Wohlfahrt

Auch wenn die Zahl der Auslandsmaßnahmen im Vergleich zu der Gesamtzahl der Hilfen zur Erziehung in Hessen äußerst gering ist, steht die Landesregierung den Jugendhilfemaßnahmen im Ausland kritisch gegenüber.

In der Vergangenheit ist es bei der Durchführung von Hilfen im Ausland immer wieder zu besonderen Zwischenfällen gekommen, die Zweifel an den angemessenen Rahmenbedingungen, an der fachlich sorgfältigen Vorbereitung, Durchführung und an dem Einsatz von ausreichend qualifizierten Fachkräften aufkommen lassen.

Daher begrüßt die Landesregierung die im Mai 2004 von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter verabschiedeten "Empfehlungen für Standards und Rahmenbedingungen bei der Gewährung von intensivpädagogischen Hilfen im Ausland für die Jugendämter" und wird sich für die Umsetzung in Hessen einsetzen. Ziel ist, dass Hilfen im Ausland nur dann erbracht werden dürfen, wenn das Hilfeziel nicht anders erreicht werden kann.

Weiterhin wird festgehalten, dass diese Hilfen nur von Trägern erbracht werden dürfen, die eine erlaubnispflichtige Einrichtung im Inland betreiben.

Diese Vorgabe ist gekoppelt mit der Auflage der engen Zusammenarbeit der Träger mit den jeweiligen deutschen Vertretungen im Ausland mit dem Ziel der Verfahrenssicherheit.

Frage 15. Welche pädagogische Bedeutung misst die Landesregierung der sportlichen Förderung erziehungshilfebedürftiger Jugendlicher bei?

Der Sport leistet einen wichtigen und auch unverzichtbaren sozialen Beitrag für das Gemeinwesen.

Darüber hinaus gewinnen im Kontext sozialpädagogischer Maßnahmen körper- und bewegungsbezogene Konzepte zunehmend an Bedeutung. Die Palette reicht von traditionellen sportartspezifischen Angeboten über OutdoorAktivitäten und Kampfsport bis hin zu differenzierten körper- und bewegungsbezogenen Konzepten.

Es ist unbestritten, dass der Sport für viele Jugendliche, und gerade auch für auffällige junge Männer, oft das einzig übrig gebliebene Erfahrungsfeld ist, in dem sie Erfolg, Selbstbestätigung, positives Gruppenerlebnis mit Anerkennung und Gruppenerfolg erfahren können. Sportliche Aktivitäten sind somit Inhalt und Methode der Jugendhilfe zugleich. Sie sind häufig das einzige Mittel, um an "problematische" männliche Jugendliche heranzukommen und sie zu integrieren.

Die Landesregierung misst deshalb der sportlichen Förderung erziehungshilfebedürftiger Jugendlicher im Rahmen der sozialen Arbeit grundsätzlich einen hohen Stellenwert bei.

Frage 16. Wie bewertet die Landesregierung das Konzept der Erziehung durch Sport, das im Trainingscamp Gut Kragenhof vom Verein Durchboxen e.V. umgesetzt wird?

Die Ursprungsidee für das Trainingscamp Gut Kragenhof resultiert aus den Erfahrungen des Boxcamps Philippinenhof, einem Stadtteilprojekt in der Stadt Kassel. Unter fachkundiger Anleitung werden Jugendliche an den Boxsport herangeführt, die in hohem Maße in ihrem Sozialverhalten geschädigt und oftmals straffällig geworden waren, Suchtverhalten zeigten und als in die Gesellschaft nicht integrierbar galten. Über das Medium Boxsport gewinnen viele dieser Jugendlichen Selbstdisziplin, Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein, positives Körpergefühl, Körperbeherrschung, das Gefühl für eine eigene, positive Leistung und Respekt vor dem sportlichen Gegner als Menschen. Die Erfahrungen sind bei vielen Jugendlichen Ausgangspunkt für die Eingliederung in ein "normales" soziales und berufliches Leben. Einige dieser Jugendlichen sind zwischenzeitlich selbst als Trainer für andere Jugendliche tätig und geben ihre positiven Erfahrungen weiter.

Anfang 2004 hat sich der "Verein Durchboxen im Leben e.V." gegründet.

Er ist Träger des Trainingscamps Gut Kragenhof. Mit der Gründung des Trainingscamps wird in Hessen ein Erziehungshilfeangebot vorgehalten, das in seiner spezifischen Art bundesweit einmalig ist. Die Landesregierung misst diesem Jugendhilfeangebot eine große Bedeutung bei und bewertet die Arbeit positiv.

Frage 17. Wie beurteilt die Landesregierung das Konzept, das der Arbeit im Frankfurter Jugendzentrum Hausen zugrunde liegt?

Das Frankfurter Jugendzentrum Hausen, das vom Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt betrieben wird, deckt folgende Arbeitsfelder ab: Jugendtreff Hausen mit Schwerpunkten in den Bereichen Erlebnispädagogik und Musik,

Streetwork, Stadtteilarbeit, Beratung, Einzelhilfen, Vermittlung und schulische Begleitung. Die Arbeit wird positiv beurteilt.

Frage 18. Welche Angebote bestehen für Eltern in Hessen, um sie in ihrer Erziehungskompetenz zu stärken?

In Hessen gibt es eine Vielzahl von Angeboten, die Eltern in ihrer Erziehungskompetenz stärken, so z. B. durch die Volkshochschulen, die Familienbildungsstätten, Elternschulen, Familienberatungsstellen, Mütterzentren, Familien- und Elternzentren, Deutscher Kinderschutzbund, Kirchengemeinden, private Einrichtungen, freie Träger - teilweise mit entsprechender Vernetzung auf der Ebene der örtlichen Jugendhilfe. Außerdem werden eine stärkere Vernetzung auf kommunaler Ebene (z.B. Familienbildungsstätten und Mütterzentren mit örtlicher Jugendhilfe, Kindertagesstätten und Schule, VHS sowie mit weiteren Einrichtungen und Institutionen, die in diesen Feldern tätig sind) und eine weitere Kooperation der verschiedenen Ressorts (z.B. Soziales und Kultus) angestrebt.

Der Familien-Atlas im Internet (www.sozialnetz-hessen.de/familienatlas) stellt Eltern weitere moderne, umfangreiche und hilfreiche Informationen, die ohne großen Aufwand zugänglich sind, zur Verfügung.

Somit haben Eltern vielfältige Möglichkeiten, entsprechende Informationen, Beratung sowie Unterstützung und Hilfestellung zu erhalten. Auch zu speziellen Themenbereichen werden viele Informationen/Kurse angeboten (z.B. Starke Eltern - starke Kinder, Elternbildung im Sinne des Prager-ElternKind-Programms (PEKiP; Entwicklungsbegleitung während der ersten Lebensjahre des Kindes), Triple P (Positiv Parenting Programm/Positives Erziehungsprogramm; Anregungen zum Aufbau einer positiven Beziehung zum Kind, Gestaltung eines schönen Familienalltags, Schulung im Umgang mit schwierigen Situationen bzw. Vorbeugung). Anbieter in diesem Zusammenhang sind z. B. der Deutsche Kinderschutzbund, die Familienbildungsstätten und die Mütterzentren.

Von der Landesregierung geförderte Projekte, die im direkten Zusammenhang mit einer Verbesserung der Erziehungskompetenz von Eltern stehen, wie z. B. die Stiftung Lesen sowie das Kinder- und Jugendtelefon, eröffnen diesen eine andere Sichtweise im Hinblick auf pädagogische Fragen und ermöglichen die Inanspruchnahme weiterer Beratung.

Frage 19. a) Bestehen Überlegungen seitens der Landesregierung, die Wirksamkeit von Maßnahmen der Jugendhilfe zu evaluieren, und zwar unter Bezug auf Voraussetzungen, Prozesse, Effekte und Steuerungsmöglichkeiten?

b) Wenn ja, mit welcher Methode soll diese Evaluation vorgenommen werden?

c) Wie bewertet die Landesregierung in diesem Zusammenhang das als Ergebnis der Jugendhilfe-Studie JES entwickelte Evaluationskonzept zum Nachweis der Wirkungen der verschiedenen Hilfen zur Erziehung?

d) Welche Bedeutung misst die Landesregierung in diesem Zusammenhang der Sozialberichterstattung bei?

Zu a und b:

Die Evaluation von Maßnahmen der Jugendhilfe ist im Rahmen der Qualitätsentwicklungsvereinbarung (§ 78 b KJHG) Aufgabe der örtlichen Jugendhilfeträger.

Zu c:

Das aus der Jugendhilfestudie JES entwickelte Evaluationskonzept "Evaluationsstudie erzieherische Hilfen" (EVAS) umfasst aktuell ca. 15.000 Einzeldokumentationen. Allein das ist ein Beleg für die Bedeutung dieses viel beachteten und bundesweit größten Qualitätsanalyseverfahrens im Bereich der Hilfen zur Erziehung. EVAS dient als Evaluationsinstrument in ca. 20 hessischen Einrichtungen freier Träger (für die Einzelfälle und für den Einrichtungsvergleich). Mit EVAS ist sowohl ein Controllinginstrument für Prozess- und Ergebnisqualität in Einrichtungen und Diensten der Kinder- und Jugendhilfe als auch ein Evaluationsinstrument entwickelt worden, mit dem auf verschiedenen Ebenen die Arbeitsprozesse und -ergebnisse bewertet werden können. Diese Analysen von Hilfeprozessen und die Auswertung von Hilfeplänen liefern wertvolle Hinweise für die Verbesserung der Qualität von Leistungen, wie sie von den beteiligten Partnern in der Jugendhilfe angestrebt werden.

Mittlerweile ist EVAS zumindest in einem Fall auch ein Mittel zur Qualitätsentwicklung bei einem öffentlichen Träger (Jugendamt der Stadt Fulda).

Zu d:

Eine Sozialberichterstattung stellt in diesem Kontext nicht das richtige Instrumentarium dar, da es sich hierbei um höchst komplexe Zusammenhänge handelt, die den Rahmen einer Berichterstattung sprengen würden. Es bestehen seitens der Kommunen, unter Beteiligung des Landes, Facharbeitsgruppen, in denen dieser notwendige Wissenstransfer wesentlich wirksamer durchgeführt wird.

Frage 20. Wie bewertet die Landesregierung die Forderung nach einer konsequenten Sozialraumorientierung der Kinder- und Jugendhilfe?

Die Umsetzung einer konsequenten Sozialraumorientierung der Kinder- und Jugendhilfe, wie sie im Achten Kinder- und Jugendbericht aus dem Jahr 1990 steht, wird aus fachlichen Gründen auch vom Land Hessen befürwortet. Die Umsetzung ist eine Angelegenheit der Kommunen. Hier sind in den zurückliegenden Jahren durchaus Entwicklungen in einzelnen Kreisen und Städten erkennbar. So hat z. B. der Main-Kinzig-Kreis schon vor ca. fünf Jahren eine Jugendhilfestation eingerichtet. Auch die Stadt Kassel und die Stadt Hanau erproben aktuell Formen sozialräumlich orientierter flexibler Jugendhilfe. Diese Projekte befinden sich aber noch in der Aufbauphase, sodass eine Ausdifferenzierung der Angebote noch nicht stattgefunden hat.

Frage 21. Teilt die Landesregierung die Befürchtung, dass die Verknüpfung der Entgeltfinanzierung mit Leistungsvereinbarungen sowohl die Bedarfsorientierung als auch das Wunsch- und Wahlrecht in der Kinder- und Jugendhilfe beeinträchtigen und dass die Durchsetzung von Sozialraumbudgets die Gewährleistung individueller Rechtsansprüche gefährden könnte?

Der § 78 b KJHG regelt die Voraussetzungen für die Übernahme des Leistungsentgeltes durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Abschluss von Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvereinbarung).

Die konkrete Hilfeart bestimmt sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall.

Die Leistungsberechtigten haben das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Werden die oben angegebenen Regeln eingehalten, so sind keine Implikationen zu befürchten.

Sozialraumorientierung bedeutet, dass auf der Basis eines Vertrages zwischen öffentlichem und freiem Träger der freie Träger berechtigt und verpflichtet ist, in einem festgelegten Sozialraum bestimmte Aufgaben zu übernehmen. Hierfür erhält er ein so genanntes Sozialraumbudget. Tendenziell ist das Sozialraumbudget begrenzt.

Eine solche Vereinbarung bedarf einer ausgesprochen gründlichen Klärung, um das Konzept in rechtlich zulässiger Weise zu realisieren. Das heißt, dass z. B. die Sicherung der materiellen Rechtsansprüche der Leistungsberechtigten, die Einhaltung der Verfahrens-, Datenschutz- und Kostenbeteiligungsvorschriften und die Sicherung des Wunsch- und Wahlrechts der Leistungsberechtigten gewährleistet sein müssen.

Werden diese Bereiche im Rahmen der vom Gesetzgeber getroffenen Regelungen des KJHG entsprechend geregelt, so stellt die Sozialraumorientierung durchaus eine fachliche Weiterentwicklung dar.

Frage 22. Welche Maßnahmen der Qualitätssicherung kommen in der hessischen Jugendhilfe zur Anwendung?

Mit Datum vom 1. Januar 2002 trat in Hessen eine Rahmenvereinbarung für die Gestaltung der Einzelvereinbarungen über Leistungsangebote, Qualitätsentwicklung und Entgelte nach den §§ 78a ff. KJHG in Kraft (Hess. RV). Sie interpretiert die §§ 78a ff. KJHG und legt Handlungsschritte für Hessen fest. Konkrete anwendbare Handlungsschritte und teils auch Inhalte wurden auf der kommunalen Ebene erarbeitet. Folgende Grundsätze gelten für die Qualitätsentwicklungsvereinbarung (Anlage 2 der Hess. RV):

- Vereinbarung über Dokumentation und Berichtswesen

Die Grundlage des Berichtswesens ist die Dokumentation von Abläufen, Verfahren und Maßnahmen.

- Vereinbarung zu Methoden, Auswertung und Indikatoren der Bewertung

Hier wird geregelt, mit welchen Methoden die Daten und Dokumentations- und Berichtswesen zusammengeführt und anhand welcher Kriterien sie bewertet werden.

- Der Bericht zur Qualitätsentwicklung Grundlage des Verfahrens zur Erstellung des Berichtes ist eine gemeinsame, einvernehmliche Festlegung zu seinen Strukturen, Inhalten und Zeiträumen.