Arbeitslosigkeit

100 Gramm und deren Einzelpreis weniger als 5,50 DM beträgt. Wir lehnen diesen engen Umfang mit allem Nachdruck ab. Die Exklusivlizenz muss vielmehr auch die Beförderung von Infopost und adressierten Katalogen unter 100 Gramm Einzelgewicht umfassen.

Uns ist allen klar, dass der Bereich Infopost mit einem Umsatzvolumen von gut 4 Milliarden DM im Jahr für private Unternehmen mit ihren Turnschuhbrigaden von großem Interesse ist. Doch nur durch Einbeziehung der Infopost in den Bereich der Exklusivlizenz können ein umfassendes Universaldienstkonzept gewährleistet und die Sonderbelastungen der Deutschen Post AG ausgeglichen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies war nicht mein Redebeitrag. Er hätte es aber sein können, denn diese Ausführungen decken sich vollkommen mit der Meinung der SPD-Landtagsfraktion. Ich habe aus einer Rede zitiert, die der Staatssekretär im bayerischen Wirtschaftsministerium, Hans Spitzner, vor wenigen Wochen bei der Betriebsversammlung der Post in München gehalten hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Zurufe von der SPD: Hört, hört!)

Ich gehe davon aus, dass Herr Staatssekretär dort sicher nicht seine Privatmeinung, sondern die Meinung der Bayerischen Staatsregierung und des bayerischen Ministerpräsidenten kundgetan hat.

Um so verwunderlicher ist es für uns alle, dass kurz darauf Herr Bundespostminister Bötsch - meines Wissens immer noch CSU-Mitglied ­ (Walter Engelhardt (SPD): Und Bayer!) diesen Gesetzentwurf ohne Wenn und Aber im Bundestag eingebracht hat. Er hat sich dabei also überhaupt nicht um die Meinung der Bayerischen Staatsregierung gekümmert.

(Dr. Kaiser (SPD): Wie immer!)

Es kam noch viel schlimmer: Bei der Beratung im Bundestag haben alle anwesenden CSU-Abgeordneten diesem Gesetzentwurf zugestimmt.

Kein einziger hat ihn abgelehnt. Nicht einmal ein einziger war dabei, der den Mut gehabt hätte, sich der Stimme zu enthalten. Auch der CSU-Vorsitzende, Herr Waigel, kümmert sich in Bonn offensichtlich überhaupt nicht um die Meinung von Herrn Stoiber in München. Man muss sich bei diesem Zwiespalt allmählich doch fragen: Ist das überhaupt noch eine Partei, oder gibt es in Bonn die Waigel-CSU und in München die Stoiber-CSU? (Beifall bei der SPD) Oder handelt es sich wieder einmal um das bekannte Doppelspiel, nämlich in Bonn jeder Gemeinheit zuzustimmen und den bayerischen Bürgern vorzugaukeln, man sei durchaus ihrer Meinung?

(Beifall bei der SPD)

Um den Koalitionsfrieden in Bonn zu retten, stimmt man allem zu, was die Wirtschaftsideologen der Fünfprozentpartei fordern, in der Hoffnung, die SPD werde es im Bundesrat schon wieder richten. Um die Perversion zu vollenden, kann man der SPD obendrein den Vorwurf der Blockadepolitik im Bundesrat machen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch der postpolitische Sprecher der CSU im Europaparlament, Markus Ferber, hat sich zu diesem Postgesetzentwurf geäußert.

Er sagte, dieser Gesetzentwurf gefährde Zehntausende von Arbeitsplätzen. Er sagte weiter, diese Regelung, die am Donnerstag - also kurze Zeit nach seiner Außerung beraten werde, sei abzulehnen. Herr Ferber betont, die ungleichmäßige Abschaffung des Postmonopols in Europa gehe im Moment einseitig zu Lasten der Deutschen Post AG. Er hat weiter konkretisiert, warum er der Meinung sei, daß man diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen könne.

Das heißt, dass alle Fachleute in der CSU, zu denen ich in diesem Fall auch den Wirtschaftsminister in Bayern und seinen Staatssekretär zähle, und der postpolitische Sprecher der CSU im Europaparlament gegen diesen Gesetzentwurf sind. Nur die CSU-Bundestagsabgeordneten kümmern sich darum überhaupt nicht und haben diesem Gesetzentwurf ohne Wenn und Aber zugestimmt.

Entweder sind sie so maßlos arrogant, dass sie es nicht nötig haben, auf ihre eigenen Fachleute zu hören, oder sie sind wieder einmal zu feige, gegenüber der FDP eine andere Meinung zu vertreten.

(Beifall bei der SPD) Worum geht es in dieser Sache? Das Postgesetz, so wie es jetzt vom Bundestag beschlossen worden ist, sieht einen Beförderungsvorbehalt für die Deutsche Post AG lediglich für Briefe bis 100 Gramm und nur bis zum Jahre 2002 vor. Laut Artikel 87 des Grundgesetzes trägt der Staat eine besondere Verantwortung für die Versorgung mit Postdienstleistungen. Der Bund ist verpflichtet, flächendeckend angemessene Postdienstleistungen zu gewährleisten. Diese Forderung kann die Deutsche Post AG aber nur erfüllen, wenn die finanziellen Voraussetzungen stimmen. Das heißt, dass ein Beförderungsvorbehalt für Briefe und Infopost bis 350 Gramm, so wie es auch die EU-Richtlinien vorsehen, notwendig ist. Eventuell könnte man noch über eine Absenkung auf 100 Gramm reden.

Weiterhin ist notwendig, dass dieser reservierte Bereich nicht von vornherein zeitlich befristet sein darf, denn die Post muss auf Dauer in die Lage versetzt werden, trotz Pensionslasten in Milliardenhöhe qualifizierte sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze statt 610-DM-Jobs zur Verfügung zu stellen. Denn das wäre die Konsequenz, wenn man diesen Bereich der Post völlig freigäbe. Darüber hinaus muss die Post in die Lage versetzt werden, eine bürgerfreundliche Infrastruktur bereitzustellen und aufrechtzuerhalten. Dazu gehört auch das Netz der Postfilialen in Bayern.

Eine Beschränkung auf Briefe hat im Fax-Zeitalter keine Zukunft für die Post. Die lukrative Infopost picken sich dann die anderen heraus. So sieht es im Moment laut Gesetzeslage aus.

Des weiteren müßte im Postgesetz das Verbot des sogenannten Remailing geregelt werden, das heißt in der Praxis, jenseits der Landesgrenzen die Post zu niedrigen Kosten aufzugeben und die Beförderung, die Verteilung und Zustellung der Deutschen Post AG zu überlassen.

Desgleichen müßten eine Lizenzauflage für qualifizierte Arbeitsplätze in das Postgesetz aufgenommen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Zeichen der Massenarbeitslosigkeit ist es schlichtweg ein beschäftigungspolitischer Skandal, ein Gesetz zu beschließen, dessen Folge die Vernichtung von Zehntausenden von sozial gesicherten Arbeitsplätzen bedeuten wäre, was die massenhafte Ausweitung ungeschützter Arbeitsverhältnisse nach sich ziehen würde.

(Beifall bei der SPD)

Dies ist in dieser Zeit schlicht verantwortungslos. Dies geht zu Lasten der sozialen Sicherheit der Arbeitenehmer, der sozialen Sicherungssysteme und eines freien Wettbewerbs. Aber auch in der Frage der 610-DM-Jobs konnte sich Herr Schäuble gegenüber der FDP nicht durchsetzen. Man hat manchmal den Eindruck, nicht die CDU/CSU stelle den Bundeskanzler, sondern die FDP. (Dr. Ritzer (SPD): Das ist wohl richtig!)

Über die Post zu schimpfen, wenn sie Filialen schließt, aber ihr gleichzeitig die finanziellen Grundlagen zum Erhalt dieser Filialen zu entziehen, ist ein schändliches, ein schäbiges und ein hinterhältiges Spiel und fördert nur die Politikverdrossenheit.

(Beifall bei der SPD) Jeder, der in seinem Stimmkreis künftig die Schließung von Postfilialen bejammert, aber gleichzeitig im Parlament nicht bereit ist, gegen dieses Postgesetz vorzugehen, der macht sich mehr als unglaubwürdig. Er weiß im Grunde ganz genau, dass das, was er draußen verkündet, mit seinen Taten im Parlament in keiner Weise übereinstimmt.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion fordert deshalb die Bayerische Staatsregierung auf, die SPD-regierten Länder im Bundesrat und im Vermittlungsausschuß - man ist ja mittlerweile ins Vermittlungsverfahren gegangen - zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD) Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Der nächste Redner ist Herr Kollege Ihle. Bitte, Herr Kollege.

Ihle (CSU): Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf gleich zu Anfang feststellen, dass die Bayerische Staatsregierung am letzten Freitag der Anrufung des Vermittlungsausschusses zugestimmt hat, also auch nicht ganz mit allem einverstanden ist. Ich bin überzeugt, dass wir alles tun werden, um zu einer vernünftigen Regelung zu kommen.

(Dr. Ritzer (SPD): Und was passiert im Parteivorstand der CSU?)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Post befindet sich in einem Prozeß der Umstrukturierung. Dieser Prozeß ist erforderlich, um den neuen Kommunikationsmedien, die auf den Markt drängen, wirksam begegnen zu können. Nur so können die Wettbewerbsfähigkeit der gelben Post erhalten und Arbeitsplätze auch gesichert werden.

Das Postmonopol soll schrittweise abgebaut und der Postmarkt dem Wettbewerb geöffnet werden. Wichtige Eckpunkte einer jeden Reform sind die Erhaltung der Chancengleichheit für die Post AG im Wettbewerb mit privaten Anbietern und die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Postdienstleistungen. Wir werden nicht zulassen, dass die Bürger und die Wirtschaft im flachen Land Nachteile erleiden.

(Maget (SPD): Das ist doch euer Gesetz!)

Diese Ziele verfolgt auch die Postgewerkschaft. Die CSU vertritt die klare Position, dass den Postkunden im ländlichen Raum durch die Liberalisierung keine Nachteile entstehen dürfen.

(Leichtle (SPD): Das sind Allgemeinplätze!)

Wir fordern außerdem eine Einbeziehung der sogenannten Infopost, also adressierter Massensendungen, in die Lizenzpflicht. Im Grundgesetz ist festgeschrieben, dass der Bund angemessene und ausreichende Dienstleistungen im Bereich des Postwesens flächendeckend zu gewährleisten hat. Dieser Universalauftrag kann gegenwärtig nicht ohne die Post AG erfüllt werden. Sie allein besitzt zur Zeit die flächendeckende Infrastruktur, die für die Annahme und die Zustellung von Brief-, Post- und Paketsendungen erforderlich ist. Zur Sicherung dieser Finanzierung muß der Deutschen Post AG deshalb ein reservierter Bereich von ausreichendem Umfang belassen werden.

Nach dem Gesetzentwurf soll die Exklusivlizenz für die Deutsche Post AG für die Briefsendungen gelten, deren Einzelgewicht weniger als 100 Gramm und deren Einzelpreis weniger als 5,50 DM beträgt. Wir lehnen diesen engen Umfang ab.

(Leichtle (SPD): Die CSU hat aber zugestimmt!)

Meine Damen und Herren, die Liberalisierung des Postmarktes ist zwangsläufig mit Anpassungsmaßnahmen im Personalbereich verbunden. Bislang waren die Deutsche Post AG und die Deutsche Postgewerkschaft allerdings in der Lage, den Umstrukturierungsprozeß der Post im großen und ganzen sozialverträglich zu gestalten.

Postdienstleister, die am Markt bestehen wollen, müssen qualifiziertes und zuverlässiges Personal einsetzen. Dies ist nur bei leistungsgerechter Entlohnung und Beständigkeit im Arbeitsverhältnis möglich. Die CSUFraktion hat in zwei Anträgen gefordert, dass ein schlüssiges Konzept des Postfilialnetzes und des Postvertriebsdienstes vorgelegt werden muß.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass die Bayerische Staatsregierung alle Anstrengungen unternehmen wird, dass im neuen Postgesetz und im Vermittlungsausschuß ein ausgewogener Kompromiß zwischen den Kriterien Liberalisierung, angemessenes Dienstleistungsangebot, und sozialverträgliche Umsetzung erreicht wird.

(Beifall bei der CSU) Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Der nächste Redner ist Herr Kollege Dr. Runge. Ich erteile Ihnen das Wort.

Dr. Runge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Postgesetz, über das wir gerade beraten, ist ein weiteres Ergebnis des Privatisierungs- und Deregulierungswahns und des Wettbewerbsaberglaubens der Bundesregierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Gesetzentwurf geht zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger, hier: der Postkunden, der Arbeitnehmerschaft und letzlich auch des Umweltschutzes.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Bundesrat hat erfreulicherweise diesem Gesetzentwurf nicht zugestimmt und ihn in den Vermittlungsausschuß verwiesen. Die Gesetzesvorlage enthält zahlreiche Schwachstellen. Die Bundestagsfraktionen der GRÜNEN und der SPD haben Änderungsvorschläge eingebracht, die jedoch allesamt abgelehnt worden sind. Die Konsequenz war, dass dieser Entwurf von den Bundestagsfraktionen der GRÜNEN und der SPD abgelehnt wurde. Leider haben die Kolleginnen und Kollegen der CSU im Bundestag diesem Entwurf zugestimmt. Herr Kollege Leichtle hat dies gerade gegeißelt.

Ein Knackpunkt des Gesetzentwurfes ist, dass künftig nur noch Briefsendungen bis zu 100 Gramm und einem Höchstporto bis zu 5,50 DM geschützt sind. Außerdem soll dieser Schutz nur bis zum Jahr 2002 bestehen.

Aus unserer Sicht sollten postpolitische Zielsetzungen Kundenfreundlichkeit, Infrastrukturleistungen, Versorgungssicherheit umfassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Grundversorgung im Universaldienst ist zu sichern.

Dies gilt auch für die Tarifeinheit im Raum. Ein Brief von Fürstenfeldbruck nach München darf nicht billiger als ein Brief von Cham nach Waldsassen sein. Schließlich ist noch die Wahrung des Briefgeheimnisses sicherzustellen.

Daneben gilt es, die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie ökologische Aspekte zu berücksichtigen. Wer sich die Entwicklung im Postwesen ansieht, stellt fest, dass die Entwicklung überall negativ ist

Zu den Umweltbedingungen möchte ich kurz bemerken, daß der Vertrag mit der Bahn gekündigt wurde, dass für die neuen Briefzentren kein Gleisanschluß eingeplant wurde und dass das Remailing in diesem Postgesetz nicht geregelt ist.

Ich möchte die Versorgung der Bürger und die Arbeitsplatzthematik zusammenfassen: Die Zahl der Filialen soll von jetzt 16 000 auf 12 000 im Jahre 2000 vermindert werden. Im Jahre 2002 sollen nur noch 10 000 Filialen bestehen. Lediglich die Hälfte dieser stationären Vertriebsstellen sollen eigenständige Filialen sein. Auf diese Weise wird die Grundversorgung beeinträchtigt und die Zahl der Arbeitsplätze reduziert.

Ziele des neuen Gesetzes sind die Grundversorgung und der Wettbewerb. Wer jedoch die Begründung liest, stellt fest, dass es in erster Linie um die Schaffung und Gewährleistung von Wettbewerb geht. Aus diversen Gutachten geht hervor, dass zu erwarten ist, dass die Preise um dreißig bis vierzig Prozent vermindert werden.

Ich möchte wissen, wie das funktionieren soll. Sie dürfen nicht vergessen, dass die Postleistungen umsatzsteuerpflichtig werden. Trotzdem wird den Bürgern suggeriert, daß sie künftig Leistungen in gleicher Qualität für weniger Geld bekommen. Dies wird nur dann funktionieren, wenn die Kosten der Post stark gedrückt werden. Der größte Kostenfaktor bei der Post ist jedoch das Personal.

Deshalb wird es im Postbereich zukünftig voraussichtlich mehr sozialversicherungsfreie Arbeitsverhältnisse geben.

Ich zitiere den Vertreter des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung im Postausschuß:

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung birgt die Gefahr der Störung des sozialen Friedens und der Gefährdung der Leistungserbringung im Postsektor und begünstigt die Gefahr krimineller Handlungen, insbesondere von Verstößen gegen postspezifische Bestimmungen wie das Postgeheimnis.

Bei der Post AG droht die Freisetzung weiterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ich erinnere daran, daß der Bund hier Pensionslasten zu tragen hat. Im Brief- und Paketdienst besteht kein natürliches Monopol, wie das etwa bei der Energieversorgung oder der Telekommunikation der Fall ist. In den Ballungszentren droht ein ruinöser Wettbewerb, während die Versorgung im ländlichen Raum nicht sichergestellt ist. Ich möchte eine grundsätzliche Frage stellen: Sichert der Wettbewerb die Grundversorgung, oder ist eine funktionierende Grundversorgung nicht vielmehr Voraussetzung für einen fairen, funktionierenden Wettbewerb in unserer Gesellschaft?

(Hofmann (CSU): Dann hätte es ja bisher funktionieren müssen!)

Warum funktioniert es denn nicht? Ich meine, die Post steht auch jetzt schon unter Ihrer Obhut. Also diesen Vorwurf können Sie uns nicht machen.