Versuchsschulen in Hessen

Die Kleine Anfrage beantworte ich wie folgt:

Frage 1. Wie hat sich die Personalausstattung der vier hessischen Versuchsschulen in den Schuljahren 1998/1999 bis 2004/2005 insgesamt entwickelt, aufgelistet nach Lehrkräften und zusätzlichem Personal?

Die hier erfragten Versuchsschulen nach § 14 des Hessischen Schulgesetzes sind die drei integrierten Gesamtschulen Offene Schule Kassel-Waldau, die Steinwaldschule in Neukirchen und die Helene-Lange-Schule in Wiesbaden und die Reformschule Kassel als Ganztagsschule von 0 bis 10 mit jahrgangsübergreifenden Klassen.

Alle vier Versuchsschulen erhalten Mittel für Ausgaben im Ganztagsbereich, für ihre Öffentlichkeitsarbeit und für Kosten wissenschaftlicher Begleitung im Umfang einer Stelle (zeitweise 0,9 Stellen).

Die Personalausstattung der Reformschule wurde mit dem ergänzenden Errichtungserlass für die Jahrgangsstufen ab 7 vom 21. März 1994 wie für die vorausgehenden Jahrgangsstufen nach Sonderzuweisung mit einer L-S-R von 1:13 berechnet. Seit dem Schuljahr 1999/2000 werden die Stellen in einen Schülerfaktor, bezogen auf die Gesamtschülerzahl (2004/2005 sind das 39,7 Stellen für 500 Schülerinnen und Schüler), umgerechnet. Zusätzlich erhält sie eine Stelle für eine Sozialpädagogin/einen Sozialpädagogen für die Eingangsstufe. Der Bedarf an Stellen als Versuchsschule ist in dieser Ausstattung enthalten.

Die drei integrierten Gesamtschulen erhalten seit den jeweiligen Erlassen vom 24. September 1997 beginnend mit dem darauf folgenden Schuljahr die Grundzuweisung für integrierte Gesamtschulen bei einer angesetzten Klassenobergrenze von 25 Schülerinnen und Schülern. Zusätzlich werden ihnen nach den Erlassen von 1997 bis heute je sieben Stellen für die Versuchsschularbeit zugewiesen. Diese Stellen sind zu verwenden für auftragsspezifische Praxiserprobungen, Ausweitungen der Stundentafel und für schulinterne und externe Evaluationen (gegebenenfalls mit Unterstützung durch eine wissenschaftliche Begleitung). Da diese Aufgaben allen Versuchsschulen gemeinsam sind, ist die Sonderzuweisung unabhängig von der Schulgröße.

Der Ganztagsschule Kassel-Waldau wird der Ganztagszuschlag gemäß den Richtlinien für ganztägig arbeitende Schulen zugewiesen, der jährlich festgelegt wird. Die Versuchsschulen führen gemeinsamen Unterricht im Rahmen ihrer Zuweisung durch.

Frage 2. Wie hat sich insbesondere die Stellensituation in der Offenen Schule KasselWaldau verändert?

Die Stellensituation der Offenen Schule Waldau verändert sich bei den jährlichen Zuweisungen für den Ganztag, die sich etwa an einem Zuschlag von 20 v.H. der Stellen nach der Grundzuweisung bemisst.

Frage 3. Wie viele "Versuchsschulstellen" standen den einzelnen Versuchsschulen in dieser Zeit zur Verfügung und nach welchen Kriterien wird die Zahl der Versuchsschulstellen festgelegt?

Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.

Frage 4. Welchen Sparbeitrag mussten die einzelnen Versuchsschulen zur "Operation sichere Zukunft" leisten?

Die Versuchsschulen haben an der Veränderung des Klassenfaktors bei der Grundzuweisung teilgenommen, die durch die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung für die Lehrkräfte entstanden ist. Darüber hinaus mussten sie bisher keinen spezifischen Sparbeitrag leisten.

Frage 5. Wie sehen die pädagogischen Konzepte der vier Versuchsschulen aus und in welcher Weise werden diese evaluiert?

Alle Versuchsschulen erproben Unterrichtsformen, die die Selbstständigkeit und Selbsttätigkeit der Schülerinnen und Schüler fördern. Sie sollen sich dabei am mathetischen Prinzip, d.h. den Lernwegen und -wünschen der Kinder und Jugendlichen, orientieren. Die integrierten Gesamtschulen konzentrieren den Einsatz der Lehrkräfte auf einen Jahrgang, d.h. dass Lehrerteams die Schülerinnen und Schüler von der Jahrgangsstufe 5 bis 10 begleiten. Die Reformschule hat Lehrerteams für eine Stufe, die "vertikal" mit den abgebenden und aufnehmenden Stufenteams zusammenarbeiten, da in jedem Schuljahr ein Drittel der Lerngruppe aus der vorausgehenden hinzukommt und in die nächste Stufe wechselt.

Alle Versuchsschulen haben in größerem Umfang als andere Schulen Projektunterricht und projektorientiertes Lernen eingeführt und pflegen den Bereich des musischen und ästhetischen Lernens als kulturelle Praxis.

Die Versuchsschulen sind in Arbeitszusammenhänge und Diskussionen zu schulinterner Evaluation in länderübergreifenden Netzwerken beteiligt, über die als Buch nach ersten Verständigungen vorliegt: Klaus-Jürgen Tillmann/Beate Wischer (Hrsg.): Schulinterne Evaluation an Reformschulen. Positionen, Konzepte, Praxisbeispiele; Bielefeld 1998.

Die dort beschriebenen Verfahren sind seitdem weiterentwickelt.

Frage 6. Gibt es eine Veröffentlichung der Ergebnisse der Arbeit der Versuchsschulen?

Es gibt zahlreiche Veröffentlichungen, ca. 300 Aufsätze in Fachzeitschriften, zwei Berichte über externe Evaluationen aller Versuchsschulen als Bücher: Olaf Köller/Ulrich Trautwein (Hrsg.), Schulqualität und Schülerleistung.

Evaluationsstudie über innovative Schulentwicklung an fünf hessischen Gesamtschulen, Weinheim und München 2003; Ingrid Ahlring/Rudolf Messner, Hessische Versuchsschulen ­ eine Bilanz.

Wissenschaftliches Gutachten im Auftrag des Hessischen Kultusministeriums nach dem ersten Durchgang von sechs Schülerjahrgängen, Manuskript/Eigendruck Februar 2003 mit einem Materialanhang und ausführlichen Veröffentlichungslisten der einzelnen Schulen in pädagogischen Fachzeitschriften.

Bücher über die bzw. aus den Versuchsschulen: Gerold Becker/Arnulf Kunze/Enja Riegel/Hajo Weber, Die Helene-LangeSchule in Wiesbaden. Das andere Lernen. Entwurf und Wirklichkeit, Hamburg 1997; Armin Lohmann/Manfred Hajek/Peter Döbrich, Identität und Schulprogramm. Die Steinwaldschule: Der Weg zum selbstständigen und sozialen Lernen, Lichtenau und München 1997; Charlotte Röhner/Gabriele Skischus/Wiltrud Thies, Was versuchen Versuchsschulen? Einblicke in die Reformschule Kassel, Baltmannsweiler 1998; Ingrid Ahlring/Bärbel Brömer/Peter Famulok/Barbara Groß, Schule machen das Pädagogische Konzept der Offenen Schule Waldau, Baltmannsweiler 1999.

Frage 7. Wurden bereits positive Ergebnisse der Arbeit der Versuchsschulen auf andere Schulen übertragen?

Die Versuchsschulen beraten in ihren Schulen zahlreiche Schulen aller Schulformen, die bei Ihnen Hospitationswünsche und Arbeitstagungen anmelden. Vertreterinnen und Vertreter der Versuchsschulen gestalten pädagogische Tage anderer Schulen zu spezifischen Fragen. Beratungsschwerpunk te sind die Lernorganisation nach Jahrgangsteams und die Gestaltung des selbstständigen Lernens im Rahmen des Projektunterrichts bzw. Offenen Lernens. Zunehmend interessiert auch das jahrgangsübergreifende Konzept der Reformschule Kassel. Über die Einbindung in Netzwerke der Bertelsmann- und der Robert-Bosch-Stiftung bestehen zahlreiche länderübergreifende Arbeits- und Austauschbeziehungen. Versuchsschulen sind "Patenschulen" für Entwicklungsprozesse in Schulen besonders in Bremen und Hamburg. Ergebnisse werden auch mittelbar über Arbeitsbesuche von Studienseminaren und Schulaufsichtsgruppen (außerhalb Hessens besonders aus Baden-Württemberg und Brandenburg) weitergegeben.

Frage 8. Welche zukünftige Bedeutung misst die Landesregierung den Versuchsschulen zur Entwicklung des hessischen Schulsystems bei?

Die Versuchsschulen bieten mit ihrer Arbeit zahlreiche Impulse für die Weiterentwicklung schulischer Lehr- und Lernformen. Daher erachtet die Landesregierung die Versuchsschulen im hessischen Schulsystem als einen Bestandteil des hessischen Schulsystems, das in seiner Gesamtheit auf die Fortentwicklung des Lehr- und Lernortes Schule in seinen unterschiedlichen Ausprägungen ausgerichtet ist.

Frage 9. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die gegenwärtige personelle Ausstattung der Versuchsschulen der Weiterentwicklung der Versuchsschularbeit gerecht wird?

Die Landesregierung überprüft derzeit für jede Schule einzeln das Verhältnis der eingesetzten Stellen zu den Leistungen, die sie nach § 14 des Hessischen Schulgesetzes erbringt.

Frage 10. Ist geplant, den Sonderstatus einer oder aller Versuchsschulen aufzugeben?