Katastrophale Wertachüberschwemmungen in Augsburg an Pfingsten 1999 infolge eines durch Blockierung des alten Wertachwehrs verursachten Dammbruches

Am Samstag vor Pfingsten bildete sich am alten Wertachwehr im Augsburger Stadtteil Göggingen eine Barriere durch angeschwemmtes Holz. Hierdurch wurde die Wertach offenbar auf eine nie zuvor erreichte Höhe angestaut. Die Wertach überschwemmte zuerst Straßenzüge am östlichen Ufer und nach einigen Stunden brach dann der westliche Wertachdamm im Bereich des Wehres.

1. Wertachwehr

Wann ist dieses Wertachwehr erbaut worden, und wann ist es letztmalig auf den Stand der Technik nachgerüstet worden?

a) Wer ist Eigentümer dieses Wehres und wer ist für Instandhaltung, Steuerung und Kontrolle dieses Wehres verantwortlich gewesen?

b) Welche staatliche Stelle ist für die Genehmigung und die laufende Überwachung dieser Wehranlage verantwortlich gewesen?

2. Wäre ein Wehr dieser Bauart, bei dem der bewegliche Schutz nur über die Wehroberfläche unzulänglich nach oben gezogen werden kann, heute noch genehmigungsfähig?

a) Wann ist das Wehr das letzte Mal gründlich überholt worden und wer hat dies bezahlt?

3. Was haben die staatlichen Ermittlungen über den Zustand des Wehres zum Zeitpunkt der Wertachblockierung an Pfingsten ergeben?

a) War das Wehr ordnungsgemäß gewartet?

b) War eine technische bzw. wasserbaumäßige Überholung des Wehres schon geplant? Wenn ja, für wann?

4. Was hat sich am Samstag vor Pfingsten und am Pfingstsonntag an dem Wehr ereignet? Bitte genau das Geschehen schildern.

a) Wer hat am besagten Samstag und am Pfingstsonntag an diesem Wertachwehr die Entscheidungsbefugnisse und -verantwortung gehabt? Bitte genau Dienststellen und Personen benennen.

5. Welche Notmaßnahmen wurden in der fraglichen Zeit an dem Wehr unternommen, um die Holzblockade aufzulösen?

a) Ist erwogen worden, als letzte Maßnahme zur Abwendung der weiträumigen Überschwemmungen, das Wehr zu sprengen? Warum ist dies nicht gemacht worden?

b) Treffen nach Kenntnis der Staatsregierung in der Bevölkerung geäußerte Vermutungen zu, die Stadt habe eine Notsprengung des Wehres, die den Damm entlastet und somit vermutlich die Überschwemmungen verhindert hätte, unterlassen, um eigene Vermögenswerte (Gasleitung an der Luitpoldbrücke) flußabwärts nicht zu gefährden?

6. Ermittelt die Staatsanwaltschaft nach § 314 Wenn nein, warum nicht?

Antwort des Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen vom 19. 07. 1999

Zu 1.: Nach vorliegenden Unterlagen wurde mit dem Bau der Wehranlage in der Wertach mit Beschluß des Königlichen Bezirksamtes Augsburg vom 7. September 1883 begonnen.

Nicht bekannt ist, wann das Wehr zum letzten Mal auf den Stand der Technik nachgerüstet wurde.

Technische und wasserbauliche Überholungen des Wehres im Sinne einer Wartung und Pflege sind nach dem Beschluß des Königlichen Bezirksamtes Augsburg vom 7. September 1883 ständige Aufgabe des Anlagenbetreibers.

Zu 1. a):

Nach den uns vorliegenden Unterlagen ist die Fa. A. bzw. deren Rechtsnachfolger sowohl Eigentümer wie auch für Instandhaltung, Steuerung und Kontrolle des Wehres zuständig.

Zu 1. b):

Die Stadt Augsburg ist als Wasserrechtsbehörde für die Genehmigung der Anlage zuständig, sofern Anlagen baugenehmigungspflichtig sind, ebenfalls die Stadt Augsburg als Baugenehmigungsbehörde.

Nach Art. 68 obliegt die Gewässeraufsicht den Kreisverwaltungsbehörden, hier der Stadt Augsburg. Die technische Gewässeraufsicht obliegt dem Wasserwirtschaftsamt Donauwörth.

Nach dem Beschluß des Königlichen Bezirksamtes Augsburg vom 7. September 1883 und einem folgenden Beschluß vom 10. April 1913 desselben Amtes zum Anbau eines Wehraufsatzes war der Anlagenbetreiber verpflichtet, die Anlage stets in gutem baulichen und betriebsfertigen Zustand zu erhalten.

Zu 2.: Sofern jederzeit der Hochwasserabfluß sowie bei Hochwasser die einwandfreie Funktion der Anlage sichergestellt werden kann, ist eine Genehmigung derartiger Wehranlagen unter bestimmten Bedingungen und Auflagen nicht ausgeschlossen.

Zu 2. a):

Siehe Ausführungen zu 1.

Zu 3. bis 3. b):

Derzeit laufen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen; denen kann nicht vorgegriffen werden.

Zu 4.: Nach Verklausung des historischen Ackermannwehres im Stadtteil Göggingen/Augsburg durch angetriebene Bäume und Sträucher staute sich die Wertach ab dem späten Nachmittag des 22.05.99 vor der Wehranlage an. Den eingesetzten Hilfskräften der Stadt Augsburg, Freiwilligen Feuerwehren und anderen Hilfsorganisationen gelang es trotz enormer Anstrengung nicht, die Wehranlage von Treibgut zu befreien und einen weiteren Anstau der Wertach zu verhindern.

Gegen 0.00 Uhr am 23.05.99 überströmte die Wertach beide Deiche unmittelbar oberhalb der Wehranlage. Das Betriebsgebäude der Wehranlage am rechten Ufer wurde zerstört.

Durch rückschreitende Erosion brach der linke Deich; die Stadtteile Uhlandwiese, Schafweidsiedlung und weite Bereiche von Pfersee wurden überflutet. Nach dem Deichbruch am linken Ufer stürzte etwa gegen 0.30 Uhr auch das Ackermannwehr ein.

Zu 4. a): Katastrophenschutzbehörde ist die Stadt Augsburg. Genauere Mitteilungen sind derzeit aufgrund der laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen nicht möglich.

Zu 5. bis 5. b):

Siehe Ausführungen unter 4. a).

Zu 6.: Ja.