Einführung der Semestertickets in Würzburg

Seit mehreren Jahren bemühen sich das Studentenwerk und die Studierendenvertretung der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg um die Einführung eines Semestertickets nach dem sogenannten Pauschalmodell. Im Jahre 1997 sprachen sich bei einer Befragung im Rahmen der Rückmeldung fast 70 % der Studierenden für die Einführung eines Semestertickets aus. An der Befragung beteiligten sich damals über 8.500 der ca. 20.000 Studierenden an der Universität.

Im studentischen Konvent der Universität gibt es ebenfalls eine klare Mehrheit für die Einführung des Semestertickets.

Bei der Hochschulwahl im vergangenen Juli spielte die Thematik Semesterticket eine große Rolle und die damaligen Befürworter des Semestertickets gingen als klare Wahlsieger aus den Wahlen hervor und stellen den diesjährigen Sprecherrat. Dies ist sicher ein Indiz dafür, dass die Mehrheit der Studierenden die Einführung eines Semestertickets wünscht.

Die bisherige Planung seitens der Verkehrsbetriebe und des Studientenwerks sieht so aus, dass für ca. 60 DM pro Semester alle Würzburger Studierende die Linien der WSB (Stadtgebiet Würzburg und Zone 1, Gerbrunn, Zell, Höchberg) mit ihrem Studentenausweis nutzen können. Fast 90 Prozent der Studierenden wohnen nach einer Erhebung des Würzburger Geographen Dr. Konrad Schliephake in diesem Bereich.

Wie jetzt aber vom Chef des Würzburger Studentenwerks, Herrn Josef Wenzel, und vom Sprecherrat der Universität zu erfahren war, fordert das zuständige Wissenschaftsministerium eine erneute Umfrage unter den Studierenden.

Ich frage deshalb die Staatsregierung:

1. In welchen bayerischen Universitätsstädten gibt es bisher ein Semesterticket, wieviel müssen die Studierenden dafür bezahlen und welche Erfahrungen wurden bisher mit dem Semesterticket gemacht?

2. Gab es in diesen Städten Abstimmungen oder Umfragen unter den Studierenden und wie sahen die Ergebnisse aus?

3. Nach welchen Richtlinien und Bedingungen und mit welchen Auflagen entscheidet die Staatsregierung über die Einführung des Semestertickets? Wie hoch darf der maximale Preis des Tickets sein?

4. Wieso fordert die Staatsregierung trotz erfolgreicher Befragung und Konventsbeschluß eine erneute Abstimmung unter den Studierenden der Universität Würzburg?

Plant die Staatsregierung in Zukunft weitere Abstimmungen unter den Studierenden (vielleicht auch über Studiengebühren für ein Zweitstudium) oder neigt sie nur für diesen Fall zu basisdemokratischen Entscheidungsstrukturen?

5. Muß die Stadt Würzburg nach der Einführung des Semestertickets mit finanziellen Einbußen, beispielsweise durch Streichungen im ÖPNV-Bereich oder bei Zuschüssen im Ausbildungsverkehr, rechnen?

Antwort des Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 06.04.

Nach Art. 106 Abs. 3 Satz 3 Bayerisches Hochschulgesetz kann neben dem Grundbeitrag für den Zuständigkeitsbereich einzelner Studentenwerke oder für Teile des Zuständigkeitsbereichs einzelner Studentenwerke ein zusätzlicher Beitrag für die Beförderung oder die zu einem ermäßigten Beförderungsentgelt mögliche Beförderung der Studenten im öffentlichen Nahverkehr erhoben werden. Die Höhe dieses zusätzlichen Beitrags richtet sich nach dem Aufwand aus einer entsprechenden Vereinbarung des Studentenwerks mit den örtlichen Trägern des Nahverkehrs über die Beförderung der Studenten gegen ein Pauschalentgelt oder über die zu einem ermäßigten Beförderungsentgelt mögliche Beförderung der Studenten gegen ein Pauschalentgelt und wird im Benehmen mit dem betroffenen Studentenwerk vom Staatsministerium im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung festgesetzt. Der Abschluß der Vereinbarung nach Satz 3 Halbsatz 2 bedarf der vorherigen Genehmigung des Staatsministeriums und des Staatsministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Technologie (Art. 106 Abs. 3 Satz 4

Zu 1.: Das Semesterticket gibt es in Augsburg für die Studenten der Universität und der Fachhochschule seit Beginn des Sommersemesters 1998. Das dafür zu entrichtende Pauschalentgelt beträgt DM 50,­ pro Semester. Nach Mitteilung des Studentenwerks Augsburg wurde die Einführung des Semestertickets von der Studentenschaft ganz überwiegend begrüßt.

Kritik sei nur in Einzelfällen geäußert worden.

In Regensburg wird das Semesterticket für die Studenten der Universität und der Fachhochschule zum Sommersemester 1999 eingeführt. Für das Semesterticket, welches das gesamte Verbundnetz des Regensburger Verkehrsverbundes umfaßt, ist ein zusätzlicher Beitrag in Höhe von DM 58,­ zu entrichten. Das Studentenwerk Niederbayern/Oberpfalz hat mitgeteilt, dass bisher zwar keine Erfahrungen vorliegen, das Semesterticket nach einem Artikel in der örtlichen Zeitung von den Studenten jedoch überwiegend positiv aufgenommen werde.

Für die Studenten der Universität Bayreuth gibt es das Semesterticket seit dem Wintersemester 1994. Der zusätzliche Beitrag für die Beförderung in der Stadt und im Landkreis Bayreuth beträgt derzeit DM 28,70 und ab 01.10.1999 DM 31,­ pro Semester. Die Vereinbarungen mit den verschiedenen Verkehrsbetrieben werden jeweils für ein bzw. für zwei Jahre abgeschlossen.

Zu 2.: Seitens des Studentenwerks Augsburg wurden die Verhandlungen zum Semesterticket im Wintersemester 1991/92 aufgenommen. Anlaß dafür war eine im gleichen Semester mit Unterstützung des Hochschuldidaktischen Zentrums der Universität Augsburg durchgeführte Umfrage unter den Studenten der Fachhochschule und der Universität. 90 % der befragten Studenten haben sich damals nach Mitteilung des Studentenwerks für die Einführung des Semestertickets ausgesprochen. Anläßlich einer zum Sommersemester 1994 durchgeführten Unterschriftenaktion wurden an drei Tagen 1.500 Unterschriften für die Einführung des Semestertickets geleistet. Eine der Einführung des Semestertickets zum Sommersemester 1998 unmittelbar vorausgehende Abstimmung sei nicht mehr für erforderlich gehalten worden, da die Studentenvertretungen der Universität Augsburg und der Fachhochschule Augsburg stets in die Verhandlungen einbezogen waren und das erzielte Ergebnis übereinstimmend vorbehaltlos begrüßt hätten.

Nach Mitteilung des Studentenwerks Niederbayern/Oberpfalz führten vor der Einführung des Semestertickets zum Sommersemester 1999 die Sprecherräte der Regensburger Hochschulen (Universität und Fachhochschule) im Februar und März letzten Jahres eine Befragung unter den Studenten durch. Von 10.322 Studenten der Universität Regensburg, die sich an der Befragung beteiligten, sprachen sich nach den Angaben des Studentenwerks 6.702 (64,93 %) für die Einführung eines Semestertickets aus. 3.620 (35,07 %) der Studenten stimmten mit Nein. Von den 1.134 Studenten der Fachhochschule, die sich an der Befragung beteiligten, sprachen sich 836 Studenten (73,7 %) für und 298 Studenten (26,3 %) gegen das Semesterticket aus.

Nach Mitteilung des Studentenwerks Oberfranken sprachen sich anläßlich einer im Januar 1994 durchgeführten Befragung unter den Studenten 69,6 % für die Einführung des Semestertickets aus. Vor Unterzeichnung der Vereinbarungen mit den Verkehrsbetrieben werde jeweils der studentische Konvent um seine Zustimmung gebeten.

Zu 3.: Vertragspartner einer Vereinbarung über die Beförderung der Studenten im Rahmen des Semestertickets sind das jeweils zuständige Studentenwerk und die örtlichen Träger des Nahverkehrs. Eine entsprechende Vereinbarung zur Einführung des Semestertickets in Würzburg liegt bisher nicht vor.

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wird vom Staatsministerium primär die Frage zu überprüfen sein, ob sich Ausgestaltung und Höhe des Beitrags im Rahmen der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Urteil vom 28.07.1980, 1980 ff.). zur Rechtsnatur des Studentenwerksbeitrags bewegen, da der zusätzliche Beitrag für das Semesterticket ein Bestandteil des Studentenwerksbeitrags ist. In seinem Urteil hat der zur Rechtsnatur des Studentenwerksbeitrags festgestellt, dass es sich hierbei um einen Solidarbeitrag eigener Art handle, auf den der dem öffentlichen Beitragsrechts sonst immanente Grundsatz der individuellen Äquivalenz nicht anzuwenden sei. Der stellt in der genannten Entscheidung fest, dass angesichts der Geringfügigkeit der Beiträge im Vergleich zu den Lebenshaltungskosten der Studenten, aber auch im Hinblick auf die der Institution der Studentenwerke zugrunde liegende Vorstellung der Studentenschaft als einer sozialen Solidargemeinschaft es rechtlich unbedenklich ist, dass die Beitragspflicht auch dann besteht, wenn der Studierende im Einzelfall eine Betreuung nicht in Anspruch nimmt. Nach dieser Rechtsprechung ist im Rahmen des Genehmigungsverfahrens vom Ministerium sicherzustellen, dass die mit der Einführung des Semestertickets verbundene Erhöhung des Studentenwerksbeitrags geringfügig im Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten bleibt.

Das Staatsministerium geht derzeit davon aus, dass ein zusätzlicher Beitrag für die Beförderung der Studenten in Höhe von DM 58,­ noch als geringfügig im Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten im Sinne der VGH-Rechtsprechung anzusehen ist.

Zu 4.: Da der zusätzliche Studentenwerksbeitrag für das Semesterticket als Solidarbeitrag auch von jenen Studenten zu entrichten ist, die das entsprechende Angebot der Verkehrsbetriebe nicht wahrnehmen wollen oder können, legt das Staatsministerium Wert darauf, dass das Semesterticket von den Studenten akzeptiert wird. Eine entsprechende Meinungsbildung der Studenten ist zwar gesetzlich nicht vorgeschrieben, aber im Hinblick auf ein etwaiges Prozeßrisiko, welches das Studentenwerk als Vertragspartner der Verkehrsbetriebe trägt, sinnvoll und geboten.

Gegenüber dem Geschäftsführer des Studentenwerks Würzburg wurde deshalb von meinem Haus anläßlich eines fernmündlichen Gesprächs angeregt, eine Meinungsbildung der Studenten herbeizuführen. Bei diesem Telefongespräch war allerdings nicht bekannt, dass der Sprecherrat der Universität Würzburg bereits 1997 eine Befragung durchgeführt hatte.

Das Studentenwerk Würzburg hat dem Ministerium mitgeteilt, dass sich während dieser Befragung im Jahr 1997 die Grundlagen für das geplante Semesterticket wesentlich geändert hätten (Erhöhung des Preises von DM 65,­ auf DM 90,­), so dass die Umfrage nicht mit der notwendigen Konsequenz zu Ende geführt worden sei. Die Erhebung eines aktuellen Meinungsbildes der Studentenschaft werde deshalb vom Studentenwerk trotz der Umfrage im Sommer 1997 vom Studentenwerk für zweckmäßig gehalten, zumal sich zwischenzeitlich auch die Konditionen hinsichtlich des Tarifgebiets geändert hätten. Dem Studentenwerk sei erst am Seite 2 Bayerischer Landtag · 14. Wahlperiode Drucksache 14/701

09.03.1999 auf Anfrage mitgeteilt worden, dass vom studentischen Konvent bereits am 27.02.1997 ein Beschluß zugunsten der Einführung des Semestertickets mit 20 Ja-Stimmen gegen 15-Nein Stimmen gefaßt wurde.

Zu 5.: Das Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie erteilt die Zustimmung zur Einführung eines Semestertickets stets unter der Voraussetzung einer schriftlichen Erklärung der beteiligten Verkehrsunternehmer, dass die Semesterticket-Regelung zu keinem Anstieg der Ausgleichsleistungen gemäß § 45 a Personenbeförderungsgesetz führen wird. Bei Berechnung der Ausgleichsleistungen wird die Anzahl der ausgegebenen Semestertickets fiktiv ermittelt. Hierzu wird der Gesamtbeitrag aus den erhöhten Semesterbeiträgen durch den Preis einer durchschnittlichen Zeitkarte für den Ausbildungsverkehr dividiert. Die sich hieraus ergebende Zahl wird als Anzahl der verkauften Zeitkarten zugrunde gelegt. Die Einführung eines Semestertickets hat keinen Einfluß auf Förderungen im ÖPNV-Bereich. Die Gewährung von ÖPNV-Zuweisungen und Kooperationsförderung erfolgt nach den im bayerischen ÖPNV-Gesetz geregelten Voraussetzungen. Das Semesterticket hat hierauf keinen Einfluß. Abschließend möchte ich betonen, dass mein Haus der Einführung des Semestertickets einen hohen Stellenwert beimißt. Es obliegt allerdings dem jeweiligen Studentenwerk und den Verkehrsbetrieben vor Ort, die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Ich bin zuversichtlich, dass dies nach Augsburg, Bayreuth und Regensburg auch in Würzburg gelingen wird.