Gefährdung Minderjähriger durch 0130-Rufnummern und Dating-lines

Durch Beschluß des Landtags vom 04.02.98 wurde die Staatsregierung aufgefordert, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die kostenlose Nutzung von 0130-Service-Nummern der Dt. Telekom durch Kinder und weibliche Jugendliche unterbunden werden kann.

Daraufhin hat die Staatsregierung dem Landtag mitgeteilt, daß die Jugendschutzreferenten der Länder in den geltenden Regelungen keine Handhabe zur Unterbindung der kostenlosen Nutzung der Service-Nummern durch Kinder und Jugendliche sehen und auch das Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie keinen Verstoß gegen die Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes festgestellt hat. Auch habe der Vorstandsvorsitzende der Telekom, Herr Dr. Sommer, bislang nicht auf entsprechende Schreiben reagiert.

Inzwischen wurde von der Polizeiinspektion Bamberg festgestellt, dass zumindest dort ein einschlägig Vorbestrafter Kontakte zu Minderjährigen auf diesem Weg hergestellt und dafür auch Geld geboten hat. Darüber hinaus werden inzwischen über Dating-Lines elektronische Briefkästen auch unter dem Namen minderjähriger Mädchen zur einschlägigen Kontaktaufnahme angelegt, die nicht mehr gelöscht werden können.

Ich frage die Staatsregierung:

1. Sind der Staatsregierung die vorgenannten Fälle bekannt, wie beurteilt sie diese und welche Abhilfemöglichkeiten hält sie für veranlaßt?

2. Kann angesichts der konkreten Fälle, bei denen nunmehr auch einschlägig vorbelastete Personen auf der Kontaktsuche nach Minderjährigen nachweisbar sind, weiterhin auf eine sogenannte freiwillige Selbstkontrolle gesetzt werden und wie soll diese funktionieren?

3. Was hält die Staatsregierung davon ab, die eventuell einmal vorgesehene Überprüfung der bestehenden Rechtslage (s. Antwort der Staatsregierung vom 13.5.98 im Vollzug des Beschlusses des Landtags Drs. 13/10202 vom 4.2.98) umgehend vorzunehmen und alle denkbaren Maßnahmen zur Unterbindung dieser massiven Jugendgefährdungen zu treffen?

4. Welche Maßnahmen sind von der Staatsregierung vorgesehen, um die Briefkästen Minderjähriger auf Datinglines durch deren Erziehungsberechtigten wieder löschen zu können, vor allem wenn sie ohne Wissen und Willen der Minderjährigen zur Kontaktaufnahme durch Dritte eröffnet worden sind?

Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit

­ Im April letzten Jahres verabredete sich ein 49jähriger Mann, der 1990 und 1991 wegen exhibitionistischer Handlungen vor Kindern in Erscheinung getreten war, über eine dating-line mit einer ihm unbekannten Frau zu einem persönlichen Zusammentreffen am Bamberger Hauptbahnhof. Die Frau hatte ihm zum Schein und zum Testen ihre elf und zwölf Jahre alten Töchter für 500 DM angeboten. Von diesem Sachverhalt wurde auf Betreiben der Frau die KPI Bamberg informiert. Anstelle der Frau erschien eine Kriminalbeamtin der Bamberger Polizei zu dem Treffen. Nachdem sich die Beamtin zu erkennen gegeben hatte, räumte der Mann das Telefongespräch mit der ihm nicht bekannten Frau ein. Er bestritt allerdings, dass er auf das ihm gemachte Angebot eingehen wollte und erklärte, nur neugierig gewesen zu sein.

Da konkrete Hinweise auf eine geplante Straftat nicht gefunden werden konnten und lediglich eine straflose Vorbereitungshandlung vorlag, mußte der Mann entlassen werden.

­ Ebenfalls im letzten Jahr wurde dem Stadtjugendamt Nürnberg bekannt, dass zwei Mädchen über eine datingline einen Briefkasten eröffnet hatten, bei dem sie aber den Namen eines dritten Mädchens angaben. Das Stadtjugendamt verständigte daraufhin die Freiwillige Selbstkontrolle für Telefonmehrwertdienste e.V. (FST) mit dem Ziel, den Briefkasten wieder löschen zu lassen. Obwohl die Bereitschaft dazu vorhanden war, stieß dies jedoch auf technische Schwierigkeiten: Jeder Briefkasten ist mit einer Nummer und einer zusätzlichen Geheimnummer versehen. Da diese Nummern nicht bekannt waren, war ein einfaches Löschen des Briefkastens zunächst nicht möglich.

Die Staatsregierung hat bereits im Vollzug des Landtagsbeschlusses vom 04.02.1998 (Drs. 13/10202) mit Schreiben vom 13.05.1998 darauf hingewiesen, dass sich aus der Teilnahme von minderjährigen Mädchen und Jungen an Sexgesprächen über dating-lines eine sittliche Desorientierung und darüber hinaus ­ wenn sich Männer mit Minderjährigen verabreden ­ unmittelbare Gefahren für Kinder und Jugendliche ergeben können. Ebenfalls wurde dargelegt, dass die bisherigen Maßnahmen (etwa Spracherkennungstests) für einen effektiven Kinder- und Jugendschutz nicht ausreichen.

Die Staatsregierung hat deshalb bereits im letzten Jahr dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Überlegungen zur Verbesserung des Jugendschutzes in diesem Bereich mitgeteilt:

Dazu gehören:

­ Beseitigung der Kostenfreiheit für weibliche Anrufer.

­ Begrenzung der Anwählbarkeit von dating-lines auf Zeiten, zu denen Kinder und Jugendliche üblicherweise nicht mehr telefonieren.

­ Unterbinden der Möglichkeit, dating-lines aus Telefonzellen anzuwählen.

Es obliegt der Bundesebene, diese Vorschläge auf die technische und rechtliche Realisierbarkeit zu prüfen und umzusetzen.

Zu 2: Grundsätzlich vertritt die Staatsregierung die Auffassung, daß hoheitliche Regelungen und hoheitliches Eingreifen nur dann in Erwägung gezogen werden sollten, wenn freiwillige Beschränkungen und freiwillige Kontrolle nicht im erforderlichen Umfang unternommen werden oder sich ­ ohne Verbesserungsmöglichkeit ­ als untauglich erwiesen haben.

Die Anbieter der Ansagedienste haben sich im Oktober 1997 zur Freiwilligen Selbstkontrolle für Telefonmehrwertdienste e.V. (FST) zusammengeschlossen. Mitinitiatorin und Gründungsmitglied des Vereins war die Deutsche Telekom AG. Diese hat angekündigt, dass durch die FST die bestehenden Eingangskontrollen der Anbieter im Service 01 90/0130 Telefonnummem erneut umfassend geprüft werden sollen.

Über die Ergebnisse hat die Deutsche Telekom AG noch nicht berichtet. Ferner wurde bekannt, dass für den Oktober 1998 in der Mitgliederversammlung der FST die Verabschiedung eines Verhaltenskodexes zur Optimierung der Eingangskontrollen zu den dating-lines beabsichtigt war.

Die Staatsregierung hat sich deshalb an Bundesministerin Bergmann gewandt, die Problematik der dating-line erneut an den Bund herangetragen und insbesondere um eine abschließende Bewertung der Arbeit der FST aus der Sicht des verantwortlichen Bundes gebeten. Eine Antwort liegt noch nicht vor.

Nachdem aus Presseberichten bekannt wurde, dass im Bundeswirtschaftsministerium in einer neuen Telekommunikations-Überwachungs-Verordnung Regelungen zur besseren öffentlichen Kontrolle im Internet geplant würden, hat sich die Staatsregierung auch an Herrn Bundesminister Müller als an den für den telekommunikationsrechtlichen Bereich zuständigen Ressortchef gewandt und um Mitteilung gebeten, ob beabsichtigt sei, auch die Problematik der dating-lines in die neue Telekommunikations-Überwachungs-Verordnung einzubeziehen. Wenn im telekommunikationsrechtlichen Bereich Gefahrenquellen für Kinder und Jugendliche entstehen, müßten in den telekommunikationsrechtlichen Vorschriften auch Sicherungen eingebaut werden, die Gefährdungen für junge Menschen möglichst weitgehend ausschließen.

Zu 3. und 4.: Vorab weist die Staatsregierung auf die originäre Verantwortung des Bundes für den rechtlichen Rahmen sowohl auf dem Gebiet der Telekommunikation als auch auf dem Gebiet des Jugendschutzes hin. Die Staatsregierung hat sich an die Bundesregierung gewandt und auf die bestehende Problematik hingewiesen.

Die Staatsregierung hat auch die Rechtslage geprüft. Die bisherigen telekommunikationsrechtlichen Vorschriften bieten keine Möglichkeit, die Nutzung der sog. dating-lines für Kinder und Jugendliche zu unterbinden.

Solange keine Rechtsänderung auf Bundesebene erfolgt, können auf Landesebene keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden. Die Staatsregierung wird deshalb weiterhin nachdrücklich auf den Bund einwirken, damit alle technischen und rechtlichen Möglichkeiten geprüft und ergriffen werden, um auch bei den dating-lines Gefährdungen für Kinder und Jugendliche verläßlich auszuschließen. Dies gilt auch für die Löschung von Briefkästen. Der Erfolg dieser Bemühungen wird insbesondere auch von der Unterstützung der anderen Länder abhängen. Im Rahmen der Besprechungen der Jugendschutzreferenten der Länder hat sich allerdings gezeigt, dass die anderen Länder in ihrer Mehrheit nicht bereit sind, vor einer Erprobung der Freiwilligen Selbstkontrolle die Änderung bundesrechtlicher Vorschriften zu unterstützen. Weitere Schritte hängen deshalb auch davon ab, welche Maßnahmen die freiwillige Selbstkontrolle weiterhin ergreift und wie deren Wirksamkeit von Bund und Ländern beurteilt wird.