Förderschulen zu Förderzentren

Drittens. Nach welchen Kriterien werden Förderschulen zu Förderzentren ernannt?

Erster Vizepräsident Hiersemann: Frau Staatssekretärin.

Frau Staatssekretärin Hohlmeier (Kultusministerium): Erstens. Über Stundenkürzungen an Förderschulen im Schuljahr 1996/97 ist noch nicht entschieden. Kürzungen würden sich, wenn sie stattfinden müssen, im Gleichklang mit denen an Grundschulen und Hauptschulen halten. Sie hängen auch davon ab, wie viele Schüler in den nächsten Jahren auf die jeweiligen Förderschulen zukommen werden. Deshalb sind wir jetzt noch gar nicht in der Lage, dezidiert darüber zu befinden.

Zweitens. Die besondere Förderung von Kindern mit hohem Erziehungsbedarf - schwer erziehbaren Kindern

- ist in das gesamte Schulwesen eingebunden. In allen Schularten befinden sich Schüler und Schülerinnen, die besonderer pädagogischer Hilfen zur Weiterentwicklung ihres psychosozialen Handelns bedürfen.

Schulen zur Erziehungshilfe oder Förderzentren bieten durch Lehrer der Mobilen Erziehungshilfe Beratung, Unterstützung und Hilfe bei schwerwiegenden psychosozial bedingten Schulproblemen an. Die Mobilen Sonderpädagogischen Dienste haben das Ziel, schwerwiegende Erziehungsprobleme abzubauen, um Sonderschulbedürftigkeit im Sinne einer Schule zur Erziehungshilfe zu vermeiden. Die Mobile Erziehungshilfe umfaßt die Aufgabenbereiche Diagnostik, Beratung sowie Planung und Durchführung von Fördermaßnahmen.

Die Schule zur Erziehungshilfe selbst steht für Kinder und Jugendliche zur Verfügung, die weitergehender pädagogischer Hilfen bedürfen, insbesondere für die Schüler, die in einem großen Klassenverband nicht mehr zu halten sind. Die sonderpädagogischen Fördermaßnahmen sind zudem vernetzt mit Einrichtungen und Personen, die im Umfeld der Schule zur Erziehungshilfe tätig sind: Jugendhilfe, medizinische und psychologische Dienste wie auch Kliniken. In diesem Zusammenwirken führt die Schule zur Erziehungshilfe ihre Schüler und Schülerinnen in einem gestuften Prozeß an die allgemeinen Schulen heran. In der Berufsorientierung sowie in der Vorbereitung des Berufswahlprozesses und einer anzustrebenden beruflich-sozialen Eingliederung arbeitet die Schule zur Erziehungshilfe rriit den Einrichtungen der Arbeitsverwaltung, mit Trägern der berufsvorbereitenden und berufsbildenden Maßnahmen und beruflichen Institutionen eng zusammen.

Zu Ihrer dritten Frage. Artikel 20 Absatz 3 Satz 3 des EUG ermöglicht, die Schulen zur individuellen Sprachförderung, zur individuellen Lemförderung und zur Erziehungshilfe zu sonderpädagogischen Förderzentren zusammenzufassen. Aus diesen Schulformen kann ein ausgebautes Sonderpädagogisches Förderzentrum erwachsen, wenn folgende Bereiche gebildet werden können: förderschulformunabhängige sonderpädagogische Diagnose- und Förderklassen, eine Abteilung, die ab der dritten Jahrgangsstufe nach dem Lehrplan der Schule zur individuellen Lemförderung unterrichtet, eine Abteilung, die ab der dritten Jahrgangsstufe nach einem sonderpädagogisch aufbereiteten Lehrplan der Grundschule und der Hauptschule unterrichtet, eine schulvorbereitende Einrichtung, die Mobilen Sonderpädagogischen Dienste für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in allgemeinen Schulen und mobile sonderpädagogische Hilfen für behinderte und von Behinderung bedrohte Kinder im Vorschulalter, vor allem im Kindergartenalter.

Förderschulen können zu Sonderpädagogischen Förderzentren weiterentwickelt werden, wenn sie neben der vorgenannten Angebotsvielfalt einer fachlichen Weiterentwicklung sonderpädagogischer Förderung Rechnung tragen. Sie müssen als regionale oder auch als überregionale Einrichtungen den vorhandenen Förderschwerpunkten entsprechen können und die sonderpädagogische Förderung inhaltlich, personell und konzeptionell in präventiven, integrativen, stationären und kooperativen Formen möglichst wohnortnah und fachgerecht sicherstellen. Dem Ziel individualisierender Förderung verschrieben, sind die Sonderpädagogischen Förderzentren eine Weiterentwicklung von einem System enger äußerer Differenzierung hin zu einem gestuften Konzept flexibler Förderangebote, Lembereiche und Lernorte.

Erster Vizepräsident Hiersemann: Erste Zusatzfrage: die Fragestellerin.

Frau Goertz (SPD): Ich habe noch eine Frage. Im Hinblick auf schwer erziehbare Kinder haben Sie die mobilen Erziehungsdienste angesprochen. Wie soll das weitergehen? Sie wissen ganz genau, dass diese Dienste sehr dünn gesät sind. In Augsburg und Augsburg-Land gibt es beispielsweise nur eine einzige Person, die diese Tätigkeit ausübt. Wie soll das dann praktisch funktionieren?

Erster Vizepräsident Hiersemann: Frau Staatssekretärin.

Frau Staatssekretärin Hohlmeier (Kultusministerium): Es ist mir bewußt, dass im Rahmen der Mobilen Sonderpädagogischen Dienste derzeit - Sie haben auf Augsburg und Augsburg-Land verwiesen - nur eine sehr eingeschränkte Zahl von Personen zur Verfügung steht. Die Mobilen Sonderpädagogischen Dienste befinden sich derzeit im Aufbau. Sie sind noch nicht im Endausbauzustand. Es ist unser Ziel, die Zahl solcher Dienste - ob es sich nun um Erziehungshilfe oder sonderpädagogische Dienste anderer Fachrichtungen handelt - insgesamt zu erhöhen.

Erster Vizepräsident Hiersemann: Eine zweite Zusatzfrage: Frau Kollegin Münzel.

Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist es so, dass Förderzentren gebildet werden können. Es steht also kein Muß dahinter. Ich habe im Moment den Eindruck - Plenarprotokolle 13/43 v. 20.03.96 Bayerischer Landtag · 13. Wahlperiode 2981

Erster Vizepräsident Hiersemann: Frau Kollegin, Sie sollten eine Frage stellen.

Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, haben Sie auch den Eindruck, dass die Errichtung und der Ausbau dieser Förderzentren von der Staatsregierung stark forciert wird?

Erster Vizepräsident Hiersemann: Frau Staatssekretärin, bitte.

Frau Staatssekretärin Hohlmeier (Kultusministerium):

Ich sehe zumindest den Hintergrund der Frage, die Sie stellen. Ich gehe davon aus, dass Sie die Sprachbehindertenschulen meinen.

Sowohl in den wissenschaftlichen Begleitungen als auch in wissenschaftlichen Untersuchungen wurde festgestellt, daß die Diagnose bei sprachbehinderten, lembehinderten und bei erziehungsauffälligen Kindern in der Frühförderung nicht schon im Alter von drei, vier oder fünf Jahren eine feste Zuweisung zu einer ganz bestimmten Behindertenart ermöglicht. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ist notwendig, weil die Erscheinungsbilder der jeweiligen Behinderungsarten immer komplexer werden. Deswegen müssen die jeweiligen Einrichtungen noch stärker als bisher interdisziplinär zusammenarbeiten.

Mit einem pädagogischen Förderzentrum ist nicht beabsichtigt, dass alle unter einem Dach sein müssen, sondern damit ist eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit beabsichtigt, insbesondere in der Frühförderung. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb eines sonderpädagogischen Förderzentrums hat sich als sehr vorteilhaft erwiesen. Deswegen versuchen wir, die Sprachbehindertenschulen, die Schulen zur individuellen Lemförderung und die Schulen für Erziehungshilfe - das ist ein regional sehr differenziertes Konzept - zu einer intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit zu veranlassen und unter das Dach eines Sonderpädagogischen Förderzentrums zu stellen.

Erster Vizepräsident Hiersemann: Letzte Zusatzfrage: Frau Kollegin Münzel. - Wer eine Zusatzfrage stellen will, möge bitte das Knöpfchen drücken, weil ich sonst wirklich nicht weiß, wer gerade dran ist. Bitte, Frau Kolleqin Münzel.

Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, wird die Staatsregierung das von Ihnen erläuterte Konzept auch gegen den erbitterten Widerstand der Eltern durchsetzen?

Erster Vizepräsident Hiersemann: Bitte, Frau Staatssekretärin.

Frau Staatssekretärin Hohlmeier (Kultusministerium):

Ich habe derzeit nicht den Eindruck, dass es generell einen erbitterten Widerstand der Eltern gibt. Ich will ein Beispiel nennen. In der Sprachheilschule in München-Johanneskirchen habe ich in einer intensiven Diskussion mit den Eltern den Eindruck gewonnen, dass die Eltern nach der Vorstellung, die ihnen unterbreitet worden ist, davon ausgingen, dass insbesondere die Förderung der sprachbehinderten Kinder generell eingeschränkt werden soll. Ich habe versucht, diesem Eindruck deutlich zu widersprechen. Oft entsteht Mißtrauen aus Ängsten im Lehrerkollegium, zum Beispiel aus der Angst heraus, daß die wissenschaftliche Erforschung der Sprachbehinderungen in Zukunft eingeschränkt oder gar beendet werden soll.

Das Kultusministerium möchte das unter keinen Umständen; das möchte auch ich unter keinen Umständen. Vielmehr ist vorgesehen, dass sowohl die Forschung als auch die Arbeit der Lehrkräfte auf dem Feld der Sprachbehinderungen aufrechterhalten werden soll, ja, sogar ausgebaut werden muß. Die Arbeit in einem Sonderpädagogischen Förderzentrum bringt die Notwendigkeit der interdisziplinären Zusammenarbeit mit sich und führt dazu, dass die Lehrkräfte mit den komplexen Behinderungsbildern besser umgehen können, etwa dadurch, dass sie sich mit Kollegen anderer sonderpädagogischer Fachrichtungen, noch stärker als bisher -zum Wohl des jeweiligen Kindes - auseinandersetzen müssen.

Erster Vizepräsident Hiersemann: Die Anfrage von Frau Kollegin Narnhammer wird von Herrn Kollegen Coqui übernommen. Bitte, Herr Coqui. - Herr Kollege, da diese Anfrage sehr lange ist, könnten Sie auf den Vortrag der Frage verzichten. Frau Staatssekretärin würde dann sofort antworten.

Coqui (SPD): Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Erstens. Was kostet die Umbenennung aller Sonderschulen in die neue Bezeichnung Förderschulen, und was kosten die dazu notwendigen neuen Zeugnisformulare, Briefköpfe, Stempel, Infobroschüren usw.? Zweitens.

Was kostet die Kooperation? Wie viele Petitionen von Eltern, welche die Einrichtung einer Integrationsklasse für ihre Kinder wünschen, wurden in den letzten fünf Jahren und in diesem Jahr eingereicht?

Erster Vizepräsident Hiersemann: Frau Staatssekretärin, bitte.

Frau Staatssekretärin Hohlmeier (Kultusministerium): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich beantworte zunächst die erste Frage. Die Kosten fallen den Sachaufwandsträgern zur Last. Einzelne Angaben dazu liegen dem Staatsministerium nicht vor. Beschwerden in irgendeiner Form wurden nicht eingereicht.

Für Zeugnisse und ähnliche Formulare sind keine Mehrkosten zu erwarten. Nach Auskunft der Formularverlage decken sich die Schulen nur für den nächsten Zeugnistermin bzw. das nächste Schuljahr mit Vordrucken ein, so daß die Änderungen zu keinen Kosten führen. Wenn Schulen mit eigenen Computern die Vordrucke herstellen, entstehen ebenfalls keine zusätzlichen Kosten.

Die einmaligen Kosten für die Gestaltung von Außenfassaden durch Maler, Steinmetze, Schlosser und Elektriker richten sich nach der jeweiligen architektonischen Gestaltung der Gebäude und sind ganz unterschiedlich.

Uns ist nicht bekannt, dass irgendwo dramatisch hohe Kosten entstanden sind, zumal die Umbenennung von den jeweiligen Schulverbänden heftigst gefordert und unterstützt worden ist.

Die Kosten für ein neues Dienstsiegel belaufen sich nach Auskünften des Hauptmünzamts je nach Länge des Schulnamens auf zwischen 200 und 300 DM, maximal auf 500 DM. Auch hier sind uns keine Klagen bekannt geworden.

Ich komme zur zweiten Frage. Der Haushaltsansatz bei Kapitel 05 13 beträgt von Anfang an 500000 DM. Auch im Haushaltsjahr 1995 standen 500000 DM zur Verfügung.

Abzüglich der Haushaltssperre standen 1995 rund 461 000 DM zur Verfügung. Die Regierungen haben für die Unterstützung der Kooperation in den Schulen 351 000 DM erhalten, die Universität Eichstätt zur wissenschaftlichen Begleitung des Schulversuchs 60 000 DM, die Akademie für Lehrerfortbildung 25 000 DM und das Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung zur Betreuung des Schulversuchs 25 000 DM.

Aus den dem ISB zugewiesenen Haushaltsmitteln von 25 000 DM wurden für die Studie Schulische Kooperation

- ein wirkungsvoller Weg zur Integration 6 116 DM verwendet. Mit Exemplaren der Studie wurden die Schulaufsichtsbehörden in Bayern bedacht, die zuständigen Referate in den einzelnen Kultusministerien der Länder, die einschlägigen schulischen Verbände, die Ausbildungsstätten, die Versuchsschulen sowie die Lehrerfortbildung. Die Kultusministerien der anderen Bundnesländer zeigten ein enormes Interesse am Kooperationsversuch und baten dringend um schriftliche Materialien.

Zur dritten Frage: Die Petitionen auf Einrichtung von Integrationsklassen werden im Staatsministerium unter den Schülernamen archiviert und können daher nur mit großem Suchaufwand zuverlässig erfaßt werden.

Jährlich laufen etwa ein Dutzend Eingaben auf Bildung von sogenannten Integrationsklassen ein, denen nach dem EUG nicht entsprochen werden kann. Das Aufkommen der letzten fünf Jahre liegt damit bei höchstens 50

Petitionen, insbesondere wenn man die in verschiedenen Schuljahren wiederholten Eingaben für das gleiche Kind als ein Anliegen versteht. Das sind relativ wenige Petitionen.

Für 1996 liegen derzeit fünf Petitionen vor, die sich auf ein bestimmtes Kind beziehen.

Erster Vizepräsident Hiersemann: Erste Zusatzfrage: Frau Kollegin Namhammer.

Frau Namhammer (SPD): Frau Staatssekretärin ist Ihnen bekannt, dass die soeben gestellte mündliche Anfrage bereits seit über einem Jahr schriftlich dem Kultusministerium vorliegt und dass ich deswegen Ihre Antwort, dass die Petitionen nicht zuverlässig erfaßt werden könnten, nicht nachvollziehen kann?

Erster Vizepräsident Hiersemann: Frau Staatssekretärin.

Frau Staatssekretärin Hohlmeier (Kultusministerium):

Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass wir Sie so lange auf die Antwort haben warten lassen, und hoffe, dass dies nicht mehr vorkommen wird. Angesichts Ihrer Frage, was die Umbenennung er Sonderschulen kostet, bitte ich Sie aber, zu bedenken, dass es für die Mitarbeiter des Kultusministeriums manchmal stundenlangen Aufwand bedeutet, Fragen zu beantworten, deren Sinnhaftigkeit nicht unbedingt auf der Hand liegt. Bisweilen steht der Aufwand in keinem Verhältnis zum Ergebnis.

Was die Eingaben angeht, so müßte ich den jeweiligen Mitarbeiter im Kultusministerium darum bitten, alle Petitionen der letzten fünf Jahre, die nach Namen geordnet in eine Registratur eingebracht worden sind, zu sichten, um die Integrationsklassen herauszufiltern. Vor diesem Hintergrund werden auch Sie, Frau Narnhammer, für die etwas pauschalere Beantwortung Verständnis haben. Im übrigen dürften die Zahlen im großen und ganzen den Fakten entsprechen.

Erster Vizepräsident Hiersemann: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Freller.

Freller (CSU): Frau Staatssekretärin, ist Ihnen noch erinnerlich, dass SPD-Abgeordnete bei den Beratungen zum EUG die Umbenennung ausdrücklich befürwortet haben, um dem Eltern- und Schülerwillen zu entsprechen?

Erster Vizepräsident Hiersemann: Frau Staatssekretärin.

(Frau Narnhammer (SPD): Das hat mit der Frage nichts zu tun, Herr Freller!)

- Die Frage beantwortet die Frau Staatssekretärin, Frau Kollegin Narnhammer.

Frau Staatssekretärin Hohlmeier (Kultusministerium): Es ist mir erinnerlich, dass auch die SPD-Abgeordneten, wie überhaupt alle Fraktionen, die Umbenennung unterstützt haben; denn sie entsprach dem Wunsch der Elternverbände, der Lehrerverbände und auch dem Wunsch der Träger von Förderschulen.

Erster Vizepräsident Hiersemann: Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt. Die nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Voget.

Frau Voget (SPD): Frau Staatssekretärin, ist die Aussage des Kreisdekanats Nürnberg im Informationsblatt an alle Mitglieder der Kirchenvorstände der Gesamtkirchengemeinde Nürnberg vom Februar 1996 richtig, daß durch den Erlaß des Staatsministeriums für Unterricht,