschaft und Ernährung) und dem Unternehmer der Wasserversorgungsanlage. Vorrangiges Ziel der gemeinsamen Besprechung ist, dem Wasserversorgungsunternehmer aus juristischer, wasserwirtschaftlicher, gesundheitlicher und landwirtschaftlicher Sicht eine Hilfestellung für ein Sanierungskonzept zu bieten.

Zur Aufrechterhaltung der Wasserversorgung kann die Kreisverwaltungsbehörde nach § 4 Abs. 1 der Trinkwasserverordnung zulassen, dass von den PSM-Grenzwerten für einen befristeten Zeitraum abgewichen werden kann (siehe Vorbemerkung), sofern dadurch die menschliche Gesundheit nicht gefährdet wird und die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann. Zur Frage, ob die menschliche Gesundheit gefährdet wird, hört die Kreisverwaltungsbehörde das Gesundheitsamt, zur Frage, ob die Trinkwasserversorgung nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann, das Wasserwirtschaftsamt.

Eine Ausnahmegenehmigung nach § 4 Abs. 1 der Trinkwasserverordnung setzt einen erfolgversprechenden Sanierungsplan voraus.

Zu 4.: Bei der Erstellung und Durchführung des Sanierungsplans wird der Unternehmer von den Fachbehörden im Rahmen ihres jeweiligen Zuständigkeitsbereichs beraten und unterstützt. Ggfs. können staatliche Hilfen für Untersuchungen und Planungen zur Sicherung von Trinkwassergewinnungsgebieten in Anspruch genommen werden vom 12. Juni 1987, MABl S. 300, geändert durch Bek vom 2. Juni 1989, S. 538). Technische Abhilfemaßnahmen (Mischen, Stillegen und Neuerschließung) werden nicht gefördert, da diese nur eine Reparatur und keine Ursachenbeseitigung darstellen. Diesbezüglich wird auf den Jahresbericht 1991 des Obersten Rechnungshofes hingewiesen.

Zu 5.: In den beiden zurückliegenden Jahren wurden in Bayern insgesamt 900 Bodenproben auf unerlaubte Atrazinanwendung untersucht. Im Jahre 1994 wurden die Bodenproben nach einem flächenhaften Untersuchungsprogramm nach dem Zufallsprinzip und einem Verdichtungsprogramm gezogen, das jene Betriebe umfaßte, deren Bodenproben bei der Kontrollaktion 1993 Atrazingehalte zwischen 1 und 99 µg/kg Boden aufwiesen.

Darüber hinaus war ein Teil des Probenkontingents (142

Proben) für die Beprobung solcher Gebiete vorgesehen, in denen Grund-, Trink- oder Oberflächenwasser alljährlich eine deutliche Atrazinkontamination aufweisen. Die Auswahl dieser Kontrollbetriebe und Kontrollschläge erfolgte durch die Abteilungen Landwirtschaft und Wasserwirtschaft der Regierungen.