Eigenständigkeit der Bundesländer

Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt: Frage: a) Gibt es im Entwurf für eine europäische Verfassung konkrete Formulierungen, die die nationale Eigenständigkeit bzw. die Eigenständigkeit der Bundesländer in Bildungsfragen in irgendeiner Form tangieren?

b) Falls ja, welche Passagen haben welche konkreten Auswirkungen?

Durch den Vertrag über eine Verfassung für Europa vom 18. Juli 2003 entstehen der Europäischen Union keine neuen Kompetenzen im Bereich Bildung.

Da es sich bei den einschlägigen Bestimmungen im Verfassungsvertrag lediglich um die Übertragung des bildungspolitischen Status quo in ein neues Dokument handelt, bleibt die Eigenständigkeit der deutschen Länder, sofern die Formulierungen vom 18. Juli 2003 beibehalten werden, auch künftig gewahrt.

Anzeichen dafür, dass die Mitgliedstaaten die EU im Bildungsbereich mit weiteren Kompetenzen ausstatten möchten, gibt es derzeit nicht.

Art. III-182 (4) und III-183 (4) des Verfassungsvertrags nehmen das Harmonisierungsverbot von Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Art. 149 (4) und 150 (4) EG-Vertrag ausdrücklich und bis in die Formulierungen hinein exakt wieder auf. Hinzu kommt, dass im Verfassungsvertrag das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gestärkt wurde. Änderungen der Kompetenzausstattung der EU müssen demnach nach wie vor durch die nationalen Parlamente, und in Deutschland damit auch durch den Bundesrat, ratifiziert werden.

Ein Fortschritt aus hessischer Sicht ist zudem die Definition einer neuen Maßnahmenart gemäß Art. I-16 des Verfassungsvertrags. Hier wird schon in der Namensgebung deutlich, dass die im Rahmen dieses Artikels definierten Aktivitäten keine regelrechten "Kompetenzen" der Europäischen Union sind, sondern optionale "Unterstützungs-, Koordinierungs- und Ergänzungsmaßnahmen". Art. I-16 (2) erwähnt als Bereich, in dem solche Maßnahmen ergriffen werden können, folgerichtig auch die "allgemeine und berufliche Bildung". Im folgenden Paragraphen wird allerdings noch einmal ein generelles Harmonisierungsverbot für Art. I-16 Maßnahmen ausdrücklich hervorgehoben.

Diese Neudefinition einer Ergänzungsfunktion der EU - die in Teilbereichen nach wie vor wünschenswert ist, man denke nur an die gegenseitige Anerkennung von Diplomen oder an die europäischen Mobilitätsprogramme für Schüler und Studenten - ist einer der Erfolge der gemeinsamen Bemühungen der deutschen Länder, den Verfassungskonvent zu einer klareren Kompetenzdefinition und Kompetenzabgrenzung zu bewegen. Denn Bildung ist auf keinen Fall eine EU-Kompetenz - weder eine ausschließliche noch eine geteilte im Sinne der Art. I-12 und I-13 -, sondern die Mitgliedstaaten können der Europäischen Union in genau zu spezifizierenden Bereichen mit klarem europapolitischem Mehrwert Felder eröffnen, in denen die EU dann die Politiken der Mitgliedstaaten unterstützen beziehungsweise koordinieren kann.