Ich frage die Staatsregierung Was hält die Staatsregierung von dem vorgeschlagenen Maßnahmenkatalog zur Verhinderung

Lt. Zeitungsmeldung des Traunsteiner Wochenblattes vertrat der Verbandsvorsitzende Lorenz Kollmannsberger die Auffassung Verlandungen dürften nicht länger hingenommen werden, da es genug technische Möglichkeiten gebe, um diese aufzuhalten. Ein anderes Verbandsmitglied hat einen Katalog von Maßnahmen schon vor längerem vorgeschlagen. mit dem die Geschwindigkeit der Verlandung reduziert werden sollte.

Ich frage die Staatsregierung:

Was hält die Staatsregierung von dem vorgeschlagenen Maßnahmenkatalog zur Verhinderung bzw. zur Verlangsamung der Verlandung der Hirschauer Bucht am Chiemsee:

1. Aufweitung des Achedeltas, wie bereits vom Wasserwirtschaftsamt 1985 geplant?

2. Entnahme von größeren Mengen Kies an der Deltawurzel oder im Delta, wie in der Chiemseestudie angeregt, z.B. beim Ausbau der Autobahnstandspur und der Regenrückhaltebecken an der A 8?

3. Ausbau und Erweiterung der Kiesfalle auf beiden Seiten der Ache; Beteiligung von privaten Unternehmern?

4. Renaturierung des Flußlaufes dort, wo es noch möglich ist; Zurückverlegung der Achedämme und Schaffung von Überschwemmungsräumen?

5. Verbauungsmaßnahmen entlang des Rothgrabens, oberhalb der Straßenbrücke der Staatsstraße 2096, so daß weitere Ausschwemmungen von Torf und Moor verhindert werden.

6. Verminderung des Nährstoffeintrags in den See durch extensive Bewirtschaftung der Felder in den Ufergebieten, entlang der Bachläufe und der Drainagegräben des Grabenstätter und Bergener Mooses, des Lindbodens, des Lachsganges sowie der Schöneggart in Feldwies?

7. Räumung und Säuberung des Ostufers von Hagenau bis Arlaching durch die zuständigen Behörden und Verwaltungen?

8. Aufklärung der Acheanlieger in Tirol und Bayern über unsere Probleme am Chiemsee?

Antwort des Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen

Zu 1.: Aufgrund von in der Vergangenheit von verschiedenen Seiten erhobenen Forderungen, der Tiroler Ache, dem Hauptzufluß und Hauptlieferant für Geschiebe und Schwebstoff des Chiemsees, Möglichkeiten zu einer räumlich begrenzten Ausuferung einzuräumen, stellte im Jahre 1985 das Wasserwirtschaftsamt Traunstein einen Bauentwurf für die Öffnung eines Altwasserarmes bei Fluß-km 0,4 rechtes Ufer auf. In diesem Altwasser sollte wenigstens ein Teil des schwimmenden Unrats sowie die Schwemm- und Schwebstoffe zurückgehalten werden, bevor sie den See erreichen. Der nach Durchführung der Maßnahme dann geöffnete Seitenarm fließt nach Nordosten zur Hirschauer Bucht und berührt das Gemeindegebiet von Grabenstätt. Die Gemeinde Grabenstätt äußerte damals Bedenken wegen einer möglichen Zunahme der Verlandungsgeschwindigkeit der Hirschauer Bucht. Diese Bedenken waren nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Das Vorhaben wurde daher von seiten der Wasserwirtschaftsverwaltung nicht weiterverfolgt.

Sollte dieser Gedanke wieder aufgegriffen werden, müßte eine wasserrechtliche Planfeststellung eingeleitet werden. Das Ergebnis eines wasserrechtlichen Verfahrens ist offen.

Zu 2.: Nach neueren Betrachtungen beträgt heute die mittlere jährliche Deltaanlandung 110.000 bis 120.000 m3, woran das Geschiebe mit etwa 10.000 bis 20.000 m3, der Schwebstoff mit 100.000 m3 beteiligt ist.

Aus wasserwirtschaftlicher Sicht ist eine Kiesentnahme aus dem Achedelta grundsätzlich möglich, jedoch sprechen nachfolgende Gründe gegen die Entnahme aus dem Achedelta:

­ Schwerwiegende Bedenken werden vor allem seitens des Naturschutzes und der Fischerei vorgebracht. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung von der Naturschutzgebietsverordnung sind nicht gegeben.

­ Die Erwartungen bezüglich Quantität und Qualität des abgelagerten Materials und somit die Wirtschaftlichkeit der Kiesgewinnung lassen sich bei einem Kies-Schlickverhältnis von ca. 1 : 4 nicht bestätigen.

­ Vor dem Beginn der Entnahme müßten insbesondere aus der Sicht der Wasserwirtschaft sowie des Naturschutzes weitere Untersuchungen durchgeführt werden; ebenso müßte eine landesplanerische Überprüfung durchgeführt werden.

­ Im Bereich südlich des Chiemsees stehen grundsätzlich Alternativen für den Abbau von Kies zur Verfügung.

Nach neuesten Informationen verfolgt die Autobahndirektion Südbayern eine Kiesentnahme aus dem Naturschutzgebiet Mündungsgebiet der Tiroler Ache nicht weiter. Die benötigten Kiesmengen können aus dem Bereich Rohrdorf bezogen und über die Autobahn transportiert werden. Die Ortschaften am Chiemsee werden somit nicht vom Durchgangsverkehr mit Kiestransportern belastet.

Zu 3.: Der Geschiebeeintrag in den Chiemsee wird bereits jetzt durch den oberhalb Fluß-km 3,0 in den Jahren 1980/81 mit einem Kostenaufwand von 1,3 Mio DM errichteten Kiesfang (= Aufweitung des Flußquerschnittes) reduziert. Jährlich werden dort ca. 20­30 000 m3 Kies zurückgehalten und entnommen. Der Schwebstofftransport lässt sich dadurch allerdings nicht beeinflussen.

Bei der Räumung der Kiesfalle werden bereits private Unternehmen beteiligt. Es ist geplant, den Kiesfang durch eine Aufweitung auf der linken (= westlichen) Flußseite der Tiroler Ache zu vergrößern, um den Kiesrückhalt noch zu verbessern. Bislang scheiterten diese Bemühungen daran, dass es nicht möglich war, die dort befindlichen Weiderechte abzulösen.

Zu 4.: Das Korrektionsgerinne der Tiroler Ache ist so bemessen, daß im wesentlichen ein Gleichgewichtszustand entsteht, d.h. es treten keine unerwünschten Eintiefungen oder Auflandungen im Flußbett auf. Eine Rückverlegung der Deiche mit dem Ziel, Retentionsräume für Hochwasser zu schaffen, würde dieses Gleichgewicht erheblich stören. Es ist außerdem davon auszugehen, dass die Zurückverlegung der Deiche für die Retentionswirkung ohne große Bedeutung bliebe, da die landwirtschaftliche Nutzung dort großzügige Überflutungsflächen nicht zulassen wird. Nach unseren bisherigen Erfahrungen sind die Landwirte nicht bereit, Flächen, die über das unbedingt notwendige Maß der derzeit laufenden Deichsanierung hinausgehen, bereitzustellen.

Zu 5.: Der Oberlauf des Rothgrabens ist die Weißache, ein stark geschiebe- und schwebstofführender Wildbach. In seinem Unterlauf fließt er durch ein Moorgebiet. Das Wasserwirtschaftsamt Traunstein hat in den letzten Jahren im Oberlauf der Weißache mehrere Sperren zur Sicherung von rutschgefährdeten Hängen gebaut und auf diese Weise einem verstärkten Feststoffaustrag entgegengewirkt. Oberhalb des Schluchtlaufes und vor dem Eintritt in das Bergener Moos befinden sich Kiesfänge, die einen erheblichen Teil der Feststoffe zurückhalten. Über den Rothgraben gelangen dann im wesentlichen nur noch Feinsand, Schweb- und organische Stoffe aus dem Moor in die Hirschauer Bucht. Über die Feststofffrachten ist nichts bekannt. Das Wasserwirtschaftsamt Traunstein hat deshalb Anfang des Jahres 1995 am Rothgraben eine Schwebstoffmeßstelle eingerichtet und in Betrieb genommen.

Es werden ferner Überlegungen zur Renaturierung des Rothgrabens bzw. der Weißache im Moorbereich angestellt. Wir gehen aber davon aus, dass der Feststoffeintrag nicht nennenswert reduziert werden kann und weitere bauliche Maßnahmen den Verlandungsvorgang der Hirschauer Bucht nicht spürbar beeinflussen.

Zu 6.: Für die Verlandung des Chiemsees ist hauptsächlich der Eintrag von Feststoffen ­ im wesentlichen Schwebstoffe ­verantwortlich. Das durch den Nährstoffeintrag begünstigte Wachstum von Algen und Wasserpflanzen ist von untergeordneter Bedeutung. Dies gilt auch für die Hirschauer Bucht, wenn hier auch der biogene Anteil an der Verlandung etwas höher anzusetzen ist. Eine Verminderung der Nährstoffeinträge mit dem Ziel, die Verlandung der Hirschauer Bucht zu bremsen, bliebe weitgehend wirkungslos.

Unabhängig davon ist es aus Sicht des Gewässerschutzes dringend erforderlich, den durch die Landwirtschaft verursachten Nährstoffeintrag zu reduzieren. Dies darf sich jedoch nicht nur auf die ufernahen Zonen und die Moore beschränken, sondern muss das gesamte Einzugsgebiet umfassen.

Eine Extensivierung der Landnutzung trägt sicher zur Nährstoffentlastung des Chiemsees bei.

Zu 7.: In der Vergangenheit beseitigte das Wasserwirtschaftsamt Traunstein auf der Grundlage des Art. 42 Abs. 5 wiederkehrend mit Unterstützung der betroffenen Gemeinden Unrat und Treibholz von der Wasserfläche. So wurden allein im Jahr 1995 im Bereich des Ostufers drei Räumaktionen durchgeführt, bei denen 600 m3 Treibholz und 6 m3 Unrat von den Wasserflächen entfernt worden sind.

Außerhalb der den Badestränden vorgelagerten Wasserflächen werden von seiten der Wasserwirtschaftsverwaltung grundsätzlich keine Räumarbeiten durchgeführt, da naturschutzfachliche Belange hier entgegenstehen.

Die mit einer Entnahme von Treibholz im Bereich der Hirschauer und der Hagenauer Bucht verbundenen Vorteile (geringere mechanische Beschädigung des Schilfs, Optik) stehen in keinem Verhältnis zu den damit verbundenen ökologischen Nachteilen (Erschließung der Bereiche, Befahren von Schilfbeständen, Betreten von Schilfbeständen bei Holzsammelaktionen).

Bei einer im November 1994 durchgeführten Ortsbegehung war festzustellen, dass Holz bei Hochwasser zwar z.T. auch hinter den kiesigen Spülsaum getragen wird, das Schilf dort z.T. auch umgeknickt ist, insgesamt gesehen der Schilfbestand aber gesichert ist (alte Holzablagerungen waren vom Schilf größtenteils wieder überwachsen).

Zu 8.: Bayern pflegt seit langem einen wasserwirtschaftlichen Meinungs- und Erfahrungsaustausch mit seinen österreichischen Nachbarn. Dies erfolgt vor allem im Rahmen der Gesprächsgruppe Bayern­Tirol sowie der Ständigen Gewässerkom mission nach dem Regensburger Vertrag (wasserwirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Republik Österreich im Einzugsgebiet der Donau) bzw. der zugeordneten Arbeitsgruppen. Thema der letzten Jahre war dabei u.a. die Nährstoffelimination bei Tiroler Abwasseranlagen im Einzugsgebiet des Chiemsees. In der letzten Sitzung der Sachverständigen-Arbeitsgruppe Wassermengenwirtschaft, Wasserbau im Rahmen der o.g. Ständigen Gewässerkommission wurde im Februar 1995 auch die Verlandung des Chiemsees und der damit zusammenhängende Feststofftransport der Tiroler Ache bzw. der Großache angesprochen. Österreich sagte zu, die Sachlage auf Tiroler Seite zu prüfen. Eine entsprechende Äußerung Österreichs steht noch aus.

Über diese bilateralen Beziehungen zwischen Bayern und Österreich hinaus haben Vertreter Tirols an der 4. Chiemseekonferenz im November 1994 teilgenommen und aktiv mitgewirkt. Die Verlandung des Chiemsees war ein Thema dieser Konferenz, das unter dem Motto Wasserqualität und Landschaftsbild am Chiemsee stand.