Gebührenerhebung von seiten des Freistaats Bayern für Einrichtungen am Bodensee

In der Lindauer Zeitung vom 11.8.1995 stand in einem Artikel zu lesen, dass der Bodensee völkerrechtliches Niemandsland sei, weil sich die drei anliegenden Länder nie auf rechtsverbindliche Grenzen geeinigt hätten. Daraus ergibt sich, daß auch der Anteil Bayerns am Bodensee unklar ist. Es ist darum anzuzweifeln, dass der Freistaat für den 18 km langen Uferstreifen zwischen Lindau und Nonnenhorn Gebühren verlangen darf. Dies hatte auch das Lindauer Amtsgericht 1991 anhand alter Verträge und Urkunden herausgefunden und in einer Streitsache entsprechend entschieden. Konsequenzen daraus wurden allerdings nicht gezogen, weil das Finanzministerium im Landtag der Richtermeinung widersprach. Wegen geringen Streitwerts konnte keine Berufung eingelegt werden.

Jetzt haben renommierte Juristen (ehem. Bundesrichter Karl Schweiger, Prof. Franz Knöpfle, Prof. Hans Nawiasky) das Urteil des Lindauer Amtsgerichtes bestätigt.

Ich frage die Staatsregierung:

1. Sollen weiterhin Gebühren für Badehäuschen, Bootsstege und Bojen erhoben werden, die seit Mitte der 80er Jahre unrechtmäßig eingeführt worden sind.

2. Falls nein, was geschieht mit den bisher kassierten Gebühren?

3. Wie will sie die Besitzverhältnisse klären und welche Schritte sind eingeleitet?

Antwort des Staatsministeriums der Finanzen

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat mit Beschluß vom 29.06.1989 entschieden, dass im Bereich des bayerischen Anteils am Bodensee jedenfalls die im ufernahen Bereich gelegenen Gewässerbereiche (sog. Halde) im Eigentum des Freistaats Bayern stehen (vgl. im einzelnen NJW 1989, 2475). Die gegen den Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichtes eingelegte Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht hat dieses mit Beschluß vom 10.10.1989 als unzulässig abgelehnt. Sonach ist die Frage der Eigentumsverhältnisse am ufernahen Gewässerbereich des Bodensees abschließend entschieden.

Ein Urteil des Amtsgerichts Lindau aus dem Jahre 1991, das zu einem entgegengesetzten Ergebnis gekommen sein soll, ist dem Staatsministerium der Finanzen nicht bekannt. Vermutlich handelt es sich aber um ein Urteil vom 12.07.1990, in dem das Amtsgericht Lindau dem vorgenannten Beschluß des Bayer. Obersten Landesgerichtes widersprochen und die Klage des Freistaates Bayern abgewiesen hat. Ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil war wegen des zu geringen Streitwertes nicht möglich.

Die Klägerin nahm dieses Urteil zum Anlaß einer Klage gegen den Freistaat Bayern auf Feststellung, dass dieser nicht Eigentümer der Gewässerfläche des Bodensees sei, auf der sich ihre See-Einbauten befinden. Das Amtsgericht Lindau hat in diesem Folgeprozeß zur Frage der Eigentumsverhältnisse am Bodensee ein Sachverständigengutachten des für Ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg, eingeholt. Nach Ansicht des besteht jedenfalls für den Bereich des Uferstreifens (Halde) regionales Völkergewohnheitsrecht mit dem Inhalt, dass der Uferstreifen zum Hoheitsgebiet des jeweiligen Anrainerstaates gehört. Aus der Gebietshoheit des Freistaates Bayern folgt nach Ansicht des Max-Planck-Institutes völkerrechtlich die umfassende Befugnis, die Eigentumsverhältnisse an dem Uferstreifen zu regeln. Das Amtsgericht Lindau ­ im übrigen der gleiche Richter, der das Urteil vom 12.07.1990 erlassen hat ­ folgte nunmehr der Ansicht des Max-Planck-Institutes und regte eine vergleichsweise Regelung der Angelegenheit an. Die Klägerin erkannte hiernach das Eigentum des Freistaats Bayern an und schloß mit der Schlösserverwaltung den üblichen Gestattungsvertrag über See-Einbauten.

Im übrigen ist es nicht zutreffend, dass das Urteil des Amtsgerichts Lindau vom 12.07.1990 von renommierten Juristen bestätigt wurde. Vielmehr hat Herr Dr. Schweiger, der Mitherausgeber des Kommentars, Nawiasky/Schweiger/ Knöpfle, Bayer. Verfassung, zu diesem Problem einen Leserbrief an den Münchner Merkur gerichtet, der am 28.08.1995 veröffentlicht wurde. Dr. Schweiger hat darin die in der Berichterstattung des Münchner Merkurs getroffene Aussage, dass er die Berechtigung des Freistaats Bayern zur Gebührenerhebung für die Nutzung des bayerischen Uferstreifens anzweifelt, als nicht richtig bezeichnet. Gleichzeitig hat er angekündigt, er werde das Thema in seinem Kommentar in der im Herbst erscheinenden Ergänzungslieferung besprechen. Allerdings liegt diese Ergänzungslieferung derzeit noch nicht vor.

Hieraus ergibt sich für die einzelnen Fragen folgendes:

Zu 1. und 2.: Der Freistaat Bayern erhebt im Rahmen eines zivilrechtlichen Gestattungsvertrages im Uferbereich für See-Einbauten rechtmäßig Nutzungsentgelte. Diese Entgelte werden aus der Eigentümerstellung erhoben, wenn die Nutzung des ufernahen Bereichs über den Gemeingebrauch hinausgeht (Stege, Badehäuschen usw.).

Zu 3.: Die Eigentumsverhältnisse im ufernahen Bereich des Bodensees sind zugunsten des Freistaats Bayern geklärt; ein weiterer Klärungsbedarf besteht nicht.