Wasserschutzgebiet Willing, Stadt Bad Aibling, Landkreis Rosenheim

Die verschärfte Anwendung der Mustersatzung für Wasserschutzgebiete durch das Landesamt für Wasserwirtschaft in der Gemarkung Willing, Stadt Bad Aibling, Lkr.

Rosenheim, hat zu großem Unmut bei den betroffenen Landwirten geführt und das Vertrauensverhält zu den Behörden erheblich belastet. Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung: l.a) Warum will das Landesamt für Wasserwirtschaft für 300 bis 500 ha landwirtschaftliches Nutzland ein totales Gülleausbringungsverbot erlassen, obwohl die Nitratwerte im Wasserschutzgebiet Willing auf ca. 12 mg gesunken sind und die Pflanzenschutzmittelwerte unter dem Schwellenwert liegen?

b) Welche Grundlagen bzw. Vorgaben haben zu dieser möglichen Einschränkung geführt bzw. geschah dies nur auf Verdacht?

c) Gibt es Fälle, in denen bereits so massive Einschränkungen auferlegt wurden, wenn ja, mit welcher Begründung?

2. Ist es bekannt, dass das Verbot die Bauern zwingt, auf die verbliebenen Restflächen umsomehr Gülle auszubringen?

3.a) Welcher Ausgleich wird den Landwirten für diese einschneidenden Maßnahmen, die eine existenzielle Bedrohung darstellen, geboten?

b) Wer gleicht den Verkehrswertverlust, der bis zu zwei Drittel ausmacht, aus?

4. Sind die Wasserwerkbetreiber willens und in der Lage, einen angemessenen Ausgleich zu leisten?

5. Geht die Staatsregierung gegen andere Wasserbeeinträchtigungen, z. B. defekte Kanalnetze, Luftimmissionen, Verlustöle, Tenside usw. ebenso konsequent vor?

6. Wie verhält sich das Landesamt für Wasserwirtschaft in Ballungszentren?

7. Wie oft ist in Bayern eine Beeinträchtigung des Wassers mit Kolibakterien festgestellt worden und worin lagen hierfür die Ursachen?

Antwort des Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen

Zur schriftlichen Anfrage nehme ich im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit wie folgt Stellung:

Aus dem Gewinnungsgebiet Willinger Au werden ca. 100.000 Einwohner der Stadt Rosenheim, Bad Aibling, Kolbermoor sowie angrenzende Gemeinden versorgt.

Das Gewinnungsgebiet ist für die Versorgung der Bevölkerung von überragender Bedeutung.

Für die Erweiterung des bestehenden Trinkwasserschutzgebietes Willinger Au der Städte Rosenheim, Bad Aibling und Kolbermoor werden die Antragsunterlagen vom Ingenieurbüro IGWU auf der Grundlage eines vorausgegangenen Grundwassermodells der TU München erstellt. Die Fachbehörden waren bislang in beratender Funktion tätig.

Die Verfahrensunterlagen liegen dem Landratsamt Rosenheim noch nicht vor, das Verfahren zur Ausweisung des Wasserschutzgebiets nach Art. 85 Abs.3 ist noch nicht eingeleitet.

Der vom Ing.-Büro erarbeitete Schutzgebietsplan und der Verordnungsentwurf wurde vom Unternehmensträger mit den betroffenen Landwirten im Vorfeld ausgiebig diskutiert.

Zu 1. a) und 1. b): Träger der Wasserversorgung und Antragssteller sind die beteiligten Kommunen. Der Schutzgebietsvorschlag wird von einem privaten Ingenieurbüro erarbeitet und hat sich an den allgemein gültigen Anforderungen an Wasserschutzgebiete zu orientieren. Die Fachbehörden wirken beratend mit.

Ein Gülleverbot in der engeren Schutzzone II richtet sich nicht vorrangig gegen Nitrateinträge, sondern gegen bakteriologische Gefährdungen.

Die engere Schutzzone hat den Sinn, Trinkwasser vor mikrobiellen Verunreinigungen zu schützen bzw. solche Verunreinigungen auf der Fließstrecke zwischen weiterer Schutzzone und Fassungsbereich zu beseitigen. Das Ausbringen insbesondere menschlicher oder tierischer Ausscheidungen in der engeren Zone würde diesem Schutzzweck zuwiderlaufen.

An dem Ausbringungsverbot sollte grundsätzlich festgehalten werden. Dies gilt ausnahmslos in den Fällen, in denen durch nicht genügend mächtige und nicht sicher flächendeckende Schutzschichten eine Gefährdung des Trinkwassers zu besorgen ist.

Ausnahmen sollten auf nachgewiesenermaßen sicher geschützte Trink- bzw. Grundwasservorkommen beschränkt werden, wobei zum Fassungsbereich aus sicherheits-, aber auch aus ästhetischen Gründen ein genügender Abstand (z.B. wegen Gefahr der Abschwemmung in den Fassungsbereich) eingehalten werden sollte.

In den Vorgesprächen wurde deutlich, dass vor allem gegen das Gülleverbot in einer engeren Schutzzone, die nach den Regeln der Technik bemessen ist, bei den Landwirten erheblicher Widerstand vorhanden war. Deshalb wurde vom Ing.-Büro ein Alternativvorschlag erarbeitet. Dieser sieht unter Einbeziehung der Deckschichten, entgegen den grundsätzlichen Empfehlungen des DVGW Arbeitsblattes W 101, eine Untergliederung der engeren Schutzzone in eine Zone II A und II B vor. Das Gülleverbot erstreckt sich jetzt nur noch auf die Zone II A.

Nach den Angaben des Ing.-Büros umfassen die einzelnen Schutzzonen folgende Flächen:

­ Die Schutzzone II A 55,5 ha (27 ha Rosenheim, 9,5 ha Bad Aibling, 19 ha Kolbermoor) und die Schutzzone II B 56 ha (23 ha Rosenheim, 13 ha Bad Aibling, 20 ha Kolbermoor).

­ Die Schutzzone III A wird auf 313 ha erweitert und die Zone III B mit 544 ha neu eingerichtet.

Das Gülleverbot betrifft nach dem Alternativvorschlag aber nur die 55,5 ha der Zone II A.

Der Vorschlag des Ing.-Büros bezüglich des Gülleverbotes in der Zone II A liegt ­ vorbehaltlich der noch anstehenden exakten Prüfung ­ bei der hier bestehenden geringmächtigen Grundwasserüberdeckung an der untersten, wohl gerade noch vertretbaren Grenze und stellt auf jeden Fall seitens der Kommunen ein großes Zugeständnis an die Landwirte dar.

Zu 1.c):

Das grundsätzliche Gülleverbot in der Schutzzone II ist bundesweit Standard.

Auf der Grundlage des DVGW Arbeitsblattes W 101 wird in der Regel bei allen laufenden Schutzgebietsverfahren das Gülleverbot in der engeren Schutzzone vorgeschlagen. Ausnahmen kommen nur bei besonders wirksamen Deckschichten (über 6 m mächtig) und sehr groß bemessenen Fassungsbereichen in Betracht.

Zu 2.: Das Verbot der Ausbringung von Wirtschaftsdüngern auf brunnennahen Teilbereichen der Wasserschutzgebiete hat zur Folge, dass die entsprechenden Düngemengen anderweitig verwertet werden müssen. Gegen eine zeit- und bedarfsgerechte Ausbringung auf anderen Flächen (innerhalb und außerhalb des Schutzgebietes) im Rahmen einer ordnungsgemäßen, grundwasserverträglichen Landbewirtschaftung bestehen keine Einwendungen.

Von den Stadtwerken Rosenheim war auf Anfrage zu erfahren, dass man dort gerne bereit ist, bei der Organisation einer sinnvollen Verteilung und Verwertung von Wirtschaftsdünger mitzuwirken.

Wenn für die betroffenen Landwirte ein erhöhter Aufwand entsteht, sind gem. § 19 Abs. 4 WHG Ausgleichszahlungen zu leisten (vgl. Frage 3).

Eine Ausbringung der Gülle über die Mengen nach guter fachlicher Praxis hinaus ist rechtswidrig.

Zu 3.: a) Setzt eine Anordnung (Verbote der Beschränkung in Wasserschutzgebietsverordnungen) erhöhte Anforderungen fest, die die ordnungsgemäße land- oder forstwirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks beschränken, so ist für die dadurch verursachten wirtschaftlichen Nachteile ein Ausgleich zu leisten (§ 19 Abs. 4 WHG).

Zur Höhe der Ausgleichsleistungen wird auf die Empfehlungen in der gemeinsamen Bekanntmachung des Staatsministeriums des Innern und Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 06.06.88, i.d.F. vom 12.06.90 hingewiesen.

Stellt eine Anordnung einer Wasserschutzgebietsverordnung eine Enteignung dar, so ist dafür eine Enteignungsentschädigung zu leisten, deren Höhe sich nach Gegebenheiten des Einzelfalls richtet.

b) Befugnisse zur Nutzung oder Benutzung von Grundstükken unter liegen einer Sozialbindung. Alle Arten der Nutzung und Benutzung müssen der jeweiligen Lage des Grundstücks, seiner Situation und der sich daraus im allgemeinen Interesse ergebenden Situationsgebundenheit entsprechen. Eine Beschränkung, die die Sozialgebundenheit lediglich konkretisiert, löst keine Entschädigungspflicht aus.

Nutzungsbeschränkungen durch Wasserschutzgebietsverordnungen nach § 19 Abs. 2 WHG konkretisieren in der Regel die Sozialgebundenheit des Grundeigentums und stellen daher regelmäßig keine enteignende Maßnahme nach § 19 Abs. 3 WHG dar.

Nach der Rechtsprechung besteht die Enteignung in einem auf die vollständige oder teilweise Entziehung subjektiver Rechtspositionen zielenden staatlichen Eingriff zur Verwirklichung von übergeordneten Allgemeinwohlinteressen. Art. 14 GG schützt den Eigentümer nur gegen Beeinträchtigungen seiner Rechtsposition. Eine Enteignung kann daher nur vorliegen, wenn in Befugnisse des Eigentümers eingegriffen werden, die rechtlich zum Inhalt seines Eigentums gehören. Soweit lediglich Erwerbschancen als eigentumsrechtlich nicht verfestigte Positionen betroffen werden, scheidet ein Entschädigungsanspruch aus.

Ein eventueller Verkehrswertverlust eines Grundstücks durch Verbote oder Beschränkungen in Wasserschutzverordnungen fällt unter die Sozialbindung des Eigentums und stellt keine entschädigungspflichtige Enteignung dar.

Zu 4.: Die Ausgleichspflicht ist gesetzlich verankert. Im übrigen werden seit Jahren derartige Ausgleichszahlungen durch die Wasserversorgung Rosenheim, Bad Aibling und Kolbermoor geleistet.

Zu 5.: ja.

Zu 6.: Nutzungseinschränkungen und Verbote in Trinkwasserschutzgebieten sind unter Berücksichtigung der örtlichen hydrogeologischen Verhältnisse auch nach den Maßgaben der Richtlinien für Trinkwasserschutzgebiete (DVGW Arbeitsblatt W 101) festzulegen.

In Ballungszentren sind in der Regel keine Trinkwassergewinnungen möglich.

Bei vorhandenen älteren stadtnahen Anlagen werden ggf. Untersuchungen und Sanierungspläne gefordert. Soweit vorhandene Gefährdungspotentiale nicht beseitigt oder vermindert werden können (z.B. Umsiedlung von Gewerbegebieten aus dem Gewinnungsgebiet der Stadt Augsburg) kann es dazu führen, dass eine Anlage als nicht oder nur teilweise schützbar eingestuft wird. Teilweise führte das dazu, dass die Entnahmerechte drastisch eingeschränkt werden müssen (Bamberg, Fürth, Schweinfurt). Die Folgen für die Kommunen sind teilweise gravierend.

Zu 7.: In den Jahren 1994 und 1995 wurden bei 347 Wassergewinnungsanlagen Fäkalidikatorbakterien (Coli, Coliforme) im Trinkwasser zentraler Versorgungsanlagen nachgewiesen.

Die Landesuntersuchungsämter für das Gesundheitswesen haben im gleichen Zeitraum aus dem gleichen Grund etwa 10 % Wasserproben aus zentralen Anlagen beanstandet.

Hauptursache für fäkale Verunreinigungen des Trinkwassers sind fehlende (z.B. Karst) oder zu geringe Deckschichten, also mangelnde Schützbarkeit des Trinkwassers.

Der eigentliche Anlaß für die bei diesen ungünstigen hydrogeologischen Bedingungen aufgetretenen fäkalen Verunreinigungen ­ soweit ein solcher festgestellt werden konnte ­ ist überwiegend im landwirtschaftlichen Bereich zu suchen (Ausbringen von Wirtschaftsdünger). Weitere, zahlenmäßig weniger oder nicht ins Gewicht fallende Ursachen sind Mängel an der Gewinnungsanlage, Hochwasserereignisse bzw. Beeinflussung durch Oberflächenwasser bei Starkregen.