Sie haben sich zu Ehren der Toten von Ihren Plätzen erhoben

Bayerischer Landtag · 13. Wahlperiode Plenarprotokoll 13/1 v. 20.10. der vergangenen Legislaturperiode als amtierende Abgeordnete aus dem Leben geschieden sind.

(Die Anwesenden erheben sich)

Das waren Herr Heinz Leschanowsky und Herr Dr. Martin Haushofer. Beide haben sich als langjährige Mitglieder des Parlaments mit ihrer ganzen Kraft zum Wohle unseres Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger eingesetzt. Der Bayerische Landtag wird den verstorbenen Kollegen ein ehrendes Gedenken bewahren.

Sie haben sich zu Ehren der Toten von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bewährtem parlamentarischem Brauch folgend, darf ich nun als Alterspräsidentin einige Worte an Sie richten. Die Ausübung dieses ehrenvollen Amtes ist nicht mein Verdienst, sondern allein die Tatsache, dass ich unter den hier Versammelten die Älteste bin, lässt mir diese Ehre zuteil werden.

Ich will aber deshalb keine weisen Ermahnungen erteilen, sondern Ihnen nur einige Gedanken vortragen, die mich und vielleicht auch andere in dieser Stunde bewegen.

In der 175jährigen Tradition des bayerischen Parlaments trägt der heutige Tag einen besonderen Akzent. Zum ersten Mal wird der Bayerische Landtag von einer Frau eröffnet. Mit einem guten Fünftel ist der Anteil der Kolleginnen so groß wie nie zuvor in der Geschichte der bayerischen Volksvertretung.

(Beifall)

Damit trägt langsam, aber kontinuierlich Früchte, was heuer vor 75 Jahren begonnen hat. Am 12. Januar 1919 fanden in Bayern die ersten Wahlen statt, bei denen die Frauen das aktive und passive Wahlrecht hatten. Der Tag heute ist ein ermutigendes Zeichen dafür, dass Frauen in Gesellschaft und Politik in verstärktem Maße Verantwortung tragen. In der ersten Legislaturperiode nach dem Krieg waren es nur fünf Kolleginnen, heute sind wir 43.

Am 25. September haben die bayerischen Wählerinnen und Wähler uns Abgeordneten mit ihrer Stimme das Vertrauen ausgesprochen. Unsere Aufgabe ist es nun, dieses in uns gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen und in den kommenden Jahren erneut unter Beweis zu stellen, daß unsere parlamentarische Demokratie fähig ist, die drängenden Probleme der Gegenwart zu lösen. Der Ort, an dem der Wettbewerb um die besseren Ideen ausgetragen werden soll, ist das Parlament. Wer eine lebendige und kraftvolle Volksvertretung haben will, weiß, dass die politische Auseinandersetzung die Würze eines Parlaments ist.

Bei aller notwendigen Gegensätzlichkeit und bei allem unvermeidlichen Aufeinanderprallen unterschiedlicher Meinungen dürfen wir aber das Gemeinsame nicht aus den Augen verlieren. Der demokratische Grundkonsens, der bei feierlichen Gelegenheiten immer wieder beschworen wird, sollte auch im Alltag zum Tragen kommen.

Respekt und Achtung vor der Meinung des anderen können wir nur dann von der jüngeren Generation und von der Gesellschaft allgemein einfordern, wenn wir selbst mit gutem Vorbild vorangehen. Ich bin davon überzeugt und habe es oft erlebt, dass die unterschiedlichen Temperamente der bayerischen Stämme Werte wie Mitmenschlichkeit, Freundlichkeit, ja, sogar Freundschaft nicht ausschließen. Ich wünsche mir und uns allen deshalb, dass wir uns in diesem Hause mit Respekt begegnen, dem anderen zuhören, seine Meinung abwägen und prüfen, bevor wir sie vorschnell verwerten, und daß wir bereit sind, auch voneinander zu lernen. Das gilt für alle Seiten des Hauses.

Umfragen unter jungen Menschen haben gezeigt - Sie alle wissen das -, dass sie es abstoßend finden, wenn Politiker nur streiten. Ich plädiere deshalb dafür, dass wir im politischen Gegner nicht den Feind sehen, sondern uns um Toleranz und menschliche Achtung bemühen.

Das kann der Autorität des Parlaments nur zuträglich sein.

Gerade am Beginn der Arbeit eines neuen Landtags vielleicht haben Sie das schon gespürt -, werden an uns Abgeordnete von außen sehr hohe Erwartungen gerichtet.

Leider können wir sie nicht alle erfüllen, denn wir sind entsprechend dem Verfassungsauftrag zwar auch Anwälte einzelner Bürger, aber ebenso Vertreter des ganzen Volkes. Wie sehr und wie ertolgreich wir uns für beides einsetzen, entscheidet maßgeblich mit über die Zustimmung, die wir draußen im Lande finden werden. Ich kann uns allen nur wünschen, dass sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger mit ihren Sorgen und Hoffnungen in dem wiedertinden, was wir in diesem Hohen Hause diskutieren, beraten und beschließen werden.

Erlauben Sie mir noch einen letzten Hinweis: Der Ertolg des Parlaments hängt auch davon ab, inwieweit es gelingt, mit den parlamentarischen Instrumentarien, die uns zur Verfügung stehen, vernünftig umzugehen und sie in weiser Selbstbeschränkung maßvoll einzusetzen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bin zuversichtlich, daß wir die Kraft haben, dem Auftrag gerecht zu werden, der uns neu oder erneut hierher geführt hat. In diesem Sinne und mit Gottes Hilfe lassen Sie uns die Arbeit beginnen. Ich wünsche dem 13. Bayerischen Landtag ein erfolgreiches Wirken zum Wohle unseres Freistaates Bayern und seiner Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich lasse nun, wie es in § i Absatz 2 der Geschäftsordnung vorgesehen ist, die Namen der gewählten Abgeordneten aufrufen und bitte die Kolleginnen und Kollegen, mit einem deutlichen Ja auf ihren Namensaufruf zu antworten.

Ich darf nun die Schriftführerin zu meiner Rechten, Frau Kollegin Aigner, bitten, sich ans Rednerpult zu begeben und mit dem Aufruf der Namen der Abgeordneten zu beginnen.

(Folgt Namensaufruf) Plenarprotokoll 13/1 v. 20.10.94 Bayerischer Landtag · 13. Wahlperiode 5

Vielen Dank, Frau Schriftführerin. Die Meldungen waren nicht immer ganz deutlich zu verstehen. Fehlen zwei, drei oder vier Abgeordnete?

(Zuruf: Fünf!)

- Fünf fehlen. Ich stelle fest, dass von den 204 Mitgliedern des Landtags 199 Abgeordnete anwesend sind. Damit darf ich die Beschlußfähigkeit des Hohen Hauses feststellen.

Meine Damen und Herren, wir treten in die Tagesordnung ein. Als ersten Punkt rufe ich auf: Tagesordnungspunkt 1

Genehmigung der Tagesordnung

Wird zu diesem Tagesordnungspunkt das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen.

Wer mit dieser Tagesordnung einverstanden ist, den bitte ich ums Handzeichen. - Gegenstimmen? -Enthaltungen? Keine. Damit ist die Tagesordnung einstimmig angenommen.

Ich rufe auf: Tagesordnungspunkt 2

Vorläufige Übernahme der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag in der letzten Fassung

Nach Artikel 20 Absatz 3 der Bayerischen Vertassung gibt sich der Landtag eine Geschäftsordnung. Nach ständiger Übung hat der Bayerische Landtag in seiner konstituierenden Sitzung stets darüber Beschluß gefaßt, die bisherige Geschäftsordnung wenigstens vorläufig zu übernehmen.

Die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN hat sieben Anträge zur Änderung der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags eingebracht. Ich verweise insoweit auf die Ihnen vorliegenden Drucksachen Nummern 13/1 bis 13/7.

Besteht damit Einverständnis, dass nur über den Antrag, über den heute entschieden werden muß, diskutiert und. abgestimmt wird? Dies ist nach unserer Auffassung nur der Antrag auf Drucksache 13/1, mit dem ein zusätzlicher Vizepräsident beantragt wird und wonach für die Wahl des Präsidiums anstelle des Vertahrens der Verteilungsschlüssel nach Hare-Niemeyer gelten soll.

Besteht mit meinem Vorschlag Einverständnis?

(Zuruf vom Bündnis 90/DIE GRÜNEN: Ja!)

- Gut. Werden die Anträge begründet?

(Frau Lödermann (Bündnis 90/DIE GRÜNEN): Nur Antrag 1!)

- Nur Antrag 1. Dann darf ich Frau Kollegin Lödermann das Wort erteilen.

Frau Lödermann (Bündnis 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Gewährleistung des demokratischen Mindeststandards in Bayern machte in den vergangenen Legislaturperioden des öfteren die Anrufung des Bayerischen Vertassungsgerichtshofs ertorderlich.

Das war insbesondere dann der Fall, wenn es um die Minderheiten rechte der kleineren Oppositionsfraktionen und um die Verteilung der sogenannten Restmandate ging.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat mit seiner Entscheidung vom 24. April 1992 festgestellt, dass die bis dato ausschließlich von der Mehrheitsfraktion vertretene und diese enorm begünstigende siebenfache Anwendung des Höchstzahlverfahrens gegen die Bayerische Vertassung verstößt. Der Vertassungsgerichtshof hatte dazu in einem Leitsatz ausgeführt - ich zitiere -: Die Verteilung der Abgeordnetenmandate muß möglichst genau die Kräfteverhältnisse der im Landtag vertretenen Parteien entsprechend der Zahl der für sie landesweit abgegebenen gültigen Stimmen widerspiegeln. Das, was der Bayerische Verfassungsgerichtshof hier auf Antrag der Oppositionsfraktionen betonen mußte, ist unter Demokraten eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Aber es bedurfte erst der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes, dass der offenkundige Mißstand in Bayern abgestellt und das Landeswahlgesetz entsprechend geändert wurde.

Ebenso selbstverständlich ist es für uns, dass mit der Entscheidung auch die Praxis der achtfachen Anwendung des Zählverfahrens moniert wurde, auch wenn sich der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung damit nicht explizit befaßt hat. Wenn ich von einer achtfachen Anwendung des Verfahrens spreche, meine ich damit, dass die CSU das Verfahren weiterhin in der Geschäftsordnung haben möchte, wenn es um die Besetzung der Ausschüsse, um die Ausschußvorsitzenden und ihre Stellvertreter und um die Besetzung des Präsidiums geht.

Deswegen habe ich von einer achtfachen Anwendung des Zählverfahrens gesprochen.

Die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes ist der schlichte und einfache Grund dafür, dass die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, die in diesem Landtag zum ersten Mal entsprechend der für sie landesweit abgegebenen Stimmen vertreten ist, eine Anpassung der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtags beantragt, die geradezu zwingend eine Konsequenz der verfassungsgerichtlichen Entscheidung darstellt. Es macht nämlich keinen Sinn, dass einerseits vom Verfassungsgerichtshof eine Korrektur des Landeswahlgesetzes erzwungen wird und andererseits hier im Bayerischen Landtag die demokratischen Unsitten fortgesetzt werden, wenn es um die Besetzung des Präsidium und der Ausschüsse des Landtags geht.

(Beifall beim Bündnis 90/DIE GRÜNEN) Bayerischer Landtag · 13. Wahlperiode Plenarprotokoll 13/1 v. 20.10.

Das Parlament würde der Demokratie im Freistaat Bayern und dem Schutz der Minderheitenrechte ein weithin sichtbares Armutszeugnis ausstellen, wenn die Mehrheitsfraktion ihre Mehrheit neuerlich mißbrauchen und die Rechte und Handlungsmöglichkeiten der kleineren Oppositionsfraktion - von den kleinen Fraktionen sind ja nur wir übrig geblieben, und wir sind verstärkt in den Landtag eingezogen - so einschränken würde, wie es nicht dem Wählerwillen und dem tatsächlichen Wahlergebnis entspricht.

Wir beantragen deswegen mit dem Ihnen heute zur Abstimmung vorliegenden Antrag die Gleichstellung der kleinen Oppositionsfraktion, nämlich von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, im Präsidium durch Stellung einer Vizepräsidentin bzw. eines Vizepräsidenten; das ist der Antrag, über den heute entschieden wird.

In Satz 1 des Antrags wird gefordert, dass eine geschlechtsneutrale Bezeichnung in § 8 der Geschäftsordnung eingeführt wird. Die alten Kolleginnen und Kollegen werden sich sicher an das Trauerspiel erinnern, das wir am 13. Juli 1994 erleben mußten, als nach sehr vielen Beratungen im Geschäftsordnungsausschuß in den vergangenen vier Jahren über eine geschlechtsneutrale Formulierung der Geschäftsordnung abgestimmt wurde.

Was damals geboten wurde, war in weiten Teilen wirklich Realsatire.

(Dr. Weiß (CSU): Wärt ihr halt vollzählig gewesen!) Deswegen ist auch von der Mehrheit des Landtags der CSU-Antrag abgelehnt worden.

Darüber hinaus werden wir - das kündige ich an dieser Stelle gleich an - in der kommenden Woche bei allen Regelungen der Geschäftsordnung, denen bisher zugrunde lag, also bei den Ausschußvorsitzenden und ihren Stellvertretern sowie beim sogenannten Zwischenausschuß des Landtags, per Antrag fordern, daß im Bayerischen Landtag endlich eine demokratische Besetzung nach Hare-Niemeyer stattfindet.

Ich möchte Sie ganz herzlich darum bitten, unserem Antrag zuzustimmen, auch wenn Ihnen das vielleicht etwas schwerfallen dürfte. Aber ich glaube, in dieser ersten Sitzung des Bayerischen Landtags sollten Sie die Gelegenheit wahrnehmen, die alten Fehler in Sachen Minderheitenrechte von sich aus zu korrigieren. Der Bayerische Landtag würde dann endlich mit anderen Parlamenten in der Bundesrepublik gleichziehen, zumindest was die parlamentarischen Grundlagen unserer Arbeit anbelangt.

(Beifall beim Bündnis 90/DIE GRÜNEN) Frau Alterspräsidentin Fischer: Vielen Dank, Frau Kollegin. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Alois Glück.

Alois Glück (CSU): Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Lödermann, zu Ihren Eingangsbemerkungen: Die Demokratie in Bayern hat sich lange vor den GRÜNEN entwickelt, (Lebhafter Beifall bei der CSU) und wir haben den Rechtsstaat in einer Zeit verteidigt, als die GRÜNEN das Gewaltmonopol des Staates nicht anerkannt haben.

(Beifall bei der CSU)

Es ist eine Diffamierung aller Parlamente in den vorhergehenden Legislaturperioden, wenn Sie unterstellen, daß die Parlamente in Bayern bisher nicht demokratisch besetzt gewesen wären und nicht demokratisch gearbeitet hätten. Alle, die vor uns in diesem Parlament waren, haben es nicht notwendig, sich von Ihnen in dieser Weise diffamieren zu lassen.

(Beifall bei der CSU) Ihre Ableitungen aus dem Urteil des Bayerischen Vertassungsgerichtshofs sind falsch. Der Verfassungsgerichtshof hat das Auszählungssystem nach für die Bezirkstage und die Kommunalparlamente ausdrücklich bestätigt. Er hat sich für das Landeswahlrecht für den Landtag, nachdem er dreimal anders entschieden hatte, im Sinne von Hare-Niemeyer entschieden, weil - so war seine Argumentation - das Auszählverfahren nach in der Zusammenzählung der siebenfachen Auswertung gewissermaßen siebenmal Ungenauigkeiten verstärkt.

(Dr. Fleischer (Bündnis 90/DIE GRÜNEN):

Hier ist es achtmal! - Frau Lödermann (Bündnis 90/DIE GRÜNEN): Jetzt das achte Mal!)

- Ich glaube, Sie verwechseln jetzt Äpfel mit Birnen. -Der Verfassungsgerichtshof hat also entschieden, dass das Auszählverfahren zu korrigieren ist. Er hat aber bei einer weiteren Klage, angeführt von der FDP, das Auszählsystem für den Bezirkstag und die Kommunalparlamente bestätigt.

(Frau Lödermann (Bündnis 90/DIE GRÜNEN): Wir sind der Landtag!)

Nach Ihrer Logik hieße das, dass es in den Bezirkstagen und den Kommunalparlamenten undemokratische Zustände gibt. Diese Behauptung wollen Sie doch wohl im Ernst nicht aufrechterhalten. Es kann also überhaupt keine Ableitung aus dem Urteil des Gerichts in dieser Weise erfolgen.

Meine Damen und Herren, der Bayerische Landtag hat bei der Besetzung des Präsidiums und bei der Zahl der Präsidenten immer das gleiche Verfahren praktiziert, unabhängig davon, wie viele Fraktionen diesem Hause angehört haben. Maßstab für die Größe des Präsidiums muß sein, dass die Leitung des Hauses gewährleistet ist, und diese war zu allen Zeiten und unabhängig davon, ob es hier zwei oder vier Fraktionen gab, mit einem Präsidenten und zwei Vizepräsidenten gewährleistet.