Forschung

HCB-Belastung der Donau durch Einleitungen der Fa. S., Münchsmünster

Im Zusammenhang mit der HCB-Belastung der Donau und dem dazu vor dem Ausschuß für Landesentwicklung und Umweltfragen am 10.6.1999 abgegebenen Bericht stellen wir folgende Fragen an die Staatsregierung:

1. Welchen maximal zulässigen AOX-Wert beinhaltet der wasserrechtliche Bescheid für die Chlorierungsanlage (CC-Anlage) der Fa. S. Münchsmünster?

2. In welcher Höhe lagen die den Behörden übermittelten Eigenüberwachungswerte für AOX für den Zeitraum seit Erteilung des wasserrechtlichen Bescheids?

3. Wurde die Fa. S. Münchsmünster seit Erteilung des wasserrechtlichen Bescheids für die CC-Anlage von den Behörden (Landratsamt Pfaffenhofen, Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt) aufgefordert, die relativ hohen AOX-Werte zu erklären, und wie hat ggf. das Unternehmen reagiert?

4. Ist der Staatsregierung bekannt, dass ein Kunde der Fa. S. den HCB-Gehalt des Cyanurchlorids moniert hat?

5. Hätten die Verantwortlichen der Fa. S. nicht aus der Kenntnis des HCB-Gehalts des Cyanurchlorids einerseits und der hohen AOX-Werte im Abwasser andererseits auf HCB im Abwasser schließen müssen?

6. Was hat der Umweltgutachter bei der Validierung des S.Werkes Münchsmünster nach der EG-Ökoaudit-Verordnung zur HCB-Problematik gesagt?

7. Ist der Staatsregierung die Mängelliste im Auditbericht bekannt und beinhaltet diese ggf. die HCB-Problematik?

8. Welchen Zusammenhang gibt es zwischen der HCB-Belastung der Donau infolge der Abwassereinleitung durch die Fa. S. Münchsmünster und dem aus Bayern nach Brandenburg (Großbeeren) verfrachteten Klärschlamm, bei dem im Rahmen einer Untersuchung im November 1998 ungewöhnlich hohe Konzentrationen an HCB festgestellt wurden?

Antwort des Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltforschung

Zur schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Dr. Martin Runge, Emma Kellner, Volker Hartenstein nimmt das Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen wie folgt Stellung:

Zu 1.: Im wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid vom 26.07.88 wurde vorgegeben, die Ableitung von adsorbierbaren organisch gebundenen Halogenen (AOX) zu verhindern oder ­ sofern dies nicht möglich ist ­ weitestgehend zu vermindern.

Der gültige wasserrechtliche Erlaubnisbescheid vom 18.11.98 für das Einleiten von Abwässern in die Donau durch die Fa. & Co., Münchsmünster KG legt für das biologisch gereinigte Abwasser (Ablauf-Nachklärbecken) einen AOX-Wert in der nicht abgesetzten homogenisierten 2-Stunden-Mischprobe von 0,1 mg/l fest, für das Abwasser im Abschlämmwasserkanal von 1,5 mg/l. Die Einleitung in die Donau setzt sich aus diesen beiden Teilströmen zusammen.

Zu 2.: Gemäß dem wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid vom 26.07.88 war von der Erlaubnisinhaberin im Rahmen der Eigenüberwachung der AOX-Gehalt einmal wöchentlich anhand einer Stichprobe aus dem Ablauf des Abschlämmkanals zu bestimmen. Zusätzlich wurden mit gleicher Häufigkeit Untersuchungen aus dem Ablauf der Cyanurchlorid-Anlage (CC-Anlage) durchgeführt. Der Abschlämmkanal leitet neben dem in einer Neutralisationsanlage behandelten Abwasser der CC-Anlage Abwasser aus anderen Anlagenbereichen, das nicht behandlungsbedürftig ist (z.B. Kühlwasser), direkt zur Donau ab.

Die Berichte der Firma von 1988 bis 1998 zeigen einen sehr großen Schwankungsbereich, der im Falle des Abschlämmkanals von nicht nachweisbar bis zu einem einmaligen Spitzenwert von 45 mg/l reichte. Als Durchschnittswert wurde von der S. Trostberg AG für verschiedene Jahre ein Wert von 5­10 mg/l AOX im Prozeßabwasser der CC-Anlage angegeben.

Zu Punkt 3:

Für die Bewertung der in Beantwortung von Punkt 2. aufgeführten Werte aus der Eigenüberwachung ist folgendes zu beachten:

­ Im Rahmen der technischen Gewässeraufsicht wurden vom Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt seit 1989 30 Proben aus dem Abschlämmkanal auf AOX untersucht. Die Werte lagen zwischen nicht nachweisbar und 2,6 mg/l, bei einem Mittelwert von 0,6 mg/l.

­ Das Analysenverfahren für AOX ist stark störanfällig. So können insbesondere hohe Chloridkonzentrationen überhöhte AOX-Konzentrationen vortäuschen. Das Abwasser der CC-Anlage war stets durch entsprechend hohe Chloridkonzentrationen bis etwa 35 g/l gekennzeichnet, die sich zumindest zeitweise auch auf den Abschlämmkanal auswirkten.

­ Nach dem Stand der Technik war im Ablauf der CC-Anlage ein AOX-Wert in dem von der S. genannten Durchschnittskonzentrationsbereich zu erwarten (eine Konzentration von 10 mg/l entspricht einer produktionsspezifischen Fracht von 20 g AOX/t Cyanurchlorid; nach dem für die chemische Industrie einschlägigen Anhang 22 zur Abwasserverordnung gilt eine Anforderung von 20 g/t).

­ Der Begutachtung durch den amtlichen Sachverständigen für die wasserrechtliche Erlaubnis lagen die Angaben der Fa. S. zu den im Abwasser der CC-Anlage zu erwartenden halogenorganischen Verbindungen zugrunde. Danach waren im wesentlichen nur Cyanurchlorid und geringe Mengen an Hypochlorit sowie Zersetzungsprodukte des Cyanurchlorids zu erwarten. An-gaben bzw. Hinweise auf andere Nebenprodukte aus der Cyanurchloridherstellung lagen nicht vor.

Die Erlaubnisinhaberin wurde wiederholt aufgefordert, Maßnahmen zur Minimierung der AOX-Fracht durchzuführen. Daraufhin wurden die eingesetzten Hilfs- und Einsatzstoffe auf ihren AOX-Gehalt geprüft und solche mit signifikanten AOX-Anteilen durch AOX-arme Stoffe ersetzt (z.B. Salzsäure, Reinigungsmittel). Nachfolgend wurden auf Betreiben der Behörde Möglichkeiten zur Eliminierung des AOX aus dem Abwasser erprobt, darunter die Mitbehandlung des Abwassers aus der CC-Anlage in der biologischen Kläranlage des Standortes Münchsmünster. Diese Versuche erwiesen sich jedoch als nicht zielführend. Daher wurde in Zusammenhang mit der Genehmigung eines an die CC-Anlage gekoppelten Versuchsbetriebes 1994 vom Landratsamt Pfaffenhofen auf Vorschlag des Bayer. Landesamts für Wasserwirtschaft eine Untersuchung auf einzelne Organohalogenverbindungen anhand der aus dem CC-Prozeß stammenden Salzsäure gefordert. Von der Firma wurde hierzu 1996 mitgeteilt, dass der genehmigte Versuchsbetrieb und daher auch die geforderten Untersuchungen nicht durchgeführt worden seien. Daraufhin wurde die Firma erneut aufgefordert, umgehend eine entsprechende Ursachenforschung durchzuführen und alle hierzu verfügbaren Daten vorzulegen. Nachdem dies bis Mitte 1998 nicht erfolgt war, wurde dem Landratsamt Pfaffenhofen vom Bayer. Landesamt für Wasserwirtschaft vorgeschlagen, durch Änderung des Erlaubnisbescheides einen vorläufigen AOX-Überwachungswert von 1,5 mg/l für den Abschlämmkanal festzusetzen und die Vorlage eines Abwasserkatasters zu fordern. Durch das Abwasserkataster sollte u.a. auch die Herkunft und Art der AOX-Belastung im Abschlämmkanal endgültig offengelegt werden. Dieser Vorschlag wurde durch Bescheid vom 18.11.98 umgesetzt. Ein Katasterkonzept wurde von der Firma am 11.02.99 vorgelegt, nachdem die HCBQuelle durch die behördlichen Untersuchungen bereits ermittelt worden war.

Zu 4.: Die Untersuchungsergebnisse, die auf eine HCB-Quelle am Standort Petrochemie Münchsmünster hinwiesen, lagen am 27.01.99 vor. In einer daraufhin mit den betroffenen Firmen des Standortes am 28.01.99 vorgenommenen Besprechung informierte die Firma S. die Behörden erstmals darüber, dass eine Verunreinigung des Produktes Cyanurchlorid mit HCB der Firma bekannt sei.

Zu 5.: Hierzu kann keine Aussage getroffen werden. Die Frage ist Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen.

Zu 6.: In der Umwelterklärung 1997 der S. Trostberg AG für die Standorte Trostberg und Münchsmünster, die der Umweltgutachter abgezeichnet hat, ist keine Aussage zur HCB-Problematik enthalten.

Die Mitte Februar 1999 vorliegenden Analysenergebnisse einer systematischen Untersuchung der Abwasseranlagen am Standort Münchsmünster wiesen darauf hin, dass HCBhaltiges Abwasser aus dem Bereich der CC-Anlage nicht nur über den Abschlämmkanal direkt zur Donau abgeleitet worden war, sondern auch über eine Zuleitung zur biologischen Kläranlage. Die Fa. S. gab daraufhin an, dass in der Vergangenheit fallweise behandlungsbedürftiges Abwasser aus der CC-Anlage zur Kläranlage geleitet worden war. Wie aus den Entsorgungsnachweisen hervorgeht, wurde im Zeitraum 10.08.98 bis 09.11.98 eine Charge Klärschlamm aus der Kläranlage der Firma als Abfall zur Verwertung nach Großbeeren geliefert. Zuvor war der Klärschlamm auf der Deponie Gallenbach der GSB Ebenhausen abgelagert worden. Stichproben aus einer Routineüberwachung in Großbeeren durch das örtlich zuständige Amt für Immissionsschutz Waldstadt ergaben im November 1998 Konzentrationen an HCB im Klärschlamm. Daraufhin wurde die weitere Annahme des Klärschlammes aus Münchsmünster vorerst gestoppt und das Landesumweltamt Brandenburg mit einer Verifizierung der Untersuchungsergebnisse beauftragt.

Mit Schreiben vom 01.03.99 wurde das Landratsamt Pfaffenhofen vom Amt für Immissionsschutz Waldstadt über die Ergebnisse der Beprobung im November 1998 unterrichtet.

Die Ergebnisse der vom Landesumweltamt Brandenburg durchgeführten Analysen lagen Ende März vor und bestätigten den HCB-Gehalt der ersten Untersuchungen. Das Landratsamt Pfaffenhofen unterrichtete die Firma am 25.03.99, dass der Klärschlamm nicht wie zuvor als Abfall zur Verwertung abgegeben werden darf. Der von November 1998 bis Anfang Januar 1999 in Münchsmünster in Containern gelagerte Schlamm wurde über die GSB Ebenhausen zur Deponie Gallenbach verbracht. Der danach angefallene Schlamm wurde Ende April 1999 in der Müllverbrennungsanlage Ingolstadt verbrannt.