Gefangenenentlohnung

Vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 01.07.1998 ­ Az.: 2 441190 u. a. ­ in bezug auf die Gefangenenentlohnung fragen wir die Staatsregierung:

1. Welchem der drei nachstehenden aufgeführten Entlohnungsmodelle gibt die Staatsregierung bei der Gefangenenentlohnung den Vorrang?

· Das betriebsorientierte Ergebnismodell (BEM):

Die Einnahme der Arbeitsverwaltung bilden den Lohnfonds der Arbeitsverwaltung. Das Entgelt würde etwa auf 10 % der Bemessungsgrundlage sich verdoppeln.

· Dem Gesetzesvorgabe-Vollzugsmodell (GVM):

Als ursprüngliches Leitbild des liegt diesem Modell 40 % der Bezugsgröße zugrunde.

· Dem tariforientierten Basismodell (TBM): Ausgehend von den Tariflöhnen der jeweils untersten Lohngruppe für die in Anstalten durchgeführten Arbeiten ergibt sich ca. 60 % der Bezugsgröße.

2. Bis zu welchem Zeitpunkt möchte die Staatsregierung das bevorzugte Modell umsetzen?

3. a) Welche Mehrkosten ergeben sich aufgrund dieser Modelle für die Staatsregierung?

b) Hat die Staatsregierung bei den Mehrkosten aufgrund dieser der Modelle auch die finanziellen Entlastungen bzw. Einsparungen im Bereich Sozialhilfe, beim Wohngeld und Leistungen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz, die zwar den Justizhaushalt nicht betreffen, berücksichtigt? Wenn ja, in welcher Höhe bewegen sich diese Einsparungen in den angeführten Bereichen (aufgeschlüsselt nach den einzelnen Modellen!)?

c) Ergeben sich nach Meinung der Staatsregierung bei einer Entgelterhöhung nach den aufgezeigten drei verschiedenen Modellen weitere Entlastungen/Einsparungen bei dem Bundeshaushalt, bei den Länderund den kommunalen Haushalten bzw. insgesamt beim Steuerzahler aufgrund möglicher Schuldenregulierungen, Täter-Opfer-Ausgleiche und besserer und gelungener Resozialisierung Strafgefangener?

d) Hat die Staatsregierung bei den bisher genannten Kosten von ca. 2,0 Mio. DM aufgrund einer Erhöhung der Gefangenenentgelte um einen Prozentpunkt bereits eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung in bezug auf die drei Modelle durchgeführt?

4. Für welche weiteren Möglichkeiten (außer der Entgelterhöhung) der angemessenen Anerkennung der Pflichtarbeit Strafgefangener möchte sich die Staatsregierung im Bundesrat einsetzen und eventuell selbst umsetzen?

5. Wie steht die Staatsregierung zu der insbesondere auch von bayerischen Anstaltsleitern erhobenen Forderung der Einbindung in die Rentenversicherung? Welche Entlastung ist im Bereich der Sozialhilfe zu erwarten, wenn aufgrund der Einbindung in die Rentenversicherung in geringerem Umfang Sozialrenten gezahlt werden müßten?

6. Hat sich die Staatsregierung bereits Gedanken zu einem gestaffelten System der Haftkosten aufgrund der drei Modelle gemacht? Wenn ja, wie wird diese Staffelung aussehen?

7. Wie möchte die Staatsregierung in Zukunft die Forderung nach Zuweisung wirtschaftlich ergiebiger Arbeit entsprechend der Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen für jeden Gefangenen gem. § 37 Abs. 2 umsetzen und durchsetzen und die Vollzugsanstalten dabei unterstützen, insbesondere nachdem derzeit Pflichtarbeit nur für einen Teil der Gefängenen vorhanden ist und die Arbeitslosenquote innerhalb der Mauern ca. bei 40 % liegt? Gibt es diesbezüglich Konzepte, weitere Fremdfirmen mit qualifizierten und qualifizierenden Arbeiten in die Anstalten zu holen bzw. neue Anstaltsbetriebe aufzubauen, die insbesondere einer Erhöhung der Entlohnung Rechnung tragen?

8. a) Besteht bezüglich der Erhöhung der Gefangenenentlohnung im Hinblick auf § 37 III seitens der Staatsregierung bereits ein Konzept, auch diejenigen geeigneten Gefangenen, denen Gelegenheit zur Berufsausbildung, beruflichen Fortbildung, Umschulung oder Teilnahme an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen gewährt wird, in ein neues Entlohnungsmodell mit einzubeziehen?

b) Inwieweit ist dabei seitens der Staatsregierung auch angedacht worden, mehr Aus- und Weiterbildungsplätze zur Verfügung zu stellen und den Zugang zu ermöglichen, um damit insgesamt den Standard der Gefangenenarbeit zu heben?

Antwort des Staatsministeriums der Justiz vom 27. 05. 1999

Zu 1: Die Staatsregierung hält keines der drei aufgeführten sog. Modelle für eine geeignete Grundlage zur Neuregelung des Arbeitsentgelts der Gefangenen. Diese Vorschläge für eine Bemessung des Arbeitsentgelts sind nicht sachgerecht, weil sie die finanzielle und wirtschaftliche Realität außer Acht lassen.

­ Der Staat erzielt nicht etwa mit Hilfe der Gefangenenarbeit Gewinne aus dem Strafvollzug. 1998 hat der Freistaat Bayern für den Justizvollzug Gesamtausgaben in Höhe von 489,4 Mio DM aufgewendet. Dem stehen 85,5 Mio DM Einnahmen aus der Gefangenenarbeit gegenüber. Die bayerischen Steuerzahler tragen also für jeden Gefangenen netto 112,02 DM Tageshaftkosten.

­ Die Gefangenen erhalten bereits derzeit materielle Leistungen, die den durchschnittlichen Wert ihrer Arbeit deutlich übersteigen: Zwar beträgt die Eckvergütung des Arbeitsentgelts nur 5 % der Bezugsgröße des durchschnittlichen Einkommens der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten; das tatsächliche Durchschnittsentgelt (einschließlich Ausbildungsbeihilfe) liegt infolge der Einteilung in Vergütungsstufen nach der Strafvollzugsvergütungsordnung und der Gewährung von Zulagen immerhin bei 5,87 % der Bezugsgröße. Der Staat zahlt jedoch darüber hinaus Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in einer Höhe, die das ausgezahlte Arbeitsentgelt übersteigt.

Diese Beiträge sind als Bestandteil des Arbeitsentgelts anzusehen. Hinzu kommen Sachleistungen: Der Staat verzichtet darauf, von Gefangenen, die Pflichtarbeiten verrichten, Haftkostenbeiträge zu erheben und vom Arbeitsentgelt abzuziehen. Insoweit kann die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung durchaus in die Gesamtschau der dem Gefangenen zufließenden wirtschaftlichen Vorteile einbezogen werden. Der Wert dieser Sachleistungen beträgt z. B. bei Einzelunterbringung 650 DM monatlich; insgesamt ergeben sich so monatliche Leistungen von annähernd 1.200 DM. Demgegenüber erreicht die Gefangenenarbeit nicht mehr als 20 % der Produktivität eines Arbeiters in der freien Wirtschaft. Gründe hierfür sind u. a. die ständige Fluktuation, ein im Durchschnitt besonders schlechter Bildungs- und Ausbildungsstand der Gefangenen, persönlichkeitsbedingt schlechte Arbeitsleistungen, durch vollzugliche Maßnahmen bedingte Ausfallzeiten und erforderliche besondere Sicherheitsvorkehrungen.

Das Bundesverfassungsgericht hat auch keineswegs im Hinblick auf den wirtschaftlichen Wert der Gefangenenarbeit ein höheres finanzielles Entgelt gefordert. Vielmehr wird in dem Urteil vom 1. Juli 1998 darauf abgestellt, daß Pflichtarbeit im Strafvollzug nur dann ein wirksames Resozialisierungsmittel sei, wenn die geleistete Arbeit eine Anerkennung finde, die dem Gefangenen den Wert regelmäßiger Arbeit für ein eigenverantwortetes und straffreies Leben in Gestalt eines für ihn greifbaren Vorteils vor Augen führe. Das Gericht hebt hervor, dass diese Anerkennung nicht notwendig finanzieller Art sein muß.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gibt also keinen Anlaß zu einer drastischen Erhöhung des finanziellen Gefangenenarbeitsentgelts im Sinne eines der in der Frage aufgeführten Modelle.

Zu 2.: Die Staatsregierung geht davon aus, dass der Bundesgesetzgeber das Gesetzgebungsverfahren zur Neuregelung des Gefangenenarbeitsentgelts innerhalb der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Frist bis 31. Dezember 2000 abschließen kann. Ich erwarte, dass das Bundesministerium der Justiz alsbald einen Referentenentwurf vorlegen wird, der als Grundlage der weiteren Diskussion unter Einbeziehung der gerichtlichen, staatsanwaltschaftlichen und vollzuglichen Praxis geeignet ist.

Zu 3. a):

Jede Erhöhung des finanziellen Arbeitsentgelts würde zu einer entsprechenden Verteuerung der Gefangenenarbeit führen. Dies hätte eine Abwanderung vieler Unternehmerbetriebe zur Folge; die Eigenbetriebe könnten wegen der erhöhten Preise weniger Aufträge einholen. Das Resultat einer solchen Entwicklung wäre eine drastische Zunahme der Arbeitslosigkeit in den Justizvollzugsanstalten; das liefe dem Anliegen des Bundesverfassungsgerichts, die Bedingungen für eine Resozialisierung der Gefangenen zu verbessern, diametral zuwider. Will man dies verhindern, müßte die Verteuerung der Gefangenenarbeit durch eine Subventionierung aus dem Justizhaushalt aufgefangen werden. Dies hätte auf der Grundlage der Zahlen des Jahres 1998 eine jährliche Nettomehrbelastung des bayerischen Justizhaushaltes um 3,24 Mio DM je Prozentpunkt, um den die Eckvergütung angehoben wird, zur Folge. Eine Verdoppelung der Eckvergütung auf 10 % der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV würde also zu jährlichen Mehrausgaben von rund 16,2 Mio DM führen, da entsprechende Einsparungsmöglichkeiten weder bei der sonstigen Behandlung der Gefangenen noch bei der Gewährleistung der Anstaltssicherheit bestehen.

Zu 3. b) bis d):

Für eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zur Auswirkung etwaiger Erhöhungen des Gefangenenentgelts gibt es kein empirisch abgesichertes Modell. Mit Sicherheit kann jedoch festgestellt werden, dass die Entlastungseffekte für Bund, Land, kommunale Gebietskörperschaften und Sozialversicherungsträger weit hinter den Mehraufwendungen des Justizhaushaltes zurückbleiben werden. Dies ergibt sich ohne weiteres aus der Tatsache, dass bei weitem nicht alle Strafgefangenen Unterhaltspflichten zu erfüllen haben, verschuldet sind oder nach der Entlassung auf Sozialhilfe angewiesen sind. Ein großer Teil der Gefangenen würde also etwaige Entgelterhöhungen vollständig für sich verwenden können, ohne dass dem Ersparnisse bei anderen öffentlichen Kassen gegenüberstünden; andererseits gingen die denkbaren Entlastungseffekte für Dritte in keinem Einzelfall über den Erhöhungsbetrag des Entgelts hinaus. Im übrigen müßte wohl ohnehin ein gewisser Anteil einer Entgelterhöhung in jedem

Fall dem Gefangenen zur freien Verwendung überlassen werden, um dem Anliegen des Bundesverfassungsgerichts zu folgen, mit der anstehenden Neuregelung den Arbeitsanreiz für die Gefangenen zu intensivieren.

Zu 4.: Im gegenwärtigen Stadium der Vorüberlegungen zu dem anstehenden Gesetzgebungsverfahren wird die vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gebilligte Möglichkeit bevorzugt, eine angemessene Anerkennung von Arbeit dadurch vorzusehen, dass Gefangene ­ sofern general- oder spezialpräventive Gründe nicht entgegenstehen ­ durch Arbeit ihre Haftzeit verkürzen können. Eine solche Regelung hätte zugleich den Vorteil, zur Entlastung der überbelegten Justizvollzugsanstalten beizutragen. Sie würde jedoch mit dem Erfordernis der konsequenten Durchsetzung gerichtlicher Straferkenntnisse kollidieren. Es kann also nur eine äußerst maßvolle Anrechnung geleisteter Pflichtarbeit (und der Teilnahme an Ausbildungsmöglichkeiten u. ä.) auf die Haftzeit in Betracht kommen. So wäre z. B. denkbar, bei Erreichen einer festzusetzenden Mindestarbeitszeit pro Kalenderwoche einen Tag Haftzeitverkürzung zu gewähren. Damit ergäbe sich eine Haftzeitverkürzung um maximal 1/7 der Strafzeit.

Die tatsächliche Haftzeitverkürzung dürfte in der Regel deutlich darunter liegen, möglicherweise bei 1/10 der Strafzeit. Eine solche Haftzeitverkürzung bei regelmäßiger Arbeit im Strafvollzug bei unverändertem finanziellen Entgelt würde wohl einerseits die präventive Wirkung des Strafrechts nicht ernsthaft beeinträchtigen, aber andererseits von den Gefangenen durchaus als echte Anerkennung geleisteter Arbeit empfunden werden.

Allerdings wird auch eine solche maßvolle Haftzeitverkürzung der rechtstreuen Bevölkerung nur vermittelt werden können und den general- und spezialpräventiven Aufgaben des Strafrechts nur dann gerecht werden, wenn besonders gefährliche Straftäter wie z. B. Straftäter mit lebenslanger Freiheitsstrafe, Sicherungsverwahrte sowie gefährliche Gewaltund Sexualstraftäter von dieser Regelung ausgenommen werden. Für diese Gefangenengruppen käme ausschließlich eine maßvolle Erhöhung des Arbeitsentgelts in Betracht.

Zu 5.: Eine Diskussion über die Einbeziehung von Strafgefangenen in die Rentenversicherung erübrigt sich derzeit schon deshalb, weil das insoweit federführende Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung eine Änderung des Rentenversicherungsrechts im Zuge der anstehenden Neuregelung des Gefangenenarbeitsentgelts von vornherein abgelehnt hat.

Im übrigen ist festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 1. Juli 1998 kritisch angemerkt hat, dass eine derart weittragende Regelung wie die Einbeziehung der Strafgefangenen in die gesetzliche Altersrentenversicherung nicht nur nicht von Verfassungs wegen geboten ist, sondern sich im Gegenteil gerade unter Gleichheitsgesichtspunkten rechtfertigen müßte.

Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Straubing, der unter den bayerischen Anstaltsleitern über die größte Erfahrung im Umgang mit langstrafigen Gefangenen verfügt, hat sich dezidiert gegen eine Einbeziehung der Strafgefangenen in die Rentenversicherung ausgesprochen und hierzu die Auffassung vertreten, dass kaum ein Gefangener die Zahlung eines Rentenbeitrages als eine Anerkennung seiner Arbeitsleistung empfinden würde. Durch eine Einbeziehung in die Rentenversicherung werde Gefangenen nicht bewußt gemacht, daß sich Arbeit lohne. Der Gefangene wünsche eine relativ kurzfristig spürbare Belohnung seiner Arbeitsleistung. Aus Beitragszahlungen zur Rentenversicherung sich ergebende Vorteile lägen für ihn zeitlich so weit weg und seien so abstrakt, daß er sie bei der Arbeit nie vor Augen habe; dem Hinweis auf eine mögliche Belohnung in 20 bis 30 Jahren würden durchschnittliche Gefangene mit Unverständnis begegnen.

Dieser praktischen Einschätzung ist beizupflichten; damit erübrigen sich spekulative Aussagen über in späteren Jahrzehnten möglicherweise auftretende Entlastungen der Sozialhilfeträger bei einer Einbeziehung von Strafgefangenen in die Rentenversicherung.

Zu 6.: Wenn das jetzige finanzielle Arbeitsentgelt beibehalten und lediglich um eine moderate Haftzeitverkürzung als zusätzlichen Arbeitsanreiz ergänzt wird, sollten weiterhin keine Haftkostenbeiträge von dem Arbeitsentgelt erhoben werden (Nettoprinzip der Arbeitsentgeltbemessung). Der Übergang zum Bruttoprinzip mit deutlich erhöhten Arbeitsentgelten, von denen aber sodann nennenswerte Haftkostenbeiträge abgezogen werden, würde einen überflüssigen Verwaltungsaufwand verursachen.

Zu 7.: Von den zur Arbeit verpflichteten Strafgefangenen in bayerischen Justizvollzugsanstalten sind ca. 68 % beschäftigt.

Nur ca. 20 % der Strafgefangenen können aufgrund Arbeitsmangels nicht beschäftigt werden. 12 % der Strafgefangenen sind aus anderen Gründen ohne Arbeit, z. B. wegen Krankheit, Alters oder weil sie aus psychischen oder physischen Gründen nicht in der Lage sind, einfache Arbeiten auszuführen (z. B. drogenabhängige Gefangene). Die Auftragslage in den Eigenbetrieben ist insgesamt gesehen stabil. Dagegen war die Arbeit in den Unternehmerbetrieben in den vergangenen Jahren rückläufig; seit der wirtschaftlichen und politischen Umwälzung im ehemaligen Ostblock und der damit verbundenen Grenzöffnung wurden von Unternehmen vermehrt in diese neu zugänglichen Billiglohnländer Aufträge vergeben, die früher traditionell den Justizvollzugsanstalten erteilt wurden. Wie in Freiheit, so kann auch in den Justizvollzugsanstalten derzeit das Ziel einer Vollbeschäftigung nicht erreicht werden. Die Staatsregierung unternimmt jedoch erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der Beschäftigungssituation. Ziel aller Initiativen ist insbesondere, die mangels Arbeit untätigen Strafgefangenen einer geregelten Beschäftigung zuzuführen. Hier kann nicht nur auf besonders qualifizierte Arbeiten gesetzt werden, sondern es wird z. B. auch versucht, durch termingerechte Qualitätsarbeit Aufträge für einfache Montagearbeiten zurückzugewinnen, die in den letzten Jahren in Billiglohnländer abgewandert waren. Durch Einführung neuer Produkte können mehr Gefangene beschäftigt und auch anspruchsvolle Arbeitsplätze geschaffen werden. So werden z. B. seit 1996 in der Justizvollzugsanstalt Straubing mit großem Erfolg EDV-ge rechte Arbeitsplatzsystemmöbel hergestellt. Nach Auffassung der Staatsregierung ist schon die Gewöhnung an eine regelmäßige Arbeit an sich ein wichtiger Bestandteil eines geordneten Behandlungsvollzugs.

Das Staatsministerium der Justiz beschreitet neue Wege, um das vollzugliche Arbeitswesen marktgerecht zu präsentieren.

So wurde eine Broschüre mit einliegender CD-ROM erarbeitet, die einen Überblick über die Aufgaben und Leistungsfähigkeit der Arbeitsbetriebe in den bayerischen Justizvollzugsanstalten gibt. Die Arbeitsbetriebe in den Justizvollzugsanstalten treten als Partner der Industrie und des Handwerks auf und bieten ihre Leistungen als verlängerte Werkbank der heimischen Wirtschaft an. Von vornherein soll Konkurrenzdenken vermieden und partnerschaftliche Zusammenarbeit in den Vordergrund gestellt werden.

Eine vom Staatsministerium der Justiz eingesetzte Arbeitsgruppe bereitet derzeit die Präsentation des vollzuglichen Arbeitswesens im Internet vor.

Die Justizvollzugsanstalten werden unter Nutzung der neuen Marketinginstrumente verstärkt die Kooperation mit Unternehmen der heimischen Wirtschaft suchen. Angestrebt wird z. B. auch, in enger Zusammenarbeit mit Handwerksbetrieben gemeinsame Leistungen anzubieten. Die Justizvollzugsanstalten werden weiter ihre Bemühungen verstärken, im Gespräch mit Dritten das Interesse an dem breiten Leistungsspektrum des Justizvollzuges zu wecken. So werden künftig auch bei den Sitzungen der Anstaltsbeiräte das vollzugliche Arbeitswesen und die Bedeutung der Arbeit bei der Resozialisierung der Gefangenen einen größeren Raum einnehmen; es gilt, die vielfältigen Verbindungen der Beiratsmitglieder zur Wirtschaft und zu öffentlichen Einrichtungen im Interesse der vollzuglichen Aufgaben zu nutzen. Bei allen Aktivitäten zur Verbesserung der Beschäftigungssituation in den Justizvollzugsanstalten wird jedoch darauf geachtet, dass keine Wettbewerbsverzerrungen zu örtlichen und regionalen Handwerksbetrieben und mittelständischen Unternehmen auftreten.

Zu 8: a) Zwar führt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich aus, dass die Forderung aus dem Resozialisierungsgebot, Arbeit angemessen anzuerkennen, sich nur für solche Gefangene stelle, denen eine Arbeit oder eine sonstige Beschäftigung zugewiesen oder zugeteilt worden ist oder die zu einer Hilfstätigkeit verpflichtet worden sind (Pflichtarbeit), und dass besondere Maßstäbe für Gefangene gelten würden, denen keine Arbeit zugewiesen werde, weil sie zur Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung oder zur Teilnahme an anderen Maßnahmen der Aus- oder Weiterbildung oder zum Nachholen eines Schulabschlusses Gelegenheit erhielten oder arbeitstherapeutisch beschäftigt würden. Gleichwohl vertritt das Staatsministerium der Justiz seit Beginn der Überlegungen für eine Neuregelung des Gefangenenarbeitsentgelts die Auffassung, dass Arbeit und Teilnahme an einer Ausbildungsmaßnahme weiterhin grundsätzlich gleich vergütet werden sollten (vgl. zur derzeitigen Rechtslage § 44 Abs. 2 Wenn die Teilnahme an Ausbildungsmaßnahmen deutlich schlechter als die Pflichtarbeit entgolten würde, wäre angesichts der auf kurzfristige Vorteile bedachten Einstellung der meisten Gefangenen mit einem deutlichen Rückgang der Zahl der Gefangenen zu rechnen, die Ausbildungsangebote wahrnehmen. Dies sollte unbedingt vermieden werden, da Aus- und Fortbildung zu den erfolgversprechendsten Resozialisierungsmaßnahmen gehören.

b) Der bayerische Justizvollzug unternimmt erhebliche Anstrengungen im Aus- und Fortbildungsbereich. Hierbei geht es weniger um eine Hebung des Standards der Gefangenenarbeit als vielmehr um eine entscheidende Weichenstellung für die Zeit nach der Haftentlassung: Gut ausgebildete Gefangene haben eine echte Chance, im Arbeitsleben Fuß zu fassen und ihren Lebensunterhalt auf redliche Art und Weise zu verdienen. Die Zeit des Strafvollzuges bietet Gefangenen die Chance, Ausbildungsdefizite wettzumachen. Neben schulischen Ausbildungsmaßnahmen werden klassische Berufsausbildungsgänge und eine Vielzahl anderer berufsbildender Maßnahmen angeboten, die flexibel an die für eine vollständige Berufsausbildung oft nicht ausreichende Haftdauer angepaßt werden können. In den 37 bayerischen Justizvollzugsanstalten haben im Jahr 1998 4.619 Gefangene (1997: 4.504 Gefangene) an Ausbildungsmaßnahmen teilgenommen, davon 433 in einem anerkannten Ausbildungsberuf, 1.389 im Rahmen einer sonstigen beruflichen Ausbildung und 2.797 an außerberuflichen Ausbildungsmaßnahmen. 95 Ausgebildete bestanden die Gesellen- und Facharbeiterprüfung und erreichten dabei überwiegend gute und befriedigende Noten, 137 Gefangene konnten erfolgreich einen Schulabschluß nachholen.

Die Staatsregierung wird im Interesse einer erfolgreichen Resozialisierung der Strafgefangenen die Aus- und Weiterbildungsangebote ausbauen; so sind im Entwurf des Doppelhaushalts 1999/2000 zwei zusätzliche Stellen für Lehrer im Justizvollzugsdienst und 18 zusätzliche Stellen für Handwerksmeister im mittleren Werkdienst bei den Justizvollzugsanstalten vorgesehen. Besonders das berufsfeldbezogene Ausbildungsangebot wird damit deutlich ausgeweitet werden können.