Deshalb bitte ich Sie dem Antrag zuzustimmen damit wir endlich zu einer sachgerechten Diskussion kommen

Aber ich freue mich, daß wir uns darüber einig sind, dass die Leistungen raus müssen. Dabei müssen wir davon ausgehen, dass es sich um eine Größenordnung handelt, bei der das nur in Stufen zu machen ist. Wir sind uns darüber im klaren, dass es dafür drei Möglichkeiten gibt: die Ökosteuer, die Mehrwertsteuer und die Kapitalzuwachssteuer. Alle drei sind in Deutschland unterbewertet.

Deshalb bitte ich Sie, dem Antrag zuzustimmen, damit wir endlich zu einer sachgerechten Diskussion kommen.. (Beifall bei der SPD) Erster Vizepräsident Hiersemann: Das Wort hat die Frau Abgeordnete Schopper.

Frau Schopper (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (von der Rednerin nicht autorisiert): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe das Gefühl, der Dampf ist etwas raus, (Hofmann (CSU): Schaun wir mal!) wen man die etwas gelangweilten Mienen und Gesichter hier im Plenum anschaut.

(Walter Engelhardt (SPD): Bei uns doch nicht!)

- Der Herr Engelhardt war sehr interessiert, da möchte ich mich korrigieren.

(Walter Engelhardt (SPD): Der Maget auch! Hofmann (CSU): Und ich auch!)

In der Analyse gibt es oftmals Einigkeit, sogar bei allen drei Fraktionen, dass die Sozialkassen geplündert und die versicherungsfremden Leistungen den Sozial kassen aufgepfropft wurden, so dass die Sozialversicherungen heute diesen Druck nicht mehr aushalten. Wenn man das herausrechnet - und das ist bei den Haushaltsberatungen und auch in sonstigen Debatten immer wieder geschehen -, könnten die Lohnnebenkosten um sechs bis neun Prozentpunkte heruntergefahren werden.

Aber die politische Intention ist damals, als man die versicherungsfremden Leistungen daraufpfropfte, eine andere gewesen. Die blühenden Landschaften, die uns der Herr Bundeskanzler versprochen hatte, mußten über die Arbeitslosenversicherung und über die Rentenversicherung bezahlt werden. Wir sind auch der Meinung, daß man die Wiedervereinigung und die versicherungsfremden Leistungen hätte steuerfinanzieren müssen.

Allein der Bundesanstalt für Arbeit wurden in den Jahren 1991 bis 1995 100 Milliarden DM für den Aufbau Ost abgezwackt, das meiste zur Deckung von Personalkosten im öffentlichen Dienst, für das sogenannte Buschgeld. Das ist das eine, dass man den Sozialkassen viele versicherungsfremde Leistungen aufgebürdet hat. Das andere ist, dass momentan aufgrund der Massenerwerbslosigkeit die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler fehlen.

Ein wichtiger Schritt ist es, die Zweckentfremdung der Sozialkassen zurückzufahren, um das Hemmnis, das für die Schaffung neuer Arbeitsplätze immer wieder genannt wird, durch die Verbilligung des Faktors Arbeit zurückzudrängen. Soweit finde ich den Antrag der SPD auch gut.

Was mich an dem Antrag der SPD stört, ist, dass er sehr im Unbestimmten bleibt, wie man das finanziert.

(Hofmann (CSU): So ist es! - Kobler (CSU): Sehr nebulös!)

Das ist für mich der Dreh- und Angelpunkt.

(Hofmann (CSU): Das ist genau der Punkt!

Nicht hilfreich! - Kobler (CSU): Deshalb müssen wir ihn ablehnen!)

Dazu habe ich bisher zwar schon etwas gehört, aber ich hätte es auch gern gelesen. Ansonsten ist es in vielem Augenwischerei.

(Kobler (CSU): Genau! Sie schweigen sich völlig aus!)

Es ist nicht so, dass das Beträge aus der Portokasse wären. Es sind 15 Milliarden DM versicherungsfremde Leistungen, ein Prozentpunkt, die erst einmal bezahlt werden müssen.

(Hofmann (CSU): Natürlich, ganz klar! - Kobler (CSU): Genau auf unserer Linie!)

Es gibt viele Möglichkeiten.

Mir ist in dem Antrag zu unbestimmt, dass man zum einen die Verbrauchsteuern erhöht - oder auch nicht -, dass man zum zweiten Haushaltsumschichtungen vornimmt, wie immer das gehen soll, oder zum dritten das Geld irgendwie druckt.

(Kobler (CSU): Da schweigen sie sich aus, jawohl!)

Das ist wohl keine Lösung für die Probleme.

Darum sage ich noch einmal - Sie werden das mittlerweile schon als alten Kalauer empfinden -, dass wir glauben, dafür ein taugliches Konzept zu haben, nämlich die Einführung einer Ökosteuer, um die Lohnnebenkosten abzusenken. Das möchte ich Ihnen noch einmal ans Herz legen. Bei der SPD haben wir da mitunter auch noch Schwierigkeiten, wie man das konkret auslegt. Aber Sie sind da noch sehr borniert.

(Kobler (CSU): Weil das mit Sicherheit einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit bedeuten würde!) Momentan ist es doch so: Waigel fällt von einem Haushaltsloch ins nächste. Die Einkommensteuerreform ist Plenarprotokolle 13/72 v. 21.02.97 Bayerischer Landtag · 13. Wahlperiode 5271 finanziell ein Armutszeugnis, und die Massenarbeitslosigkeit verschärft die Finanzkrise. Die Bundesregierung verspricht, die Steuerbelastung zu senken, den Haushalt zu konsolidieren und die Renten abzusichern. Ich glaube, das ist eine Roßtäuscherei; das haben wir aber in der Aktuellen Stunde schon ausreichend beleuchtet.

(Kobler (CSU): Wo sind die SPD-Sozialpolitiker? Kein einziger ist da!)

Hier wurde der Mund einfach zu voll genommen.

Das Ganze gipfelt darin, dass das prognostizierte Wirtschaftswachstum, das früher immer zur weiteren Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen gegolten hat, heute zu fast keinem einzigen Arbeitsplatz mehr führt. Es rentiert sich immer noch, wenn man die Menschen auf die Straße setzt und dafür ein paar Maschinen in die Werkshallen stellt. Das ist eine Entwicklung, die umgekehrt werden muß. Die finanzielle Decke ist hinten und vorne zu kurz. Das Kind muss einfach anders gebettet werden.

Wir sehen in dem ldeenwettbewerb, den uns der Bundeskanzler ans Herz gelegt hat, keine neuen Ideen von Ihrer Seite. Wir haben eine neue Idee mit der ökologischen Steuerreform, und wir haben auch einen konkreten Vorschlag dazu gemacht, nämlich schrittweise fünf Prozentpunkte aus den versicherungsfremden Leistungen zu überführen. Ich meine, man muss den Menschen offen sagen, dass das nur schrittweise gehen kann. Wir schlagen in unserem Konzept einen Zeitraum von acht Jahren für die Gegenfinanzierung dieser 5% aus den versicherungsfremden Leistungen durch Steuern vor.

Ich glaube, es wäre eine Möglichkeit - wenn Sie im Ideenwettbewerb so offen wären, wie Sie immer tun -, die versicherungsfremden Leistungen gegenzufinanzieren.

Das betrifft zum Beispiel die Familienkasse, die Beträge für die ostdeutschen Renten und die Altersrenten derer, die vor dem 65. Lebensjahr in die Frührente gegangen sind. Hier haben wir im Moment bei der Rentenkasse eine Deckungslücke von 30 Milliarden DM und bei der Bundesanstalt für Arbeit von 39 Milliarden DM. Diese 69 Milliarden DM wollen wir durch eine kontinuierlich steigende, aber aufkommensneutrale Energiesteuer gegenfinanzieren. Die Aufkommensneutralität ist wichtig, damit nicht noch eine höhere Belastungsquote entsteht.

Ich komme zum Schluß. Ich finde, Sie sollten sich neuen Ideen etwas mehr öffnen. Sie fordern das immer nur, aber wenn es konkret wird, ziehen Sie doch wieder den Schwanz ein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Erster Vizepräsident Hiersemann: Das Wort hat Herr Abgeordneter Unterländer.

Unterländer (CSU) (vom Redner nicht autorisiert): Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Coqui, Sie haben mit der Begründung zu Ihrem Antrag alles dazu getan, dass diesem Antrag überhaupt nicht zugestimmt werden kann.

(Maget (SPD): Über Begründungen wird doch nicht abgestimmt!) Sie haben keine tatsächliche Alternative genannt, wie die versicherungsfremden Leistungen umfinanziert werden sollen. Sie haben drei Schwerpunkte genannt, zum einen die Mehrwertsteuererhöhung. Ich höre von Ihnen jetzt: Die Mehrwertsteuer soll erhöht werden, um die versicherungsfremden Leistungen umzufinanzieren. Von der SPD auf Bundesebene höre ich, dass die Mehrwertsteuererhöhung der unsozialste Akt wäre, den man sich vorstellen könne.

Ich frage Sie: Was gilt denn nun? Ich nehme an, dass Ihre Position weniger gilt, weil auch die Präsenz Ihrer Partei bei der Behandlung dieses Antrags sehr bescheiden ist.

(Zustimmung des Abgeordneten Hofmann (CSU)) Sie haben im Zusammenhang mit der Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen Zahlen genannt, die völlig umstritten sind. Sie gehen von versicherungsfremden Leistungen in Höhe von rund 100 Milliarden DM aus.

Mir liegt ein Gutachten des lfo-lnstituts von Herrn Prof. Vogler-Ludwig vor, das übrigens für die SPD-Landtagsfraktion erstellt worden ist. Darin wird von ganz anderen Zahlen ausgegangen, und darin wird auch stark in Zweifel gezogen, was alles als versicherungsfremde Leistung bezeichnet wird.

Lassen Sie mich in dem Zusammenhang ein Beispiel nennen. Wenn wir uns darüber unterhalten, welche versicherungsfremden Leistungen umfinanziert werden sollen

- ich gehe darauf noch gleich grundsätzlich ein -, dann müssen wir auch vorher genau analysieren und uns darüber einig sein, welche Beträge tatsächlich in Anspruch genommen werden sollen. Im Gutachten des Herrn Vogler-Ludwig - darauf beziehen Sie sich in Ihrer Argumentation - steht zum Beispiel, dass die Familienversicherung und die Finanzierung der Kindererziehungszeiten dazu gehören; dann hat das doch sehr wohl etwas mit der Versicherung an sich zu tun.

(Hofmann (CSU): Generationenvertrag!)

Wenn wir den Generationenvertrag - Herr Kollege Hofmann erwähnt das völlig zu Recht - nach dem Solidaritätsprinzip tatsächlich verwirklichen wollen, dann bedeutet das, dass die künftigen Beitragszahler in den Familien gefördert werden müssen und dass ein Systemzusammenhang innerhalb der Rentenversicherung besteht.

Daher zweifle ich an, dass es sich hierbei um versicherungsfremde Leistungen handelt.

Die Größenordnung ändert sich dadurch. Ich bestreite gar nicht, dass es notwendig ist, um unsere Systeme der sozialen Sicherung - insbesondere der Rentenversicherung - langfristig auf eine sichere Basis zu stellen, einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens zu erzielen.

Daher müssen wir uns zusammensetzen, und es muss zu vernünftigen Regelungen kommen.

Was Sie aber betreiben, ist Augenwischerei und unseriös.

Sie sind nicht bereit, über Weiterentwicklungen im Sozialversicherungssystem nachzudenken.

Sie beziehen Ihre Kompensation einzig und allein darauf, daß Sie sagen: Die versicherungsfremden Leistungen müssen abgebaut werden. Erfreulicherweise hat Frau Kollegin Schopper schon darauf hingewiesen, welche Auswirkungen das hat. Wenn wir die versicherungsfremden Leistungen um einen Prozentpunkt abbauen wollen, so macht das 15 Milliarden DM aus. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt macht auch rund 15 Milliarden DM aus. Das deckt sich zufälligerweise.

Wenn Sie nun die versicherungsfremden Leistungen auch nur schrittweise umfinanzieren wollen und aus Steuermitteln finanzieren wollen, dann bedeutet das doch, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass Sie die Mehrwertsteuer um 10% erhöhen müßten. Ist das eine soziale Politik?

(Maget (SPD): So ein Schmarrn! - Coqui (SPD): Das ist ein Schmarrn!)

Die Alternative, die von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und auch von Ihnen immer wieder gebracht wird, ist die Einführung einer Energiesteuer.

(Zurufe von der SPD)

Diese Energiesteuer müßte in der Konsequenz auch zu einer stärkeren Belastung unserer Wirtschaft führen. Das ist doch ganz klar. Die Energiekosten werden höher. Das wäre niemals aufkommensneutral. Der Entwicklung unserer Wirtschaft würde das nicht gut tun.

Erster Vizepräsident Hiersemann: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Coqui?

Unterländer (CSU): Ja, bitte.

Erster Vizepräsident Hiersemann: Herr Kollege Coqui.

Coqui (SPD) (vom Redner nicht autorisiert): Wie kommen Sie denn darauf, dass es ausgerechnet zu einer stärkeren Belastung der Wirtschaft kommt, die zweifelsohne 50% der Sozialversicherungsbeiträge trägt, nachdem wir uns alle darüber einig sind, dass es aufkommensneutral ist?

Erster Vizepräsident Hiersemann: Herr Kollege Unterländer.

Unterländer (CSU): Herr Kollege Coqui, Sie wissen doch, daß die Energiekosten in vielen Unternehmensbereichen einen hohen Anteil der Kosten ausmachen.

(Zuruf von der SPD)

- Aber selbstverständlich. Wenn es hier zu Steigerungen kommt, dann führt das zu erheblichen zusätzlichen Kostenbelastungen, die reduziert und verhindert werden sollten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, unbestritten ist, daß versicherungsfremde Leistungen in allen Versicherungszweigen vorhanden sind. Darüber sind wir uns völlig einig. Unbestritten ist auch, dass ein Teil der Finanzierungsprobleme in der Renten-, in der Kranken- und in der Arbeitslosenversicherung - die Krankenversicherung haben Sie im übrigen in Ihren Antrag überhaupt nicht mit einbezogen - versicherungsfremd verursacht ist Ich warne wirklich nachhaltig davor, die politische Verantwortung hierfür einer Seite zuzuschieben. Wir müssen uns für die letzten 30 Jahre wirklich alle miteinander an die Nase fassen und uns fragen: Was haben wir getan, um diese versicherungsfremden Leistungen erst überhaupt nicht entstehen zu lassen? Herr Kollege Coqui, die Politiker müssen in der Lage sein, auch Entscheidungen, die vor Jahren von der eigenen Partei getroffen worden sind, kritisch zu hinterfragen und zu überlegen, ob das noch der richtige Weg ist. Das vermissen die Bürger. Hier sind Korrekturen erforderlich. Es ist eindeutig zu kurz gesprungen, wenn Sie allein in der Finanzierung der versicherungsfremden Leistungen durch Steuern die Lösung sehen.

Ich darf auch nochmals darauf hinweisen, dass die versicherungsfremden Leistungen in ihrer Bandbreite absolut umstritten sind. Setzen wir uns also erst einmal mit den Experten zusammen und definieren das. Danach können wir über Kompensationsmöglichkeiten reden.

(Coqui (SPD): Man darf keinen Schnellschuß machen!)

In der Rentenversicherung gibt es bereits heute einen Bundeszuschuß von mehr als 83 Milliarden DM, der in den nächsten Jahren durch die Lohnerhöhungen und die damit entstehenden Veränderungen im Ausgabe- und Einnahmevolumen der Rentenversicherung steigen wird.

Hier haben wir angesichts der Haushaltssituation zusätzliche Probleme. Das wissen Sie auch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist zu leichtfertig, Anträge in dieser Form zu stellen. Diese sind aus meiner Sicht aus der Hüfte geschossen und nicht in der Lage, das Problem der Umfinanzierung der versicherungsfremden Leistungen in einem Gesamtkontext mit Sozialversicherung zu lösen. Wir müssen hier wirklich ernsthafter und seriöser vorgehen. Sonst wird es uns nicht gelingen, das Vertrauen der Betroffenen zu gewinnen, das der jungen und das der älteren Generation, die als Beitragszahler das Solidaritätsprinzip stützen.

Dazu ist es erforderlich, eine grundlegende Analyse vorzunehmen und zu den richtigen Entscheidungen zu kommen, anstatt in dem Glauben, daraus politisches Kapital schlagen zu können, willkürlich einen Punkt herauszugreifen, und das in Ermangelung von Alternativen und Finanzierungskonzepten. - Die CSU-Fraktion lehnt den vorliegenden Antrag ab.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)