Hier sind Sie Weltmeister oder zumindest deutscher Meister

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Was die Klassenstärken betrifft, sind Sie wirklich Spitze.

Hier sind Sie Weltmeister oder zumindest deutscher Meister. Sie sind auch Spitze bei den Stundenkürzungen (Christian Knauer (CSU): Das glauben Sie doch selber nicht!)

Auch bei der Zeit, die den Kindern in der Schule zur Verfügung steht, sind Sie Spitze. Sie sind auch Spitze in der Talfahrt des Schulunterrichts.

(Dr. Bernhard (CSU): Also eine umgekehrte Spitze!)

- Natürlich, eine umgekehrte Spitze, je nachdem, wie der Blickwinkel ist.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schlußlicht!) Herr Freller, es nützt nichts, wenn Sie hier immer eine Standortspaltung betreiben. Sie sind für Bayern verantwortlich, reden aber immer über die anderen Bundesländer.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die bayerischen Eltern wollen eine Antwort Bayerns auf die Zukunft der bayerischen Schüler. Diese Antwort verweigern Sie aber ständig und klagen nur über die Opposition.

(Miller (CSU): Die Eltern wollen doch gar nicht die Verhältnisse, wie sie in anderen Bundesländern bestehen!) Ihre polemischen Ausfälle gegenüber der Opposition zeugen doch von einem inneren Notstand bei Ihnen. Sie können nicht mehr die richtigen Antworten geben.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir schon über Niedersachsen reden, möchte ich nur drei Stichworte nennen. Niedersachsen wird bis zum Jahr 2000 15 000 Lehrer einstellen.

(Zurufe von der CSU - Christian Knauer (CSU): Sprüchemacherei vor den Wahlen! Miller (CSU): Märchenstunde!) Niedersachsen hat jetzt schon 400 Klassen mit Fremdsprachenunterricht und 100 Schulen als verläßliche Grundschulen. Niedersachsen hat die Integration eingeführt. Das sind Qualitätsstandards. Davon kann sich Bayern etwas abschneiden.

(Miller (CSU) und Freller (CSU): Schröder spricht von den Lehrern als faulen Säcken! Gegenruf Frau Renate Schmidt (SPD): Dafür hat er sich entschuldigt! Das würde Ihnen nie einfallen!)

- Ich möchte jetzt Zeit haben für meine Ausführungen. Ihr Aufruhr zeigt nur, dass wir recht haben; denn getroffene Hunde bellen, so heißt ein Sprichwort.

Herr Staatsminister, in gewisser Weise müssen Ihnen die Bildungspolitiker dankbar sein, denn Sie haben Bewegung in die Bildungspolitik gebracht.

Ihre Starrheit, Überheblichkeit und Unbeweglichkeit hat Zehntausende auf die Straße gebracht. Als die Alarmsignale längst klingelten, haben Sie immer noch nach dem Motto Weiter so gehandelt. Derzeit werden gegen den Bildungs- und Schulnotstand zu Recht Proteste laut. Sie haben Zehntausende dazu gebracht, auf Unterschriftsund Petitionslisten der SPD recht zu geben, die immer wieder gefordert hat, endlich etwas gegen den Schulnotstand zu tun.

Durch den Druck der Eltern und der Opposition ist einiges geschehen. Die CSU-Fraktion ist nervös geworden, hat von der SPD abgeschrieben und mit dem Kreuther Papier einen Beleg dafür geliefert, dass sich die Qualität des Bildungswesens vermindert hat und sich derzeit auf einer Talfahrt befindet.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Miller (CSU): Das ist eine seltsame Schlußfolgerung!)

Die CSU-Fraktion hat dem Kultusminister bereits im Januar ein schlechtes Februar-Zeugnis ausgestellt.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Kollege Glück hat noch eins draufgesetzt, als er dem Kultusminister vorwarf, dass er einiges verschlafen habe.

(Freller (CSU): So ein Quatsch!)

So wurde das Wort Bildungsnotstand zum Unwort des Bildungsjahres 1998.

(Miller (CSU): Im Erfinden von Unwahrheiten sind Sie Meister!) Sie haben das Wort zu einem Merkmal bayerischer Schulpolitik erhoben. Herr Kultusminister, am Ende Ihrer Amtszeit können Sie nur eine schlechte Bilanz vorlegen.

Sie haben weder auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen noch auf die berechtigten Forderungen der Eltern nach einer guten Schule in Bayern reagiert. Sie haben vielmehr Jahr für Jahr eine neue Grausamkeit hinzugefügt. Hinsichtlich der Mammutklassen ist Bayern Spitzenreiter. Darauf brauche ich nicht mehr einzugehen.

Jedes achte bayerische Kind befindet sich in einer Mammutklasse. In den Realschulen sind Klassenstärken von 35 bis 37 inzwischen Realität. Diese Tatsache belegt, daß Sie diesen Kindern die Zukunft bereits heute verbauen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schüler und Schülerinnen brauchen Zeit zum

Ihre Begabungen müssen gefördert werden. Sie haben jedoch kontinuierlich die Stunden gekürzt. In der Grundschule haben die Schüler heute ein drittel Schuljahr weniger als die Generation vor zehn Jahren. In der Hauptschule besteht die gleiche Situation. In der Hauptschule fällt fast ein halbes Schuljahr durch Ihre Kürzungen weg.

Die Kinder und Jugendlichen brauchen jüngere Lehrkräfte.

Dies ist unbestreitbar. Sie verlängern jedoch die Arbeitszeit der älteren Lehrer und regen zu Mehrarbeit und Überstunden an, während 4000 junge Lehrerinnen und Lehrer außen vor bleiben. In der Volksschule sind derzeit 60 % der Lehrkräfte über 45 Jahre alt. Wenn Sie nichts dagegen unternehmen, wird diese Entwicklung zu einem bösen Ende führen.

Unsere Schulen brauchen mehr Demokratie und stärkere Eigenverantwortung, weil dies die Triebkraft und die Motivation für besseres Lernen und Lehren ist. Dies wäre eine unbedingte Voraussetzung für eine reformerische Schulentwicklung. Sie verstärken demgegenüber den Zentralismus und die Bürokratie, setzen weiterhin auf eine breite Kontrolle und versuchen, den an einzelnen Schulen geäußerten Ruf nach mehr Selbständigkeit lächerlich zu machen. Personen, die für bessere Rahmenbedingungen in der Schule eintreten wollen, bekommen von Ihnen einen Maulkorb verpaßt. Die Schüler brauchen einen modernen Unterricht. Das hat die TIMSS-Studie deutlich gezeigt.

(Miller (CSU): Bayern hat bei dieser Studie gut abgeschnitten! - Christian Knauer (CSU):

Diese Studie war eine Ohrfeige für die SPDregierten Länder!) Sie behaupten, die Ergebnisse dieser Studie würden längst umgesetzt, während in Wirklichkeit an den meisten Schulen Frontalunterricht gehalten wird. Die Schulen setzen immer noch zu wenig auf die Vermittlung von Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen. Die Schüler müssen endlich von der Einzelkämpfermentalität wegkommen und Sozialkompetenz und Teamfähigkeit entwickeln. Dies fordert auch die Wirtschaft. Sie beschränken sich jedoch darauf, von einer neuen Bürgerkultur zu schreiben und zu faseln, und Sie verweigern am Lernort Schule eine Teilhabekultur und mehr Demokratie.

(Dr. Bernhard (CSU): Sie haben das Papier nicht gelesen! Sie müßten Ihre Rede umschreiben!)

Ich könnte weitere Beispiele Ihrer Politik anführen.

Zusammengefaßt lautet das Leitmotto dieser Politik: Nichts sehen, nichts hören und nichts tun. Diese Haltung hat zum Bildungsnotstand geführt. Damit werden junge Menschen bestraft, denen Sie eigentlich eine gute Zukunft ermöglichen müßten. Deshalb ist ein entschlossenes Handeln angesagt. Wir brauchen kleinere Klassen, müssen mehrjunge Lehrerinnen und Lehrereinstellen und die Stundenkürzungen zurücknehmen, weil dies eng mit der Qualität des Unterrichts und der Erziehung zusammenhängt. Wenn wir mehr Zeit für die einzelnen Schüler aufwenden, schaffen wir für diese Schüler auch eine größere Chancengleichheit. Die Eigenverantwortung der einzelnen Schulen muss endlich gestärkt werden.

(Miller (CSU): Nicht so, wie Sie das vorhaben!)

Dies fordern die Eltern ein, weil sie Anwälte ihrer Kinder sind. Wir als Opposition haben diesen Eltern Unterstützung zugesagt. Herr Freller, Sie haben dies als Schindluder treiben mit den Emotionen der Kinder bezeichnet.

Das ist geschmacklos und zeigt, dass Sie die bestehende Lage völlig verkennen.

Herr Kultusminister, die heutige Diskussion zeigt, dass Sie mit Ihrem Latein am Ende sind. Ihre Salamitaktik, an verschiedenen Stellen Grausamkeiten zu verüben und andererseits Teil- und Scheinlösungen anzubieten, macht die Schule auf Dauer kaputt. Schülerinnen und Schüler brauchen endlich bessere Rahmenbedingungen und eine echte innere Schulreform. Dazu fehlen Ihnen eine ganzheitliche Konzeption und der Wille zur Veränderung.

Dazu fehlen Ihnen ferner Phantasie, Kreativität und die Entschlossenheit, eine bessere Politik zu betreiben. Diese Politik wäre notwendig, damit der Quantensprung ins nächste Jahrtausend gelingt. Zu der heutigen Diskussion paßt ein Zitat von Ricarda Huch: Zukunftslos nenne ich diejenigen, die sich nicht mehr weiterentwickeln können und doch nicht sterben wollen, die bleiben wollen, wie sie sind.

Sie sind in der Tat zukunftslos. Wir dürfen es jedoch nicht zulassen, dass alles so bleibt, wie es ist. Wir müssen den Schulnotstand endlich beenden und brauchen im Interesse unserer Kinder eine Kehrtwende in der Bildungspolitik. Sie müssen endlich zeigen, was Ihnen die Bildung unserer Kinder wert ist.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Böhm: Das Wort hat Herr Kollege Dr. Bernhard.

Dr. Bernhard (CSU) (vom Redner nicht autorisiert): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, dass die SPD mittlerweile die Bodenhaftung verloren hat. Sie sind offenbar zuviel in der Bundesrepublik unterwegs und verwechseln die Verhältnisse, die Sie in anderen Bundesländern angerichtet haben, mit den bayerischen Schulverhältnissen. Herr Kollege Irlinger, Sie haben uns gerade gefragt, was uns die Bildung wert ist. Das will ich Ihnen erklären.

Meine Damen und Herren, ich habe den Einzelplan 05

jahrelang im Haushaltsausschuß betreut. Deshalb darf ich feststellen, dass wir über viele Jahre hinweg 13/101 v. 20.02.98 Bayerischer Landtag · 13. Wahlperiode 7229 schnittliche Steigerungsraten in diesem Haushalt verzeichnen konnten. Die Bildungspolitik ist ein Schwerpunkt der bayerischen Politik. Im Jahre 1997 wuchs der Schuletat fünfmal so stark wie der Gesamthaushalt. Im Vergleich zum Jahre 1998 wächst er um das Dreifache.

Das ist uns die bayerische Schulpolitik wert. Ich halte das für eine klare Prioritätensetzung.

Dies wirkt sich auch auf die Planstellen aus. Wir haben im Zeitraum von 10 Jahren, beginnend mit dem Doppelhaushalt 1987/88, mehr als 3000 Stellen in diesem Lande geschaffen. Das ist eine gewaltige Leistung für die bayerischen Schulen. Wir haben die Verlängerung der Arbeitszeiten nicht benutzt, um Planstellen einzuziehen.

Herr Kollege Freller hat soeben darauf hingewiesen, daß wir die Planstellengarantie im Gegensatz zu den Ländern, in denen Sie Regierungsverantwortung tragen, eingehalten haben.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben die Lehrer der Besoldungsstufe VI a von den Stelleneinsparungen ausgenommen und werden vorerst auch die Lehrer der Besoldungsstufe VI b ausnehmen.

Das zeigt eine klare Schwerpunktsetzung für die Bildungspolitik in Bayern.

Im Jahre 2000 werden wir die Situation Bayerns mit der Situation des Landes Niedersachsen vergleichen. Dann werden wir nachprüfen, ob dort tatsächlich 15000 Planstellen geschaffen Wurden. Es gibt einen netten Aphorismus, der besagt, dass alle sozialistischen Versprechen mit den Worten. Es wird einmal beginnen. Wir haben in der Vergangenheit gehandelt. Das können Sie an den Zahlen, die ich Ihnen vorgetragen habe, sehen. Herr Kollege Freller hat bereits eingeräumt, dass wir in allen Länder Probleme haben, dass es einen Schülerberg gibt, den wir bewältigen müssen. Das geht aber nicht mit 15 000 oder 16 000 Planstellen, die zu Beginn der Diskussion gefordert wurden - sie darzustellen ist völlig unmöglich -, sondern nur mit einer integrierten Strategie aus verschiedenen abgewogenen Maßnahmen. Planstellenforderungen allein, denen im übrigen kein einziges Land in der Bundesrepublik nachgibt, sind völlig unsinnig.

(Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Dann stimmen Sie halt unserem Antrag zu!)

Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass sich Bayern bei den meisten Indikatoren wie der Schüler-Lehrer-Relation hervorragend darstellt, während der SPD der Blick in die anderen Länder ziemlich unangenehm zu sein scheint. Ich habe eine lange Liste dabei, die ich Ihnen zur Gänze gar nicht vorlesen will. Nur so viel: Kürzungen bei der Stundentafel in Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Berlin, Verlängerung der Lehrerarbeitszeit in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Anhebung der Klassenstärken im Saarland, in Bremen, Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen.

(Zurufe von der SPD) Tun Sie doch nicht so, als würden wir Politik im luftleeren Raum, losgelöst von finanziellen Rahmenbedingungen, machen können. Sie wissen doch, dass wir im letzten Jahr mehr als eine Milliarde DM Steuern nicht eingenommen haben, die wir gerne eingenommen hätten.

(Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Die Steuern konnten wir nicht einnehmen, weil Sie sich permanent weigern, der Durchführung notwendiger Reformen in der Bundesrepublik zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU - Fortgesetzte Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Frau Renate Schmidt (SPD):

Dann werden ja noch weniger Steuern eingenommen!)

Das ist doch der wahre Grund dafür, dass wir bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und bei der Lösung anderer Probleme nicht vorankommen.

(Widerspruch bei der SPD) Mir ist schon klar, dass Ihnen unser Bildungspapier gewaltig im Magen liegt.

(Widerspruch bei der SPD)

Es wird vernünftige Grundlagen für die Schule im 21.

Jahrhundert legen. Der Zuspruch aus der Lehrerschaft und aus der Bevölkerung für Innovationen in der Bildungspolitik ist enorm - und tut Ihnen gewaltig weh.

Das bayerische Schulwesen ist auch aus finanzieller Sicht nach wie vor Spitze, auch wenn wir unter den momentanen Bedingungen gewisse Einschränkungen vornehmen müssen. Den Schülerberg werden wir in der nächsten Legislaturperiode mit vernünftigen Strategien angehen. Mir ist klar, dass wir auch in gewissem Umfang mit Planstellen helfen müssen, um voranzukommen. Wir werden ein ganzes Bündel von Maßnahmen vorstellen.

Sie dagegen betreiben nur Volksverdummung, aus der Sie politisches Kapital zu schlagen hoffen.

(Beifall bei der CSU - Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Böhm: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Kollegin Werner-Muggendorfer das Wort.

Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Bernhard, ich gebe Ihnen recht: Das CSU-Papier ist wirklich wunderbar. Denn es enthält 17 SPD-Anträge, die von der CSU leider vorher abgelehnt worden sind.

(Beifall bei der SPD)

Und da Sie, Herr Kollege Dr. Bernhard, bei Schuldzuweisungen immer ganz groß sind, darf auch ich einmal der Schuldfrage nachgehen, zum Beispiel was die Misere der beruflichen Bildung angeht, die von der Wirtschaft, die keine Ausbildungsplätze mehr zur Verfügung stellt, regelrecht bestreikt wird, wie teilweise die allgemeine Bildung von Schülern, Eltern und Lehrern.