Ich frage deshalb die Staatsregierung 1 Wie viele Anhänger hat die Sekte nach Erkenntnissen der Staatsregierung in

Zentrum der Bewegung in der Bundesrepublik Deutschland scheint dabei der Freistaat Bayern zu sein.

Ich frage deshalb die Staatsregierung:

1. Wie viele Anhänger hat die Sekte nach Erkenntnissen der Staatsregierung in Bayern?

2. Welche Zentren und Niederlassungen der Sekte befinden sich in Bayern und wo?

3. Die Sekte betreibt Kindergärten, die sogenannte Lichtheim-Kindergärten:

a) wo in Bayern werden die Kindergärten betrieben?

b) haben die Kindergärten die entsprechenden behördlichen Genehmigungen erhalten?

c) wurden und werden für die Errichtung und Unterhaltung sowie personelle Ausstattung dieser Kindergärten öffentliche Mittel von Bund, Land, Bezirk oder Kommune gewährt?

4. Liegen der Staatsregierung Erkenntnisse vor über die Mißhandlung von Kindern durch Zwang zur Meditation und Manipulation am Gehör? Sind diesbezüglich strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden?

Welchen Stand und welche Ergebnisse haben evtl. Ermittlungen der Strafverfolgung?

5. Welchen Kenntnisstand hat die Staatsregierung über mutmaßliche Todesfälle in der Sekte und die angebliche Ermordung von Sektenmitgliedern durch den Guru Thakar Sing? Sind über den in der ARD-Sendung gemachten Fall weiter Fälle bekannt und sind hiervon auch Bürger aus Bayern betroffen?

6. Hält es die Staatsregierung für notwendig, aufgrund der bereits jetzt vorliegenden Erkenntnisse über Ideologie und Praktiken der Sekte, eine Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden zu veranlassen?

7. Welche Möglichkeiten sieht die Staatsregierung, Kinder von Sektenangehörigen wirksam vor Mißbrauch durch Sektenführer und -angehörige zu schützen? Sind die für Sorgerechtsfragen zuständigen Stellen für diese Frage entsprechend sensibilisiert?

8. Ist der Staatsregierung bekannt, ob leitende Beamte oder Beamtinnen im Staatsdienst oder kommunale Beamte der Sekte angehören? Wenn ja, ist eine Überprüfung vorgenommen worden, ob solche Beamte oder Beamtinnen aktiv an Kindesmißhandlungen beteiligt waren oder diese durch entsprechende Anleitung in deutscher Sprache unterstützt haben? Sind weitere Mitglieder der Sekte im öffentlichen Dienst beschäftigt?. Antwort des Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst

Auf der Grundlage der Stellungnahmen der Staatsministerien der Finanzen, der Justiz, des Innern sowie für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Allgemeines:

Die Kirpal Ruhani Satsang Society stellt eine Gurubewegung hinduistischen Ursprungs um den Inder Thakar Singh mit spirituellen und meditativen Techniken dar. Ihr Menschenbild ist geprägt durch den absoluten Erlösungsanspruch, die Fixierung auf den Guru und den ihm geschuldeten Gehorsam. Die Bewegung unter dem Meister Thakar Singh ist eine Nachfolgeorganisation des von Sant Kirpal Singh geleiteten Ruhani Satsang und geht auf die von dem indischen Mystiker Shiv Dayal Singh gegründete Guru-Vereinigung (Satsang) zurück (vgl. Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen zu Sant Mat, d.h. Lehre der Heiligen). Thakar Singh hat für die Bewegung Kirpal Ruhani in Vorträgen, Rundschreiben an werdende Mütter und in sonstigen Veröffentlichungen besonders die spirituelle Erziehung von Kindern von Geburt an propagiert.

Zu 1.: Die Staatsregierung verfügt selbst über keine zahlenmäßigen Erkenntnisse über die Anhänger der Kirpal Ruhani Satsang Society. Nach eigenen Angaben der Vereinigung besitzt sie in der Bundesrepublik ca. 25.000 Anhänger und betreibt Niederlassungen in 62 Städten.

Zu 2.: Soweit den Sicherheitsbehörden bekannt ist, unterhält die Vereinigung in Pittenhart am Chiemsee ein sog. Retreat Oberbrunn. In Bayreuth war bis vor kurzem der Verein zur Förderung der Lichtheim-Kindergärten und Schulen e.V. eingetragen, der mittlerweile jedoch seine Auflösung beschlossen hat. Daneben sollen die ebenfalls in Bayreuth seit 1992 eingetragenen Vereine ­ die Holosophische Gesellschaft e.V., Verein zur Förderung des ganzheitlich heilen Menschen, und die Holosophic Society e.V. - Internationale Vereinigung zur Förderung des ganzheitlich heilen Menschen, ebenfalls der Bewegung zuzurechnen sein bzw. deren Lehre vertreten. Bei beiden Vereinen war die ehemalige Vorsitzende des Vereins zur Förderung der Lichtheim-Kindergärten und Schulen e.V. im Vorstand. Daneben besteht in 90556 Wachendorf in Mittelfranken ein zentraler Stützpunkt der Vereinigung.

Im Rahmen von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Traunstein stellte sich heraus, dass das Retreat Oberbrunn in Pittenhart am Chiemsee weder der Hauptsitz der Gemeinschaft in Bayern noch das Zentrum für Deutschland ist. Als Verantwortlicher tritt ein Repräsentant von Sant Thakar Singh für Europa mit Wohnsitz in Erding auf. Nach einem von diesem unterzeichneten Rundschreiben ohne Datum sind Versuche mit Ohrenstöpseln und Augenbinden einzustellen.

Zu 3.: Nach einer durchgeführten Erhebung ist bei keiner der Regierungen ein sog. Lichtheim-Kindergarten der Vereinigung bekannt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass bei der Erteilung der staatlichen Anerkennung für einen Kindergarten bzw. bei der Anzeige für einen nicht staatlich anerkannten Kindergarten von der Aufsichtsbehörde lediglich die Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen zu überprüfen ist. Nach diesen Bestimmungen muss der Träger des jeweiligen Kindergartens nicht zu erkennen geben, ob er einem bestimmten Gedankengut nahesteht.

Die Aufsichtsbehörden werden jedoch in Richtung dieser Bewegung auftretenden Auffälligkeiten sofort nachgehen.

Zu 4.: Wegen des Verdachts der Mißhandlung von Kindern durch Zwang zur Meditation wurden im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Justiz insgesamt vier Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaften bei den Landgerichten München II, Traunstein, Nürnberg-Fürth und Bayreuth eingeleitet.

­ In dem von der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München II angestrengten Strafverfahren liegt einem der Angeklagten zur Last, mit seinem zweijährigen Sohn täglich mindestens acht Stunden entsprechend der Lehre des indischen Gurus Sant Thakar Singh meditiert zu haben.

Während dieser Zeiten mußte das Kind einen Siliconohrstöpsel im rechten Ohr tragen oder sein Vater steckte ihm einen Finger in sein rechtes Ohr. Der Mutter des Kindes sowie einer weiteren Person werden Beihilfe zu diesen Meditationshandlungen vorgeworfen.

Mit Beschluß des Amtsgerichts Starnberg ­ Jugendgericht ­ wurde das Verfahren gegen die weitere Angeklagte abgetrennt. Das Gericht verhängte mit Urteil vom 29. November 1994 gegen den Vater wegen eines Vergehens der Mißhandlung von Schutzbefohlenen sowie gegen die Mutter wegen eines Vergehens der Beihilfe zur Mißhandlung von Schutzbefohlenen jeweils eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dabei ging das Amtsgericht Starnberg von einem minder schweren Fall der Mißhandlung von Schutzbefohlenen aus. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

In dem abgetrennten Verfahren verurteilte das Amtsgericht Starnberg die weitere Angeklagte am 7. März 1995 wegen Beihilfe zur Mißhandlung von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten, die für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auch diese Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

­ Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Traunstein leitete im Jahre 1993 ein Ermittlungsverfahren gegen eine Anhängerin des Gurus Thakar Singh wegen des Verdachts der Mißhandlung von Schutzbefohlenen ein. Dabei lag der Beschuldigten zur Last, mit ihrem am 27. Dezember 1988 geborenen Kind ab Mai 1989 sogenannte Baby-Meditationen (Verschließen eines Ohres mit Silicon) durchgeführt und es dabei körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt zu haben.

Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 17. August 1993 gemäß § 170 Abs. 2 ein, da nach den durchgeführten Ermittlungen jeweils nur eine kurzfristige Baby-Meditation (für maximal 10 Minuten) ohne Augenbinden nachweisbar war.

­ Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth leitete aufgrund einer Anzeige vom 12. Juli 1993 Ermittlungen wegen Kindesmißhandlung bzw. Aufforderung zur Kindesmißhandlung gegen eine Beschuldigte ein, die aktives Mitglied der Kirpal Ruhani Satsang Society mit Sitz in Wachendorf ist.

­ Im Verlauf der Ermittlungen wurde der in der Anzeige geäußerte Verdacht nicht bestätigt, insbesondere enthalten die der Anzeige beigefügten Artikel aus einer von der Beschuldigten herausgegebenen Zeitschrift keine Anleitungen zu strafbaren Handlungen. Soweit der Beschuldigten zur Last gelegt wurde, als Mitglied der Vereinigung Eltern zur Mißhandlung ihrer Kinder angestiftet zu haben, fehlte es an konkreten Anhaltspunkten für das Vorliegen der dazu erforderlichen Haupttat. Die Staatsanwaltschaft stellte daher das Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 30. März 1994 gemäß § 170 Abs. 2 ein.

­ Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Bayreuth leitete aufgrund der am 18. Juni 1993 ausgestrahlten ARD-Sendung. In den Fängen des Guru und Artikel der örtlichen Presse ein Ermittlungsverfahren gegen eine Beamtin wegen des Verdachts von Vergehen der Körperverletzung ein. Nachdem die Ermittlungen zunächst lediglich ergeben hatten, dass sich die Beschuldigte für die

Gemeinschaft und ihre Unterorganisation persönlich engagiert und den in der ARD-Sendung erwähnten Video-Film synchronisiert hat, der Anleitungen zur Kindermeditation enthält, beantragte die Staatsanwaltschaft, die Durchsuchung der Wohnung der Beschuldigten und ihrer Diensträume anzuordnen. Diese Anträge wurden durch die Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Bayreuth und durch das Landgericht Bayreuth in der Beschwerdeinstanz im wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, daß keine Anhaltspunkte für strafbares Verhalten der Beschuldigten vorlägen.

Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 13. Januar 1994 gemäß § 170 Abs. 2 ein, da die durchgeführten Ermittlungen keine Hinweise darauf ergeben hatten, dass sich die Beschuldigte selbst an Kindermeditation beteiligt hat. Auch eine Aufforderung zu Straftaten bzw. eine Beihilfe hierzu war der Beschuldigten nicht nachweisbar.

Zu 5.: Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I führt wegen des in der angesprochenen ARD-Sendung geschilderten Todes einer zuletzt in München wohnhaften Frau ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Totschlags. Die Ermittlungen dauern an.

Weitere Todesfälle im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Vereinigung sind der Staatsregierung nicht bekannt.

Zu 6.: Der Verfassungsschutz hat Bestrebungen zu beobachten, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Solche Bestrebungen können auch von Sekten oder ähnlichen Gemeinschaften ausgehen, wenn sie aus einer politischen Motivation heraus verfassungsfeindliche Ziele verfolgen. Anhaltspunkte dafür liegen jedoch bei der Bewegung Thakar Singh derzeit nicht vor. Die Tatsache allein, dass eine Vereinigung ihre Auffassungen fanatisch und intolerant vertritt und dabei unter Umständen auch strafbare Handlungen begeht, rechtfertigt eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht. Die Verfolgung strafbarer Handlungen ist Sache der Staatsanwaltschaft und der Polizei.

Zu 7.: Als Hinweise auf Fälle von Kindeswohlgefährdung durch die Aktivitäten der Gemeinschaft Kirpal Ruhani Satsang Society bekannt wurden, hat das Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit ein Gutachten des Instituts für soziale Pädiatrie und Jugendmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München zu den Erziehungspraktiken der Vereinigung eingeholt. Das Gutachten stellt in mehrfacher Hinsicht einen erheblichen Eingriff in die natürlichen Entwicklungsbedingungen des Säuglings und Kleinkinds fest, wenn die Empfehlungen der Gemeinschaft zur spirituellen Erziehung der Kleinsten angewendet werden.

Das Bayerische Landesjugendamt hat alle betroffenen Jugendämter umfassend über den Sachverhalt informiert und zugleich Handlungsanleitungen für ein sorgerechtliches Vorgehen, insbesondere auch für Sofortmaßnahmen, gegeben.

Darüber hinaus hat sich das Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit an das Auswärtige Amt in Bonn gewandt und auf die Möglichkeit hingewiesen, dass im indischen Zentrum der Bewegung in Neu-Dehli Kindesmißhandlungen verübt werden, von denen auch deutsche Kinder betroffen sein könnten und angeregt, notwendige Maßnahmen zum Schutz der Kinder dort zu ergreifen. Parallel dazu hat die Kommission zur Wahrnehmung der Belange der Kinder (Kinderkommission) im Deutschen Bundestag die Angelegenheit behandelt und sich dafür verwendet, dass die Aktivitäten der genannten Gemeinschaft weiterhin bundesweit durch die zuständigen Behörden beobachtet werden.

Zu 8.: Das Staatsministerium des Innern hat von der Tätigkeit einer leitenden Beamtin im kommunalen Dienst für die Gemeinschaft des Inders Thakar Singh durch Presseveröffentlichungen Kenntnis erhalten. Es handelt sich um dieselbe Beamtin, gegen die die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Bayreuth auch das zu Frage 4 angeführte Ermittlungsverfahren durchgeführt hatte. Das von der zuständigen Kommune eingeleitete förmliche Disziplinarverfahren wurde mit Verfügung eingestellt: Der Untersuchungsführer kam zu dem Ergebnis, dass die der Beamtin angelasteten Dienstvergehen nicht nachgewiesen seien. Ihr außerdienstliches Engagement für die Gemeinschaft Thakar Singh habe jedoch mißtrauensbildend gewirkt und Zweifel an ihrer Integrität und Neutralität aufkommen lassen.

Bei der Beschuldigten im mittlerweile eingestellten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Traunstein (siehe oben zu Frage 4 2. Spiegelstrich) handelte es sich um eine im Erziehungsurlaub befindliche Sonderschullehrerin im Beamtenverhältnis. Schulische Belange waren von dem sich nicht bestätigenden Anfangsverdacht zu keiner Zeit berührt.

Im übrigen liegen Erkenntnisse über die Mitgliedschaft von Angehörigen des öffentlichen Dienstes in der Gemeinschaft nicht vor.