Sparkassen in Bayern: Ihre Probleme, ihre Kontrolle und ihre Zukunft

Bayerische Sparkassen haben durch hohe Verluste infolge von Forderungsausfällen während der letzten Zeit mehrfach Negativschlagzeilen gemacht. Einige lokale Sparkassen mußten deshalb von stärkeren Nachbarinstituten aufgefangen werden. Die Sparkassen sind Anstalten des öffentlichen Rechts für die der betreffende Landkreis oder die Gemeinde als Gewährträger unbeschränkt haften. I.d.R. haben diese Sparkassen zwei Organe: den Vorstand als Geschäftsführungsorgan und den aus Abgesandten der Kommunen bzw. des Landkreises gebildeten Verwaltungsrat als Kontroll- und Überwachungsorgan. Angesichts der aktuellen Probleme bei Sparkassen in Bayern (vergl. Augsburger Allgemeine v. 7.11.98) stellt sich die Frage, ob die Lenkung und Kontrolle der Sparkassen durch die Kommunen noch funktioniert. Ich frage die Staatsregierung:

1. Wieviel eigenständige Sparkassen gibt es derzeit in Bayern?

a) Wieviel eigenständige Sparkassen gab es 1950, 1970 und 1990 in Bayern?

b) Wieviel Sparkassen in Bayern werden derzeit nach Wissen der Staatsregierung von anderen Sparkassen übernommen?

2. Wie ist die Kontrolle und Überwachung der Sparkassen in Bayern organisiert?

a) Wie hoch sind nach Wissen der Staatsregierung die durch Kreditausfälle bedingten Verluste bayerischer Sparkassen in den letzten fünf Jahren?

b) Wer ist bei der Regierung von Schwaben für die Überwachung der Sparkassen zuständig?

3. Was waren nach Wissen der Staatsregierung die Ursachen für den Beinahezusammenbruch der Sparkasse Schwabmünchen?

a) Wurden die notleidend gewordenen Kredite der Sparkasse Schwabmünchen nur Vorständen bewilligt oder in welcher Gesamthöhe wurden diese Problemkredite von den Verwaltungsräten bzw. dem von ihnen beauftragten Kreditausschuß genehmigt?

b) Wieviel Verwaltungsräte haben die Sparkasse Schwabmünchen kontrolliert, wer hat diese bestimmt oder gewählt und aus welchen Fraktionen entstammten sie?

Werden Schadenersatzansprüche an diese Verwaltungsräte erwogen?

4. Was waren nach Wissen der Staatsregierung die Ursachen für den Beinahezusammenbruch der Sparkasse Friedberg?

a) Wurden die notleidend gewordenen Kredite der Sparkasse Friedberg nur von den Vorständen bewilligt oder in welcher Gesamthöhe wurden diese Problemkredite von den Verwaltungsräten bzw. dem von ihnen beauftragten Kreditausschuß genehmigt?

b) Wie viele Verwaltungsräte haben die Sparkasse Friedberg kontrolliert, wer hat diese bestimmt oder gewählt und aus welchen Fraktionen entstammten sie? Werden Schadenersatzansprüche an diese Verwaltungsräte erwogen?

5. Wie ist nach Auffassung der Staatsregierung die vom Journalisten Thomas Goßner in der Augsburger Allgemeinen vom 7.11.98 wiedergegebene Äußerung des seit über 20 Jahren den Verwaltungsrat der Friedberger Sparkasse leitenden Friedberger Bürgermeisters zu verstehen, dass er selber vom Ausmaß der Probleme erst vor wenigen Tagen erfahren habe, obwohl schon in 1996 bei den Krediten Wertberichtigungen von 10 Millionen und 1997 sogar von 40 Millionen erforderlich waren?

6. Haben die Verwaltungsräte der Sparkassen das Recht, sich über größere Kredite als auch über sich abzeichnende Kreditprobleme umfassend informieren zu lassen?

7. Was sind nach Sicht der Staatsregierung die Ursachen für die auffälligen Schieflagen bei Sparkassen in Bayern und welchen Reformbedarf bezüglich der institutionalisierten Kontrolle sieht die Staatsregierung?

a) Haben die Sparkassen in Bayern noch den früher in der Mustersatzung empfohlenen Grundsatz, dass Kredite grundsätzlich nur an Personen gegeben werden sollen, die im Geschäftsbereich der Sparkassen ihren Wohnsitz oder eine Firma haben?

Antwort des Staatsministeriums des Innern

Zu 1.: In Bayern bestehen derzeit (Stand: 31.12.1998) 101 Sparkassen.

Zu l. a): Anzahl der Sparkassen in Bayern: im Jahr 1950: 193, im Jahr-1970: 185, im Jahr 1990: 114.

Zu l. b):

Mit Wirkung vom 01.01.1999 wird die Stadtsparkasse Friedberg mit der Stadtsparkasse Augsburg vereinigt. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen führen die Kreissparkasse Wolfratshausen und die Sparkasse Tölzer Land Gespräche über eine Fusion.

Zu 2.: Für die Kontrolle und Überwachung der Sparkassen gibt es ein externes und ein internes Kontrollsystem.

Die externe Überwachung ist wie folgt aufgebaut:

Als Kreditinstitute unterliegen die bayerischen Sparkassen der Fachaufsicht durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen in Berlin nach den Vorschriften des Gesetzes über das Kreditwesen. Als Wertpapierdienstleistungsunternehmen unterliegen sie der Fachaufsicht durch das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel in Frankfurt am Main nach Maßgabe des Wertpapierhandelsgesetzes. Außerdem wirkt die Deutsche Bundesbank in Frankfurt am Main mit ihrer Hauptverwaltung Landeszentralbank im Freistaat Bayern in München im Rahmen der Überwachung mit.

Als rechtsfähige (kommunale) Anstalten des öffentlichen Rechts unterliegen die bayerischen Sparkassen der Rechtsaufsicht nach Maßgabe des Sparkassengesetzes und der Sparkassenordnung. Rechtsaufsichtsbehörde ist die jeweils örtlich zuständige Bezirksregierung. Oberste Sparkassenaufsichtsbehörde ist das Staatsministerium des Innern. Einen wesentlichen Bestandteil der Sparkassenaufsicht macht die externe Prüfung der Sparkassen aus. Die Durchführung der gesetzlich oder nach aufsichtlicher Anordnung vorzunehmenden Prüfungen ist der Prüfungsstelle des Sparkassenverbands Bayern übertragen.

Sparkassenintern werden die Sparkassen vom Sparkassenvorstand und vom Verwaltungsrat wie folgt kontrolliert:

Der Vorstand als Geschäftsleitungsorgan der Sparkasse ist für die Sicherheit des Sparkassenbetriebs verantwortlich.

Ihm obliegt es insbesondere, durch Einrichtung einer Innenrevision ein innerbetriebliches Überwachungs- und Prüfungssystem für die Sparkasse zu gestalten und zu pflegen.

Dem Verwaltungsrat der einzelnen Sparkasse obliegt es, seinerseits die Geschäftsführung des Vorstands der Sparkasse zu überwachen. Die Mitglieder dieses sparkasseninternen Aufsichtsorgans werden zu zwei Dritteln vom kommunalen Gewährträger aus der Mitte seines Hauptbeschlußorgans und zu einem Drittel auf Vorschlag des Gewährträgers von der Sparkassenaufsichtsbehörde bestellt. Bei der Auswahl der Mitglieder des Verwaltungsrats ist dem Gewährträger und der Aufsichtsbehörde gesetzlich vorgegeben, nur solche Personen zu bestellen, die besondere Wirtschaftskunde und Sachkunde besitzen sowie bereit und geeignet sind, die Sparkasse und ihre Aufgaben zu fördern. Der Verwaltungsrat ist unabhängig von Wünschen oder Weisungen des Gewährträgers tätig und nur dem Gesetz unterworfen. In seiner organstellung zur Sparkasse unterliegt der Verwaltungsrat seinerseits der Rechtsaufsicht durch die zuständige Bezirksregierung.

Zu 2. a): Verläßliche Daten über Kreditausfälle bei allen bayerischen Sparkassen liegen nicht vor.

Zu 2. b:)

Für die Rechtsaufsicht über die Sparkassen ist bei der Regierung von Schwaben das Sachgebiet 230 (Kommunalrecht und Kultur) zuständig, das zur Abteilung 2 (Allgemeine Verwaltung) gehört.

Zu 3.: Die Ursache für die Probleme bei der Sparkasse Schwabmünchen war eine von krimineller Energie getragene Scheckreiterei betreffend Bankkonten einer deutschen und einer belgischen Firma eines Kreditnehmers.

Zu 3. a):

Die ursprünglich nicht zu beanstandenden Buchkredite wurden entsprechend dem Gesetz über das Kreditwesen vom Gesamtvorstand bewilligt und vom Verwaltungsrat genehmigt. Die zu beanstandenden valutarischen Kredite aus unzulässigen Scheckziehungen wurden vom Vorstandsmitglied in Kompetenzüberschreitung zugelassen und vom Vorstandsvorsitzenden nach den vom Vorstandsmitglied vorgetäuschten Scheckdeckungsbestätigungen genehmigt.

Zu 3. b):

Der Verwaltungsrat der Kreis- und Stadtsparkasse Schwabmünchen bestand gemäß § 4 der Sparkassensatzung aus insgesamt acht Mitgliedern, nämlich dem Vorsitzenden, dem Vorstandsvorsitzenden und sechs weiteren Mitgliedern.

Verwaltungsratsvorsitzender war kraft Amtes der jeweilige Verbandsvorsitzende des Gewährträgerzweckverbands der Sparkasse (geborene Mitgliedschaft). Vier der weiteren Verwaltungsratsmitglieder waren aus der Mitte der Verbandsversammlung des Gewährträgerzweckverbands in geheimer Wahl bestellt worden. Es ist sparkassenrechtlich irrelevant, ob und ggf. welchen Fraktionen die gewählten Verwaltungsratsmitglieder angehören, weil sie gesetzlich nach fachlichen Gesichtspunkten auszuwählen sind. Die zwei übrigen Verwaltungsratsmitglieder waren von der Regierung von Schwaben (als Sparkassenaufsichtsbehörde) aufgrund eines Vorschlags der Verbandsversammlung des Gewährträgerzweckverbandes der Sparkasse bestellt worden.

Ob Schadensersatzansprüche gegen die Verwaltungsratsmitglieder in Erwägung zu ziehen sein werden, hängt davon ab, ob sie bei der Wahrnehmung ihres Amts haftungsbegründend schuldhaft Amtspflichten verletzt haben.

Nach dem Ergebnis der Prüfung des Kreditgeschäfts der (ehemaligen) Sparkasse Schwabmünchen sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Verwaltungsrat seine Aufsichtspflicht verletzt hat.

Zu 4.: Die Ursache für die Probleme bei der Sparkasse Friedberg war die verstärkte Entwicklung von latenten Kreditrisiken zu akuten Ausfallgefahren, insbesondere durch die Insolvenz von Kreditnehmern und durch Wertverfall von Sicherheiten.

Zu 4. a):

Die ursprünglich vertretbaren Kredite wurden je nach Größe und Bewilligungsbefugnissen vom Vorstand und, soweit der Verwaltungsrat zuständig war, auch von diesem entsprechend dem Gesetz über das Kreditwesen kompetenzgerecht genehmigt.

Zu 4. b):

Der Verwaltungsrat der Stadtsparkasse Friedberg besteht gemäß § 3 der Sparkassensatzung aus insgesamt fünf Mitgliedern. Geborener Vorsitzender ist der erste Bürgermeister der Stadt Friedberg, geborenes Mitglied der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse. Von den drei weiteren Mitgliedern sind zwei aus der Mitte des Stadtrats Friedberg in geheimer Wahl bestellt und eines auf Vorschlag des Stadtrats der Stadt Friedberg durch die Regierung von Schwaben als Sparkassenaufsichtsbehörde bestellt worden.

Die Zugehörigkeit der Verwaltungsratsmitglieder zu bestimmten Fraktionen war rechtlich kein Kriterium für ihre Bestellung (siehe Antwort zu 3. b).

Ob Schadensersatzansprüche gegen die Verwaltungsratsmitglieder in Erwägung zu ziehen sein werden, hängt davon ab, ob sie sich bei der Wahrnehmung ihres Amts in haftungsbegründender Weise schuldhaft pflichtwidrig verhalten haben.

Anhaltspunkte dafür sind bisher nicht bekannt.

Zu 5.: Die Sparkasse hat im Interesse der heimischen Wirtschaft und Bevölkerung seit Jahren ein Kreditgeschäft mit ausgeprägter Risikobereitschaft betrieben. Die Probleme des Jahres 1997, in dem sich die Sanierungsfälle und Insolvenzen, die Fälle des Wertverfalls von Sicherheiten und risikorelevante Bearbeitungsmängel häuften, wurden dem Verwaltungsrat entgegen der Geschäftsanweisung für den Vorstand jedoch nicht sofort vom Vorstand, sondern erst von der externen sparkassenaufsichtlichen Prüfung durch die Prüfungsstelle des Sparkassenverbandes Bayern offenbart. Das wahre Ausmaß der Probleme war für den Verwaltungsrat daher tatsächlich nur sehr kurzfristig erkennbar.

Zu 6.: Die Verwaltungsräte der Sparkassen haben aufgrund ihrer Organfunktion als interne Sparkassenaufsichtsorgane die Befugnis, sich über Kreditrisiken der Sparkasse umfassend informieren zu lassen.

Das Sparkassengesetz sieht vor, dass der Verwaltungsrat im Rahmen seiner Überwachungsfunktion jeweils eine Geschäftsanweisung für den Vorstand erläßt. Das vom Sparkassenverband Bayern bekanntgemachte Geschäftsanweisungs-Muster bestimmt in seinem Abschnitt V, dass der Vorsitzende des Vorstands dem Verwaltungsrat in jeder Sitzung über wichtige Angelegenheiten der Sparkasse zu berichten hat. Diese Berichtspflicht umfaßt insbesondere ­ die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Sparkasse einschließlich besonderer Risiken,

­ die Entwicklung der Aktiv-, Passiv- und Dienstleistungsgeschäfte der Sparkasse,

­ Kreditbewilligungen, die bei einem einzelnen Kreditnehmer... (einen individuell durch eine Betragsangabe festgesetzten Kreditrahmen) übersteigen.

Darüber hinaus wird der Vorstandsvorsitzende durch Abschnitt V Abs. 2 der Geschäftsanweisung verpflichtet, dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats unverzüglich über besondere Vorkommnisse auch außerhalb einer Verwaltungsratssitzung zu berichten.

Zu 7.: Die Ursachen für Schieflagen bei einzelnen Sparkassen sind zum einen ein Fehlverhalten von Vorstandsmitgliedern, zum anderen die Zunahme von Kreditrisiken und Kreditausfällen, ausgelöst durch Insolvenz von Kreditnehmern oder durch Wertverfall von Sicherheiten. Rechtlicher Reformbedarf ergibt sich daraus nicht. Betriebliche Reformmaßnahmen sind in Form deutlicher Verstärkung der internen Revision geboten.

Zu 7. a):

Das Regionalprinzip ist als Wesensmerkmal der kommunalen Sparkassen gesetzlich verankert. Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 des Sparkassengesetzes haben die Sparkassen dem örtlichen Kreditbedürfnis zu dienen. Dementsprechend bestimmt § 2 Abs. 3 der Sparkassenordnung, dass die Sparkassen sich nur in ihrem Geschäftsbezirk betätigen sollen. Geschäftsbezirk der Sparkasse ist das Gebiet ihres Gewährträgers, bei Zweckverbandssparkassen der räumliche Wirkungsbereich des Zweckverbands.

Das Regionalprinzip ist insbesondere für das Kreditgeschäft der Sparkassen von grundlegender Bedeutung. Es leitet sich aus Umfang und Grenzen des Selbstverwaltungsrechts her; als kommunale Einrichtungen sind die Sparkassen grundsätzlich darauf beschränkt, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu erledigen. Dem Regionalprinzip liegen auch Sicherheitsgesichtspunkte zugrunde, weil die geschäftliche Tätigkeit einer Sparkasse im lokalen Bereich erfahrungsgemäß leichter überschaubar bleibt und die dadurch verbesserten Kontrollmöglichkeiten regelmäßig die Risiken im Kreditgeschäft mindern.