Gesetz

14. Wahlperiode Drucksache 14/133

07.12.

Gesetzentwurf der Abgeordneten Glück, Dr. Weiß, Dr. Kempfler und Fraktion CSU zur Änderung der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung A) Problem

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 29.08.1997 (GVBl S. 520, 1997, 622 ff.) festgestellt, dass Teile des mit Volksentscheid vom 01.10.1995 zustandegekommenen Gesetzes zur Einführung des kommunalen Bürgerentscheids verfassungswidrig sind. Das Gericht erklärte die in Art. 18 a Abs. 8 GO und Art. 25 a Abs. 8 geregelte Sperrwirkung wegen zu weitgehender Handlungseinschränkungen der kommunalen Repräsentativorgane für verfassungswidrig und nichtig.

Zugleich stellte es fest, dass die dreijährige Bindungswirkung des Bürgerentscheids in Verbindung mit einem fehlenden Beteiligungs- oder Zustimmungsquorum gegen das Selbstverwaltungsrecht und das Demokratieprinzip verstößt und daher verfassungswidrig ist; der Gesetzgeber wurde insoweit verpflichtet, spätestens bis zum 01.01.2000 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen.

Darüber hinaus führten einzelne gesetzliche Bestimmungen zu rechtlichen Streitfragen und Unklarheiten im Verwaltungsvollzug.

B. Lösung:

Dem Auftrag des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs an den Gesetzgeber wird dadurch Rechnung getragen, daß ein Bürgerentscheid nur dann wirksam sein soll, wenn die Mehrheitsentscheidung von einer nach Einwohnergröße abgestuften Mindestzahl von Stimmberechtigten getragen wird und die Bindungswirkung des Bürgerentscheids auf ein Jahr verkürzt wird; sie entfällt, wenn sich die Sach- oder Rechtslage wesentlich geändert hat.

Ferner soll wieder eine Sperrwirkung eingeführt werden, die allerdings erst ab Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens eintritt.

Zur Bereinigung von rechtlichen Streitfragen und Unklarheiten sowie unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus dem Verwaltungsvollzug sind außerdem folgende wesentliche Änderungen beabsichtigt:

Verkürzung der Überprüfungs- und Zulassungsfrist bei Bürgerbegehren (unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats)

Abschaffung der bisherigen Zweidrittelmehrheit für Beschlüsse, mit denen der Gemeinderat oder der Kreistag Bürgerentscheide herbeiführt Seite 2 Bayerischer Landtag 14. Wahlperiode Drucksache 14/133

Aufhebung der Pflicht, bei Bürgerbegehren in jedem Fall drei vertretungsberechtigte Personen zu benennen (nunmehr bis zu drei)

Einführung der obligatorischen Stichfrage im Falle widersprüchlich zur Abstimmung gestellter Fragen nach Gemeinden getrenntes Unterschriftensammeln bei Landkreisbürgerbegehren

Mitwirkungspflicht der Gemeinden bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden auf Landkreisebene gegen Erstattung der dadurch entstehenden besonderen Aufwendungen

Aufnahme einer Satzungsermächtigung zur Regelung der Verfahrensabläufe bei gleichzeitiger Garantie des freien Unterschriftensammelns

Aufnahme einer Bestimmung in die Landkreisordnung über die für die Quorenberechnung maßgebliche Einwohnerzahl (in Anpassung an Art. 122 Abs. 1 GO)

Im übrigen führt der Gesetzentwurf mit dem Bürgerantrag ein zusätzliches Mitwirkungsrecht für die Gemeinde- und Kreisbürger ein.

C) Alternativen

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 29.08.1997 zwar ausgeführt, dass der Gesetzgeber für die Beseitigung des verfassungswidrigen Zustandes wegen fehlenden Quorums und langer Bindungswirkung einen gewissen Gestaltungsspielraum habe. Gleichzeitig stellte das Gericht jedoch ausdrücklich fest, dass den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Selbstverwaltungsrechts in seiner Verbindung mit dem Demokratieprinzip nach Art. 11 Abs. 2 und 4 der Bayerischen Verfassung am ehesten eine gesetzgeberische Lösung entspräche, die eine maßvolle Bindungswirkung mit einem Quorum beim Bürgerentscheid verbinde. Dieser Empfehlung des Verfassungsgerichtshofs trägt die vorgeschlagene Regelung in besonderer Weise Rechnung.

Der Verzicht auf das im Gesetzentwurf vorgesehene Quorum beim Bürgerentscheid wäre auch deshalb nicht empfehlenswert, weil beim Bürgerentscheid die Mehrheitsentscheidung von einer Mindestzahl von Stimmberechtigten getragen sein sollte. Ein einheitliches Abstimmungsquorum empfiehlt sich nicht, weil nur mit einer Abstufung der Tatsache Rechnung getragen werden kann, dass mit zunehmender Einwohnerzahl in der Regel die Bürger schwerer mobilisiert werden können und seltener in ihrer Gesamtheit betroffen sind.

Eine zumindest einjährige Bindungswirkung erscheint erforderlich, um die im aufwendigen Verfahren des Bürgerentscheids getroffenen Entscheidungen davor zu schützen, dass sie alsbald durch einen Gemeinderats- oder Kreistagsbeschluß aufgehoben oder abgeändert werden.

Drucksache 14/133 Bayerischer Landtag 14. Wahlperiode Seite 3

Ferner könnte erwogen werden, dass an Stelle des bisher außerhalb der Amtsräume möglichen freien Unterschriftensammelns ausschließlich eine Eintragung in der Gemeindeverwaltung tritt. Gegen das freie Unterschriftensammeln hat zwar der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 29.08.1997 gewisse Bedenken erhoben, aber zugleich festgestellt, daß der Volksgesetzgeber das ihm zustehende Beurteilungsermessen nicht überschritten habe und ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip oder das Rechtsstaatsprinzip nicht gegeben sei.

Der Gesetzgeber sollte an der bisherigen Regelung des freien Unterschriftensammelns festhalten und eine Auslegung der Unterschriftenlisten in den Amtsräumen gesetzlich nicht vorschreiben. Ein Amtseintragungsverfahren wäre mit erheblichen Einschränkungen für die Initiatoren eines Bürgerbegehrens verbunden. Insbesondere müßten ein Zulassungsantrag, ein Vorprüfungsverfahren und eine Frist für die Auslegung der Bürgerbegehrenslisten eingeführt werden. Ferner würde die Amtseintragung zu einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bei solchen Initiativen führen, bei denen von vornherein nicht damit gerechnet werden kann, dass sie die für ein erfolgreiches Bürgerbegehren erforderlichen Unterschriften erhalten. Hinzu kommt, dass kein anderes Land die Amtseintragung bei Bürgerbegehren kennt.

D. Kosten:

Durch diesen Gesetzentwurf wird der Staatshaushalt nicht berührt. Ferner ist davon auszugehen, dass durch die Änderungen bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheid für die Gemeinden und Landkreise keine Mehrkosten verursacht werden. Soweit die Landkreise durch die nunmehr ausdrücklich geregelte Erstattungspflicht den Gemeinden die besonderen Aufwendungen zu erstatten haben, entspricht dies den Grundsätzen der Amtshilfe und der Tatsache, daß der Landkreis bereits bisher gemäß Art. 25 a Abs. 10 Satz 2 die Kosten des Bürgerentscheides zu tragen hatte. Mehrkosten in nicht bezifferbarer Höhe können den Gemeinden und den Landkreisen durch den Bürgerantrag entstehen.