Freisetzung von VOC-Emissionen, insbesondere von Benzol bei Tankvorgängen an Tankstellen auch mit Gasrückführungssystemen

Freisetzung von VOC-Emissionen, insbesondere von Benzol bei Tankvorgängen an Tankstellen auch mit Gasrückführungssystemen

Die Gesamtemissionen an VOC eines Pkw mit geregeltem Kat beim Verbrauch des gesamten Tankinhalts (z.B. 50 l Tankinhalt und einem Durchschnittsverbauch von 10 l/100 km, also 500 km Fahrleistung) betragen im Durchschnitt 66g.

Beim Betanken eines derartigen Pkw ohne Gasrückführung, also dem Tankvorgang an der Tankstelle, wird die dreifache Menge VOC freigesetzt, mit Gasrückführung aber immer noch das 1,5- bzw. 1,8fache.

Die Emissionsminderung durch die Fahrzeugtechnik ist also um den Faktor 3 besser als im Durchschnitt beim Tanken an der Tankstelle. Obwohl es Stand der Technik ist, 95­105 Prozent der freiwerdenden Emissionen durch das Gasrückführungssystem als Gas einzufangen, wird derzeit kaum die Hälfte erreicht und damit § 3 der 21. nicht erfüllt.

Für die gesamte BRD rechnet man bisher mit 65.000 t dampfförmiger Emissionen. Die Gesamtemissionen erhöhen sich bei Benzin um 132.000 m3 und bei Diesel um 85.000 m3 als flüssiger, tropfenförmiger Austrag, d.h. dies ergibt eine Geldverschwendung von 211 bzw. 100 Mio. DM.

Die Hauptursachen liegen je m3 bzw. je Tonne gezapften Treibstoffs bei

­ dampfförmiger Emission aus dem Pkw-Tank mit 1,136 kg/m3,

­ dampfförmigen Emissionen aus dem Erdtank mit 0,5 kg/m3 und

­ insbesondere dem Tropfenaustrag durch die Zapfpistole selbst (Diesel- und Ottokraftstoff) mit 2,4 kg/m3, d.h. je m3 Tankinhalt werden 4,03 kg Emissionen freigesetzt.

Dies wird auch durch Schweizer Untersuchungen an Gasrückführungssystemen festgestellt:

Bei Abnahmekontrollen von 660 Systemen mußten 58 Prozent beanstandet werden, weil eine Gasrückführungsrate außerhalb des Toleranzbereichs vorlag, die Systeme überhaupt nicht funktionierten (Ausfall) oder andere gravierende Mängel aufwiesen.

Bei einem Feldversuch installierter Systeme über eine Periode von drei bis vier Monaten lagen nur 47 Prozent während der gesamten Versuchsdauer im Toleranzbereich, 53 Prozent lagen zeitweise oder ganzzeitig außerhalb des Toleranzbereiches oder hatten zu 27 Prozent vor oder während des Versuchs Defekte oder Ausfälle.

Ziel der Ausrüstung von Tankstellen mit Gasrückführungssystemen ist es, die bei der Fahrzeugbetankung entstehenden Emissionen zu verhindern oder möglichst weitgehend zu vermindern. Benzindämpfe, die u.a. das krebserzeugende Benzol enthalten, belasten Kunden, das Personal, Passanten und die Anwohner der Tankstellen. Für krebserzeugende Stoffe wie Benzol können keine mit Sicherheit unwirksamen Konzentrationen angegeben werden.

Der MAK-Wert beträgt in der Schweiz 3,2 mg/m3, während die bei der Betankung verdrängten Gase im Mittel 16.

mg/m3 enthalten.

Die Kohlenwasserstoffemissionen führen nicht nur zu erhöhten Immissionsbelastungen im Bereich der Tankstellen, sie sind darüber hinaus wichtige Vorläufersubstanzen für die Bildung des bodennahen Ozons und anderer Photooxydantien und tragen erheblich zur Entstehung der übermäßigen Ozonimmissionen während des Sommerhalbjahres bei. Diese Emissionen bedeuten aber auch einen Produktverlust, der aus ökonomischen Gründen im Interesse der Tankstellenbetreiber soweit als möglich reduziert werden sollte.

Ich frage deshalb die Staatsregierung:

1. Ist die Staatsregierung auch der Auffassung, dass angesichts der technischen Möglichkeiten, aber auch des bisherigen Aufwands, die erreichten Erfolge hinsichtlich der Gasrückführung und damit der ökologischen Entlastung, aber auch der ökonomischen Vorteile für die Tankstellen, unbefriedigend sind?

2. Sind hierfür die unzureichenden Anforderungen an die Zapfeinrichtungen selbst (Merkblatt I) sowie die unzureichende Überprüfung der Einrichtungen an den Tankstellen (Merkblatt II) die Ursachen?

3. ist es richtig, daß

a) die Zapfpistole (VGL-E 508) wie eine Düse arbeitet und dabei Tropfen und Schaum entstehen, die speziell beim Volltanken als Tropfenaustrag in noch größerem Umfang anfallen als die dampfförmigen Emissionen und

b) diese allein durch die Zapfpistole verursachten flüssigen Emissionen aber weder vom UBA noch vom TÜV Rheinland gemessen wurden und auch nicht im Merkblatt I der sog. Eignungsprüfung der Systeme zur Gasrückführung enthalten sind?

4. Ist der Staatsregierung im Vollzug der Verordnung Merkblatt II bekannt, daß

a) an Tankstellen mit Gasrückführung die wesentliche Dichtheitsprüfung der Ringleitung nach Position 2.2. des Merkblattes zur Rückführung der Gase in den Lagertank nicht durchgeführt wird:

b) vor den volumetrischen Messungen nach Position 3 des Merkblattes der Anlagenzustand (mit den typischen flüssigen Hold-up im Leitungssystem der die Gasrückführung bis zu dreißig Prozent einschränkt) auch durch ein Freiblasen der Leitung vor Messbeginn verfälscht wird, anschließend d.h. bei geschonten Bedingungen der gasförmige Volumenstrom gemessen wird;

c) bei amtlichen Stellen und bei den mit der Abnahme beauftragten Stellen keine prüfbaren Ergebnisse mit einer physikalischen Meßgröße vorliegen, da diese gar nicht über entsprechendes Meßgerät verfügen;

d) was ist die Staatsregierung ggf. bereit dagegen zu unternehmen?

5. Ist der Staatsregierung bekannt, daß

a) die gesetzlichen Vorgaben § 3 der 21. die Gase aus den Fahrzeugtank dem Lagertank zuzuführen entgegen dem Stand der Technik von 95 bis 105 Prozent auf neuen Tankstellen, die mit Gasrückführungsanlagen ausgerüstet sind, nur zu 50 Prozent erfüllt werden?

b) die sicherheitstechnischen Vorgaben der VGF TRBF z.B. 180 Nr. 2.9 und 5.1, nämlich die Stutzen im Domschacht fest verschlossen zu halten, nicht erfüllt und nicht kontrolliert werden bzw. wegen der teilweise offenen Stutzen im Domschacht und wegen der offenen Entlüftung von den zurückgeführten Gasen weitere 20 Prozent den Erdtank nicht erreichen, weil sie über einen der offenen Stutzen im Domschacht austreten bzw. was gedenkt die Staatsregierung dagegen zu unternehmen?

6. Kann die Staatsregierung ­ ggf. mit welchen Argumenten

­ den wiederholten Veröffentlichungen auch nach den schweizerischen Untersuchungen widersprechen, daß

a) bei einem Tankvorgang neben den dampfförmigen VOC-Emissionen auch von der Abstellautomatik der Zapfpistole freigesetzte Tropfen und im Fahrzeugtank gebildeter Schaum als flüssige Emissionen anfallen;

b) der Kraftstoff einschließlich Diesel vergleichbar einem Riesenwäscher mit Zapfpistolen als Wäscherdüsen verteilt wird, ohne dass der Tropfenaustrag bisher berücksichtigt wird und Maßnahmen zur Tropfenabscheidung vorgesehen sind;

c) die Emissionen beim Tanken ohne Gasrückführung ca. 300 Prozent betragen von den Emissionen eines modernen Pkw mit geregeltem Kat beim Verbrauch des gesamten Kraftstoffs bzw. Tankinhaltes, bzw. die dabei freigesetzten Emissionen der Situation vergleichbar sind, wenn 1200 Fahrzeuge während des Tankvorgangs mit laufendem Motor an einer Ampel oder im Stau stehen;

d) auf Tankstellen mit Gasrückführung 40 Prozent dieser Emissionen wegen der schlechten Funktionskontrollen nicht vermieden werden;

e) 20 Prozent der Emissionen beim Tanken mit Gasrückführung nicht vermieden werden, weil die vorgeschriebenen Dichtheitsprüfungen nicht eingehalten werden;

f) die mit der Gasrückführung zurückgewinnbaren VOC-Anteile für eine mittlere Tankstelle ca. 11. DM/a betragen;

g) die vermeidbaren Emissionen nicht nur ungeheure ökologische Belastungen, sondern auch insbesondere in den Sommermonaten ein Sicherheitsproblem (gesteigerte Explosionsgefahr) darstellen?

Antwort des Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen

Zu der schriftlichen Anfrage nehme ich in Abstimmung mit dem Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit wie folgt Stellung:

Zu 1.: Einrichtungen zur Gasrückführung bei Betankungsvorgängen sind ein Bestandteil langfristiger umweltpolitischer Bemühungen zur Reduktion von Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen (VOC). Der Verwirklichung dieses Ziels im Bereich der Tankstellen dienen die Bestimmungen der 21. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz (21. Diese VO sieht für die Durchführung der technischen Maßnahmen, die Eigenkontrolle und die Überwachung Übergangsregelungen für Altanlagen bis Ende 1997 vor. Über die damit erreichten Auswirkungen kann deshalb derzeit noch keine Wertung abgegeben werden.

Zu 2.: Gemäß § 6 Abs. 2 der 21. hat der Betreiber einer Tankstelle die Einhaltung der Anforderungen nach § 3 Abs. 1 (Einsatz eines Gasrückführsystems entsprechend dem Stand der Technik) spätestens 6 Wochen nach Inbetriebnahme des Gasrückführsystems und sodann wiederkehrend alle 5 Jahre von einem Sachverständigen feststellen zu lassen.

Zur Sicherstellung eines bundeseinheitlichen Vollzugs der gesetzlichen Vorgaben wurde von einem Expertengremium aus Vertretern der Wirtschaft, der Technischen Überwachungsvereine und der Überwachungsbehörden unter Leitung des Umweltbundesamts entsprechende Merkblätter erstellt. Dabei bezieht sich Merkblatt I auf die technischen Anforderungen an zentrale Gasrückführsysteme, Merkblatt II legt die Überwachung von Gasrückführsystemen mittels Volumen- bzw. Volumenstrommeßgeräten fest, während das noch in Bearbeitung befindliche Merkblatt III die Anforderungen an die Eigenkontrolle der jeweiligen Betreiber bestimmen wird. Einer bundeseinheitlichen Einführung der genannten Merkblätter stehen nach den hierfür erforderlichen umfangreichen Fachdiskussionen der beteiligten Kreise aus der Sicht der Staatsregierung keine Bedenken entgegen.

Zu 3.: a) und b): Es ist richtig, dass die gemeinhin an Tankstellen verwendeten Zapfpistolen beim Betankungsvorgang Schaumbildung im Treibstoff sowie aerosolförmige Emissionen verursachen.

Allerdings belegen Messungen im Auftrag des Umweltbundesamtes bei einer Großtankstelle, dass der Anteil der während des Betankens freigesetzten Kraftstoffaerosole bei Bruchteilen eines Promills der insgesamt bewegten Kraftstoffmenge liegt. Demgegenüber wird in der Anfrage eine mindestens um den Faktor 10 höhere Emission unterstellt.

Aus der Sicht des Immissionsschutzes sind die tatsächlich gemessenen Aerosolemissionen nicht relevant.

Zu 4. a): Die Nr. 2.2 des genannten Merkblatts lautet wörtlich die Gasrückführungsleitungen zwischen dem Fußpunkt der Zapfsäule und dem Lagerbehälter bzw. einer evtl. installierten Ringleitung sind bei Inbetriebnahme, nach wesentlichen Änderungen und wiederkehrend spätestens 10 Jahre nach der letzten Prüfung mit einem Überdruck von mindestens 1 bar mit Stickstoff auf Dichtheit zu prüfen. Es besteht bislang kein Anlaß zu der Annahme, dass die vorgesehenen Dichtheitsprüfungen in der Praxis nicht durchgeführt werden.

Zu 4. b): Der TÜV Rheinland hat im Rahmen eines Forschungsvorhabens des Umweltbundesamts Meßverfahren für die geforderten Funktionsprüfungen bei Gasrückführsystemen entwickelt und in zahlreichen Feldversuchen getestet. Die bisher vorliegenden Erfahrungen zeigen, dass an seiner grundsätzlichen Tauglichkeit keine begründeten Zweifel bestehen, so dass dieses Meßverfahren im bereits genannten Merkblatt II als Stand der Technik für die Bundesrepublik festgelegt wurde. Darüber hinaus besteht selbstverständlich die Möglichkeit ­ sofern sich tatsächlich Bedenken gegen die gasvolumetrische Messung aus der konkreten Betriebserfahrung ableiten lassen ­ die geltenden Regelungen einem fortgeschrittenen Erkenntnisstand anzupassen.

Zu 4. c): Die hier getroffene Aussage ist nicht nachvollziehbar. Amtlich anerkannte Sachverständige, die mit einschlägigen Funktionsprüfungen ­ nicht nur bei Tankstellen ­ beauftragt werden, verfügen selbstverständlich über die für die jeweilige Meßaufgabe geeigneten Meßgeräte und protokollieren die bei dieser Arbeit anfallenden Daten. Diese dienen schließlich als Nachweis des Betreibers einer Anlage für die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben.

Zu 4. d): Angesichts der oben geschilderten Sachverhalte lässt sich derzeit kein Handlungsbedarf begründen.

Zu 5. a): Die in den bereits genannten Merkblättern I­III festgelegten Anforderungen an die technischen Einrichtungen bzw. deren Funktionsprüfung sollen die dem Stand der Technik entsprechende Emissionsminderung von VOC beim Tankvorgang sicherstellen. Es gibt bislang keine überzeugenden Hinweise darauf, dass die Gase aus dem Fahrzeugtank in unzureichender Weise erfaßt und nicht wieder in den Lagertank zurückgeführt werden.

Zu 5. b): Tankstellen sind grundsätzlich erlaubnisbedürftige Anlagen im Sinne der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten. Voraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis durch die Gewerbeaufsichtsämter ist, dass Tankstellen die in den Technischen Regeln für brennbare Flüssigkeiten genannten sicherheitstechnischen Anforderungen erfüllen. Vor Inbetriebnahme prüfen dies die amtlich anerkannten Sachverständigen des Technischen Überwachungsvereins Bayern Sachsen.

In Abständen von fünf Jahren erfolgen wiederkehrende Prüfungen durch die Sachverständigen.

Darüber hinaus machen die Bayerischen Gewerbeaufsichtsämter unangemeldete Betriebsbesichtigungen an Tankstellen. Weder bei den Sachverständigenprüfungen noch bei Betriebsbesichtigungen wurde festgestellt, dass Einfüll- und Gaspendelstutzen sowie Peileinrichtungen während des Tankstellenbetriebes offengehalten werden. Außerdem brächte ein Offenhalten keinerlei betriebstechnischen oder sonstigen Vorteil für den Tankstellenbetreiber.

Zu 6. a) und b): Wie bereits unter Nr. 3 ausgeführt, stellen die aerosolförmigen Emissionen beim Tankvorgang eine vernachlässigbare Umweltbelastung dar. Im Gegensatz zu Dieselkraftstoffen, die im übrigen nicht unter die Bestimmungen der 21. fallen, neigen Ottokraftstoffe nicht zu erheblicher Schaumbildung beim Tankvorgang.

Zu 6. c): Durch Einführung von Gasrückführsystemen sollen ja gerade weitere VOC-Emissionen aus dem Verkehrssektor unterbunden werden; insoweit ist die getroffene Feststellung nicht nachvollziehbar.

Zu 6. d) und e): Vgl. Antworten zu 4. a), 5. a) und b)

Zu 6. f): Die hier vorgenommene wirtschaftliche Abschätzung kann nicht nachvollzogen werden, da die hierfür verwendeten Ausgangsdaten und Voraussetzungen nicht mit angegeben wurden.

Zu 6. g): Die sicherheitstechnischen Anforderungen für Tankstellen haben sich seit vielen Jahren in der Praxis bewährt und sind so ausgelegt, dass auch in den Sommermonaten keine gesteigerten Explosionsgefahren auftreten, wie im übrigen auch die langjährigen Erfahrungen mit dem überaus dichten Tankstellennetz der Bundesrepublik belegen.

Schlußbemerkung:

Die in der schriftlichen Anfrage aufgeführten Behauptungen und Argumente sind der Staatsregierung im großen und ganzen seit langem bekannt. Sie werden immer wieder von einem in Lindau ansässigen Ingenieurbüro (Dipl.-Ing. Curtius) an die verschiedensten Bundes- und Länderbehörden herangetragen. Eine ausführliche Diskussion dieser Argumente in den einschlägigen Fachgremien, teilweise unter persönlicher Beteiligung von Herrn Dipl.-Ing. Curtius hat gezeigt, daß sie entwender nicht begründet sind bzw. die Effekte nur geringe Umweltrelevanz besitzen.