Gleichwohl ist eine ständige Ausweitung von verkaufsoffenen Sonntagen in Bayern

BEin unverletzliches Gut der Sozialkultur ist der Sonntag. Der Schutz des Sonntags ist immer mehr dadurch bedroht, dass ihm ökonomische Interessen vorgeordnet werden. Der Sonntag muss geschützt werden. Als Tag des Herrn hat er einen zentralen religiösen Inhalt. Er ist auch gemeinsame Zeit der Familie, der Freunde und Nachbarn und damit ein wichtiges kulturelles Gut, das nicht zur Disposition gestellt werden darf.

Damit haben die Kirchen klargestellt, dass der Sonntag für sie ein unverzichtbarer Bestandteil in einer von christlichen Grundwerten geprägten Gesellschaft bleiben muß, wie es auch die Bayerische Verfassung (Art. 147) und das Grundgesetz (Art. 140 i.V.m. Art. 139 WRV) ausdrücklich gebieten.

Gleichwohl ist eine ständige Ausweitung von verkaufsoffenen Sonntagen in Bayern festzustellen.

Ich frage deshalb die Staatsregierung:

1. Rechtsgrundlagen

a) Auf welchen Rechtsgrundlagen beruhen die verkaufsoffenen Sonntage in Städten und Gemeinden?

Sind hier in jüngerer Zeit Erleichterungen geschaffen worden?

b) Welche Anlässe rechtfertigen verkaufsoffene Sonntage?

c) Welche zeitlichen und örtlichen Grenzen sind dabei zu beachten?

d) Können die Gemeinden durch eigene Rechtssetzung Grundlagen für jedwede Form von verkaufsoffenen Sonntagen schaffen?

e) Auf welcher Rechtsgrundlage und in welchem Umfang üben übergeordnete Behörden Aufsicht aus?

2. Entwicklung der verkaufsoffenen Sonntage

a) Wie haben sich die verkaufsoffenen Sonntage in den Jahren 1994, 1995, 1996, 1997 und 1998 in den einzelnen Regierungsbezirken Bayerns entwickelt?

b) Wie haben sich in den Jahren 1994, 1995, 1996, 1997 und 1998 die verkaufsoffenen Sonntage in den kreisfreien Städten Bayerns entwickelt?

c) Läßt sich ein Trend erkennen, dass einzelnen Gemeinden bzw. Städte sich besonders intensiv um viele verkaufsoffene Sonntage im Jahr bemühen?

3. Handlungsbedarf Sieht die Staatsregierung nach ihrem Engagement zugunsten der Kruzifixe in Schulen Handlungsbedarf zum Schutz des christlichen Gemeinschaftsgutes Sonntag?

Antwort des Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit

Zu 1. a) bis 1. d):

Das Ladenschlußgesetz vom 28.11.1956, zuletzt geändert mit Gesetz vom 30.07.1996 (BGBl. 1, S. 1186) beinhaltet mehrere Rechtsgrundlagen für verkaufsoffene Sonntage.

Gem. § 4 dürfen Apotheken an allen Tagen während des ganzen Tages (also Tag und Nacht) geöffnet sein. An Werktagen während der allgemeinen Ladenschlußzeiten und an Sonn- und Feiertagen dürfen nur Arznei-, Krankenpflege-, Säuglingspflege- und Säuglingsnährmittel hygienische Artikel sowie Desinfektionsmittel abgegeben werden. Diese Regelung besteht schon seit jeher.

Gem. § 5 dürfen Kioske für den Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften an Sonn- und Feiertagen von 11. Uhr bis 13.00 Uhr geöffnet sein. Diese Bestimmung gilt seit 1956 unverändert. Sie dient dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung und der Möglichkeit, in beschränktem Umfang Zeitungen und Zeitschriften außerhalb der allgemeinen Ladenschlußzeiten zu erhalten.

Gem. § 6 dürfen Tankstellen an allen Tagen des ganzen Jahres (also Tag und Nacht) geöffnet sein. An Werktagen während der allgemeinen Ladenschlußzeiten und an Sonn- und Feiertagen ist nur die Abgabe von Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge, soweit dies für die Erhaltung oder Wiederherstellung der Fahrbereitschaft notwendig ist, sowie die Abgabe von Betriebsstoffen und von Reisebedarf gestattet. Die Vorschrift gilt in ihrem wesentlichen Inhalt seit 1956 und will im Interesse der Versorgung der Bevölkerung mit Tankstellenwaren sicherstellten, dass Tankstellen auch während der Ladenschlußzeiten geöffnet sein dürfen.

Gem. § 8 dürfen Verkaufsstellen auf Personenbahnhöfen von Eisenbahnen, soweit sie den Bedürfnissen des Reiseverkehrs zu dienen bestimmt sind, an allen Tagen und während des ganzen Tages geöffnet sein, am 24. Dezember jedoch nur bis 17.00 Uhr. An Werktagen während der allgemeinen Ladenschlußzeiten und an Sonn- und Feiertagen ist nur der Verkauf von Reisebedarf zulässig. Auch diese Regelung gilt in ihrem überwiegenden Inhalt seit dem Jahre 1956. Durch sie soll den Versorgungsbedürfnissen der Bahnreisenden Rechnung getragen werden.

Gem. § 9 gilt für Verkaufsstellen auf Flughäfen eine entsprechende Regelung wie für Personenbahnhöfe.

Gem. § 10 können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung bestimmen, dass und unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen in Kurorten und in einzeln aufzuführenden Ausflugs-, Erholungs- und Wallfahrtsorten mit besonders starkem Fremdenverkehr Badegegenstände, Devotionalien, frische Früchte, alkoholfreie Getränke, Milch und Milcherzeugnisse, Süßwaren, Tabakwaren, Blumen und Zeitungen sowie Waren, die für diese Orte kennzeichnend sind

­ an jährlich höchstens vierzig Sonn- und Feiertagen bis zur Dauer von acht Stunden

­ samstags bis spätestens 20.00 Uhr verkauft werden dürfen. Bei der Festsetzung der Öffnungszeiten ist auf die Zeit des Hauptgottesdienstes Rücksicht zu nehmen.

Die Vorschrift ist durch Gesetz vom 14.11.1960 (BGBl. 1, S. 845) und vom 23.07.1969 (BGBl. 1, S. 945) geändert worden. Dabei ging es um die Aufnahme der Kategorie Ausflugsorte, eine Ergänzung des Warenkatalogs, die zahlenmäßige Erhöhung der Sonn- und Feiertage von 22 auf 40 Tage sowie die Modifizierung der Öffnungsdauer. Die Bestimmung ermöglicht im Interesse der Befriedigung von Versorgungsbedürfnissen im Rahmen des Fremdenverkehrs an Sonn- und Feiertagen eine Abweichung von den allgemeinen Ladenschlußzeiten.

Bayern hat von der Verordnungsermächtigung des § 10

Gebrauch gemacht durch die Landesverordnung über den Ladenschluß in Kur-, Erholungs-, Ausflugs- und Wallfahrtsorten vom 12.07.1962 (GVBl. S. 104, ber. S. 234), zuletzt geändert durch Verordnung vom 29.07.1997 (GVBl. S. 386, ber. S. 486). Danach fallen in Bayern unter diese Regelung insgesamt 458 Städte, Stadtteile, Gemeinden und Gemeldeteile.

Die Öffnungszeiten für die Verkaufsstellen in den von der Ladenschlußverordnung erfaßten Kommunen werden von den Kreisverwaltungsbehörden durch Rechtsverordnung festgesetzt. Die Kreisverwaltungsbehörden bestimmen auch, an welchen Sonn- und Feiertagen offengehalten werden darf.

Gem. § 11 können die Landesregierungen oder die von ihnen bestimmten Stellen (das sind in Bayern die Kreisverwaltungsbehörden) durch Rechtsverordnung bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen in ländlichen Gebieten während der Zeit der Feldbestellung und der Ernte alle oder bestimmte Arten von Verkaufsstellen

­ an Sonn und Feiertagen bis zur Dauer von zwei Stunden

­ an Samstagen bis 17.00 Uhr geöffnet sein dürfen, falls dies zur Befriedigung dringender Kaufbedürfnisse der Landbevölkerung erforderlich ist. Diese Regelung gilt mit ihrem Kerninhalt seit dem Jahre 1957.

Ihre örtlichen Grenzen sind beschränkt auf Gebiete mit überwiegender Landbevölkerung, die durch Land-, Wein- und Obstwirtschaft geprägt sind. Aus Gründen der Bestimmtheit und der Rechtsklarheit müssen die einschlägigen Verordnungen die privilegierten Gebiete räumlich eindeutig abgrenzen bzw. die Orte namentlich aufführen.

Gem. § 12 bestimmt der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Einvernehmen mit den Bundesministerien für Wirtschaft und Ernährung, Landwirtschaft und Forsten durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, dass und wie lange an Sonn- und Feiertagen Verkaufsstellen für die Abgabe von Milch- und Milcherzeugnissen, Bäcker- und -Konditorwaren, frischen Früchten, Blumen und Zeitungen geöffnet sein dürfen.

Auf der Grundlage dieser Verordnungsermächtigung erging die Verordnung über den Verkauf bestimmter Waren an Sonn- und Feiertagen vom 21.12.1957 (BGBl. 1, S. 1881), zuletzt geändert durch Gesetz vom 30.07.1996 (BGBl. 1, S. 1186). Danach dürfen kraft Bundesrecht an Sonn- und Feiertagen geöffnet sein für die Abgabe

­ von frischer Milch: Verkaufsstellen,

­ von Bäcker- oder Konditorwaren: Verkaufsstellen von Betrieben, die Bäcker- oder Konditorwaren herstellen, für die Dauer von drei Stunden,

­ von Blumen: Verkaufsstellen, in denen in erheblichem Umfange Blumen feilgehalten werden, für die Dauer von zwei Stunden, jedoch am 1. November (Allerheiligen), am Volkstrauertag, am Buß- und Bettag, wo er noch Feiertag ist, am Totensonntag und am 1. Adventsonntag, für die Dauer von sechs Stunden,

­ von Zeitungen: Verkaufsstellen für Zeitungen für die Dauer von fünf Stunden.

Die Lage der danach zugelassenen Öffnungszeiten wird unter Berücksichtigung der Zeit des Hauptgottesdienstes von den Landesregierungen oder den von ihnen bestimmten Stellen durch Rechtsverordnung festgelegt. In Bayern lagen diese Zuständigkeiten ursprünglich bei den Regierungen, wurden aber bereits im Jahre 1974 einheitlich auf die Kreisverwaltungsbehörden übertragen. Die Zuständigkeit für Verkaufsstellen von Zeitungen liegt seit 1982 bei den Regierungen.

Gem. § 14 dürfen Verkaufsstellen aus Anlaß vom Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen an jährlich höchstens vier Sonn- und Feiertagen geöffnet sein. Bei der Freigabe kann die Offenhaltung auf bestimmte Bezirke und Handelszweige beschränkt werden. Der Zeitraum, während dessen die Verkaufsstellen geöffnet sein dürfen, darf fünf 2 Bayerischer Landtag · 14. Wahlperiode Drucksache 14/475 sammenhängende Stunden nicht überschreiten, muss spätestens um 18.00 Uhr enden und soll außerhalb der Zeit des Hauptgottesdienstes liegen. Sonn- und Feiertage im Dezember dürfen nicht freigegeben werden. In Orten, für die eine Regelung nach § 10 (Ausflugs-, Erholungs- und Wallfahrtsorte) getroffen ist, dürfen Sonn- und Feiertage nach § 14 nur freigegeben werden, soweit die Zahl dieser Tage zusammen mit den nach § 10 freigegebenen vierzig nicht übersteigt.

Die vier Sonn- und Feiertage werden von den Landesregierungen oder den von ihnen bestimmten Stellen durch Rechtsverordnung freigegeben. In Bayern wurde diese Zuständigkeit bereits im Jahre 1975 von den Regierungen an die Gemeinden übertragen.

Zur Gewährleistung einer einheitlichen Gesetzesauslegung wurden in Bayern im Jahre 1992 durch eine Bekanntmachung enge Rahmenbedingungen festgelegt, die von den Gemeinden zu beachten sind. So muss der Markt oder die Veranstaltung, die Anlaß für den verkaufsoffenen Sonntag geben soll, von sich aus schon einen beträchtlichen Besucherstrom anziehen, d.h. dieser Besucherstrom darf nicht erst durch den verkaufsoffenen Sonntag ausgelöst werden. Die Gemeinden sollen die Zulassung der Ladenöffnung auf die Bereiche beschränken, auf die sich z. B. der Marktsonntag erstreckt. Außerhalb dieser Bereiche liegende Einzelhandelszentren sollen von der Zulassung der Ladenöffnungszeiten am Sonntag ausgeschlossen werden.

Ein ganz wesentliches Steuerungselement im Sinne der Sonntagsruhe sieht die Staatsregierung darin, dass rechtzeitig vor Erlaß derartiger Rechtsverordnungen durch die Gemeinden die örtlichen Kirchen, Gewerkschaften und Verbände zu hören sind. Damit haben diese Institutionen Gelegenheit, auf die örtlichen Entscheidungsträger, also auf die Gemeindeoder Stadträte und auf die Bürgermeister entsprechend einzuwirken. In einem Gespräch mit Vertretern der Kirchen und der Gewerkschaften hat die Staatsregierung erneut angeregt, daß von dieser Möglichkeit noch mehr Gebrauch gemacht wird. Es ist auch ein Gespräch mit dem Städtetag und Gemeindetag geplant, und dabei soll noch einmal eindringlich darauf hingewiesen werden, dass Gemeinden und Städten eine hohe Verantwortung für die Einhaltung der Sonntagsruhe zukommt.

Gem.§ 15 dürfen, wenn der 24. Dezember auf einen Sonntag fällt

­ Verkaufsstellen, die gemäß § 12 geöffnet sein dürfen,

­ Verkaufsstellen, die überwiegend Lebens- und Genußmittel feilhalten,

­ alle Verkaufsstellen für die Abgabe von Weihnachtsbäumen während höchstens drei Stunden bis längstens 14.00 Uhr geöffnet sein. Die Öffnungszeiten werden von den Landesregierungen oder den von ihnen bestimmten Stellen (in Bayern die Gemeinden) durch Rechtsverordnung festgesetzt.

Gem. § 23 können die obersten Landesbehörden in Einzelfällen befristete Ausnahmen vom Ladenschluß an Sonn- und Feiertagen bewilligen, wenn die Ausnahmen im öffentlichen Interesse dringend nötig werden.

In Bayern wird § 23 so restriktiv gehandhabt, wie es diese Norm selbst vorschreibt. Die Sondergenehmigung nach § 23 hat sehr strenge Voraussetzungen. Das Merkmal des öffentlichen Interesses dient der Abgrenzung gegenüber privaten Interessen oder Individualinteressen, die eine zusätzliche Offenhaltung von Verkaufsstellen nicht rechtfertigen. Das gilt vornehmlich für die geschäftlichen Interessen einzelner oder mehrerer Verkaufsstelleninhaber.

Beispiele für ein öffentliches Interesse im Sinne des § 23 wären etwa die Sicherung der Volksernährung, die Versorgung einer größeren Menschenmenge bei Großveranstaltungen mit Nahrungsmitteln oder bei Notstandsfällen, Katastrophen etc.

Die Vorschrift kann nicht als ergänzende Generalklausel angesehen werden. Es handelt sich vielmehr um einen Auffangtatbestand für nicht voraussehbare, vorübergehende Kaufbedürfnisse der Bevölkerung nach lebenswichtigen Waren und Dienstleistungen, denen die Behörden mit der Zulassung von Ausnahmen nach anderen Regelungen des Ladenschlußgesetzes nicht Rechnung tragen können.

Diesen Ausführungen liegt eine gefestigte höchstrichtliche Rechtsprechung zugrunde.

Die örtlichen Grenzen der Anwendung des § 23 sind möglichst eng zu halten, also auf den Ort bzw. die Orte eines Landkreises zu beschränken, wo das dringende öffentliche Interesse auftritt. In zeitlicher Hinsicht ist die Beschränkung auf den Zeitraum vorzunehmen, der voraussichtlich erforderlich ist, um das unabweisbar dringliche Kaufbedürfnis der Bevölkerung zu befriedigen.

Die Bewilligung von Ausnahmen nach § 23 hat sich in Bayern die oberste Landesbehörde, also das Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit, vorbehalten. Die Gemeinden können in diesem Bereich nicht durch eigene Rechtsetzung Grundlagen für verkaufsoffene Sonntage schaffen.

Zu 1. e):

Die Überwachung der Einhaltung des Ladenschlußgesetzes war bis 15. Dezember 1998 Aufgabe der Gewerbeaufsichtsämter. Diese Zuständigkeit ergab sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über Zuständigkeiten und Aufgaben auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes und der Sicherheitstechnik vom 2. August 1994 (GVBl. Nr. 20/1994, S. 781) in Verbindung mit Ziffer 5.8 der Anlage zur Seit 16. Dezember 1998 sind für die Einhaltung des Ladenschlußgesetzes die Kreisverwaltungsbehörden zuständig. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 1 der Verordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes, der Sicherheitstechnik, des Chemikalien- und Medizinprodukterechts vom 2. Dezember 1998 (GVBl. Nr. 25/1998, S. 956) in Verbindung mit Ziffer 6.7.3 der Anlage zur Daneben üben die Gemeinden die Aufsicht über die Durchführung der §§ 3 bis 7,

Drucksache 14/475 Bayerischer Landtag · 14.