Amylose-Debakel

Über die Pleiten bei der Amylose-Fabrik in Altenmarkt sind nach und nach immer mehr Einzelheiten bekanntgeworden, die m.E. darauf schließen lassen, dass der damals zuständige Staatsminister Bocklet dem Landtag in dieser Sache die Unwahrheit gesagt hat.

Ich frage die Staatsregierung:

1. Warum wurde dem Landtag verschwiegen, daß C.A.R.M.E.N. in einem Gutachten für Altenmarkt, aufgrund zahlreicher ernst zu nehmender Einwände keine Förderempfehlung aussprechen konnte?

2. Welche Kosten sind durch die umfangreichen Gutachten über die Amylosefabrikation entstanden? (Jeweils pro Gutachten aufschlüsseln.)

3. Welche Chancen, aber auch welche Risiken wurden in den Gutachten der Bundesanstalt für Getreideforschung in Detmold, dem inzwischen aufgelösten B.-Institut, der E. AG benannt? (Für jedes Institut gesondert beantworten.)

4. Warum wurde das Kautionsproblem mit einer Bürgschaft von 1,25 Mio DM aus C.A.R.M.E.N.-Mitteln ausschließlich über das C.A.R.M.E.N.-Mitglied Fa. S. bzw. Herrn G. abgewickelt, obwohl die Vereinssatzung dies ausdrücklich ausschloß?

5. Wer ermächtigte den damaligen Vorsitzenden von C.A.R.M.E.N., MR W., zu der Zusage, die nach EURecht verbotene Risiko-Absicherung für die von C.A.R.M.E.N. übernommene Bürgschaft durch Aufträge an C.A.R.M.E.N. abzusichern, um so das EU-Recht umgehen zu können?

6. Gibt es über den Vorgang in Frage 5 ein Protokoll und wird dies dem Landtag zugänglich gemacht?

7. Welche Versuche hat die Staatsregierung inzwischen unternommen, um die Fördermittel für die Amylosefabrik zurückzuerhalten?

Antwort des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 28. 09. 1999

Zu 1.: C.A.R.M.E.N. hat sich zum Projekt Amylose-KG im Schreiben vom 10. Februar 1994, vom 12. Juli 1994 und vom 9. August 1994 geäußert. Es trifft zu, dass C.A.R.M.E.N. in seinem ersten Schreiben keine Förderempfehlung ausgesprochen hat. C.A.R.M.E.N. hat aber in diesem Schreiben auch auf folgendes hingewiesen: Das Projekt erscheint aufgrund der Bereitstellung eines komplett neuen, hochwertigen Rohstoffes prinzipiell förderungswürdig. Die Verarbeitung hochamylosehaltiger Markerbsen zu Stärkegranulat im industriellen Maßstab bedeutet eine großflächige Einführung einer neuen Pflanze in technische Bereiche (Automobilindustrie, Verpackungsindustrie).

Darüber hinaus bietet die Pflanze hervorragende Fruchtwechseleigenschaften. C.A.R.M.E.N. hat in seinem Gutachten auch auf Risiken bezüglich der Übertragung der Labortechnik in den industriellen Maßstab hingewiesen. C.A.R.M.E.N. hat vorgeschlagen, eine kleinere Pilotanlage mit einer Kapazität von bis zu 100 Tonnen pro Jahr zu fördern, damit eine zunächst ausreichende Menge an Granulat für Prüfzwecke geliefert werden kann und die Möglichkeit bestünde, verfahrenstechnische Probleme rechtzeitig zu lösen. Diese Empfehlung wurde vom Staatsministerium nicht weiterverfolgt, da die Investoren nachvollziehbar darlegen konnten, dass damit die Wirtschaftlichkeit des Projektes von Anfang an gefährdet worden wäre. Eine kleinere Anlage hätte teure Spezialanfertigungen von Maschinen und Geräten erfordert, die bei einer späteren Großinvestition überflüssig gewesen wären.

Die von C.A.R.M.E.N. zitierten Risiken bezüglich der Übertragung der Labortechnik in den industriellen Maßstab sind nicht eingetroffen. Der Probebetrieb ist positiv verlaufen.

Die in Altenmarkt hergestellte Ware übertraf qualitativ die Produkte aus dem Laborbetrieb.

C.A.R.M.E.N. hat auch auf mögliche Absatzrisiken hingewiesen. Nachdem zum Zeitpunkt der Förderzusage Abnahmebereitschaftserklärungen vorlagen, wurden diese Risiken vom Staatsministerium als vertretbar eingestuft.

In seinem Schreiben vom 9. August 1994 hat C.A.R.M.E.N. seine bisherige Haltung relativiert und mitgeteilt, dass verschiedene kritische Punkte des Projektes entschärft werden konnten. Dies betrifft insbesondere die Liquiditätssicherung für die Amylose-KG durch Anpassung des Zahlungsflusses für Markerbsen an den Produktionsverlauf sowie die Ausräumung patentrechtlicher Schwierigkeiten.

Nachdem die ursprüngliche Stellungnahme von C.A.R. M.E.N. mit zwei Schreiben ergänzt und in den Verhandlungen weitgehend relativiert wurde, war die Aussage im ersten Gutachten vom 10. Februar 1994 in dieser Form überholt und wurde folglich dem Landtag nicht mehr zur Kenntnis gebracht.

Die Entscheidung, die Amylose-KG zu fördern, wurde vom Staatsministerium unter Abwägung aller relevanten Faktoren getroffen. Ausschlaggebend war dabei auch die grundsätzlich positive Bewertung durch C.A.R.M.E.N., die das Projekt von Anfang an als förderungswürdige und aussichtsreiche Technologie bewertete. Anfängliche Bedenken C.A.R.M.E.N.s konnten ­ wie oben erläutert ­ ausgeräumt werden. Insbesondere konnte von den Investoren zu einem der Hauptkritikpunkte ­ Übertragung der Labortechnik auf eine Großanlage ­ überzeugend dargelegt werden, dass es bereits serienreife Geräte zur Trennung der Eiweiß- und Stärkefraktionen gibt, mit denen deutlich bessere Ergebnisse als im Laborversuch erzielt werden. Der Probebetrieb hat dies auch bestätigt.

Zu 2.: Wie den Mitgliedern der Ausschüsse für Staatshaushalt und Finanzfragen sowie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit Schreiben vom 02.06.1999 bereits mitgeteilt wurde, hat das Staatsministerium im direkten zeitlichen Zusammenhang mit dem Projekt Amylose-KG keine weiteren Gutachten eingefordert oder Zahlungen geleistet.

Das Thema Nutzung von amylosereicher Erbsenstärke war jedoch vor der Bewilligung des Projektes Amylose-KG Gegenstand zahlreicher industrieller und institutioneller Forschungsaktivitäten. Dazu gehörten Arbeiten der E. AG, des

B. Institutes, der F. der B. AG, der Gesellschaft für S. und des Amylose-Forschungsverbundes des BML/BMFT.

Eine Zusammenstellung der Kosten aller im Zusammenhang mit der Amylosefabrikation erstellten Gutachten liegt dem Staatsministerium nicht vor, da diese Gutachten teilweise von der Industrie und dem Bund in Auftrag gegeben und finanziert wurden. Vor der Bewilligung des Projektes Amylose-KG hat das Staatsministerium im Rahmen des Forschungsvorhabens Forschungsarbeiten über einen umweltund gebrauchssicheren Werkstoff auf der Basis von aus heimischem Erbsenanbau Fördermittel an die F. in Höhe von 306.530 DM bewilligt.

Nach der Bewilligung des Projektes Amylose-KG hat das Staatsministerium im Rahmen eines Werkvertrages an die Fraunhofer Gesellschaft zur Förderung der Angewandten Forschung das Projekt Herstellung und Optimierung von Veredelungsprodukten auf der Basis von Amylosestärke mit einem Leistungsumfang von 224.700 DM in Auftrag gegeben.

Darüber hinaus wurde die Gesellschaft für S., mit einem Werkvertrag über die Herstellung und Lieferung von Folienmustern aus HA-Erbsenstärke für Demonstrationszwecke und zur Marktvorbereitung beauftragt. Der Leistungsumfang des letztgenannten Werkvertrages umfaßte 121.800 DM.

Zu 3.: a) Bundesanstalt für Getreideforschung

Die Bundesanstalt für Getreide-, Kartoffel- und Fettforschung führt 1993 in ihrem Forschungsbericht über ein Forschungsvorhaben aus den Jahren 1991 und 1992 zur Gewinnung niedermolekularer Inhaltsstoffe aus Erbsen zur Optimierung der Stärkeabtrennung unter anderem folgendes aus: Diese anwendungsorientierte Forschungsarbeit kann als Grundlage zur innovativen Nutzung des Markerbsenproteins dienen.... Die Bedeutung von amylosereicher Markerbsenstärke für Anwendungen im Lebensmittelund chemisch-technischen Bereich ist in der Literatur hinreichend beschrieben. In Anbetracht des niedrigen Stärkegehaltes im Rohstoff wird ein Verfahren zur Markerbsenstärkegewinnung jedoch nur dann ökonomisch relevant, wenn es gelingt, auch das Protein, welches das bedeutendste Nebenprodukt darstellt, in guter Ausbeute und Qualität zu isolieren. Bei dem Gewinnungsverfahren ist die Proteinqualität von besonderer Bedeutung. Da die Verwendung des Proteins als Tierfutter aufgrund der zu erwartenden niedrigen Erlöse nicht wirtschaftlich erscheint, muss es das Ziel sein, durch eine ausgefeilte Verfahrens- und Prozeßtechnik ein natives hochwertiges Markerbsenprotein für Anwendungen im Nahrungsmittelbereich zu gewinnen. Die ernährungsphysiologischen und insbesondere die funktionellen Eigenschaften dieses Proteins werden dann an denen von großtechnisch verfügbaren Proteinen wie z. B. Weizenkleber, Sojaprotein, Eiprotein, Casein und Gelatine gemessen werden. Für alle weiteren Markerbsennebenprodukte wie Schalen, innere Fasern, Oleosaccharide, Aminosäuren, Lipide und Mineralstoffe kommt eine weitere aufwendige verfahrenstechnische Differenzierung aus Kostengründen nicht in Frage. Am sinnvollsten ist vielmehr die Verwendung dieser Komponenten in einer Gesamtfraktion als proteinhaltiges Viehfutter. Biotechnologische Anwendungen können ebenfalls in Betracht gezogen werden. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte kann die Bedeutung von antinutritiven Stoffen, wie z. B. Trypsininhibitoren, Hämagglutininen und Lecithinen, die bei Erbsen ohnehin nur in geringen Konzentrationen vorliegen, vernachlässigt werden.... Das Gewinnungsverfahren hat keinen Einfluß auf die Aminosäurezusammensetzung. Die limitierende Aminosäure des Markerbsenproteins ist ebenso wie beim Sojaprotein das Methionin. Die ernährungsphysiologische Wertigkeit dieser beiden Proteine ist vergleichbar gut.... Die Schaumstabilität des durch Diafiltration gewonnenen Proteins ist vergleichbar mit enzymatisch abgebautem Weizenkleber und Sojaprotein. Sie ist jedoch geringer als die von Weizenvitalkleber, Casein oder Eiprotein.... Abschließend lässt sich feststellen, daß durch die Diafiltration isoliertes natives Markerbsenprotein eine wertvolle Bereicherung des Proteinangebots darstellt. Aufgrund der guten ernährungsphysiologischen und relativ guten funktionellen Eigenschaften lassen sich für Erbsenprotein Anwendungsbereiche bei Soßen, Dressings, Suppen, Fertiggerichten, Fleischprodukten, Dauer backwaren, diätetischen Produkten und Sportlernahrung erschließen...

Ein Vertreter der Bundesanstalt für Getreideforschung hat sich im übrigen am 18.08.1994 bei einem Zusammentreffen mit Herrn Staatsminister Bocklet nachdrücklich für eine Förderung des Projektes in Altenmarkt ausgesprochen und zugesichert, dass die Bundesanstalt für Getreideforschung auch künftig die Entwicklung der Produktlinie Markerbsenstärke sowie das Projekt in Altenmarkt unterstützend begleiten wird. Nach dem Kenntnisstand des Staatsministeriums ist auch eine bei der Bewilligung des Projektes nicht vorgesehene und später ohne Abstimmung mit dem Staatsministerium und ohne Förderung erfolgte vollständige Auslegung auf Lebensmittelechtheit, was das Projekt erheblich verteuert hat, u. a. auf den Einfluß der Bundesanstalt zurückzuführen.

Ein Vortrag von Vertretern des Instituts für Angewandte Genetik der Freien Universität Berlin aus dem Jahr 1994 enthält unter anderem folgende Aussagen: Seit einigen Jahren wird deutlich, dass insbesondere auch die kunststofferzeugende Industrie als Markt für landwirtschaftlich produzierte Grundstoffe künftig interessant sein wird. Dies gilt auch für den vielseitig verwendbaren Rohstoff Stärke und hier speziell für dessen Komponente Amylose. Ebenfalls ist der Einsatz pflanzlichen Proteins als Rohstoffbasis für künftige Werkstoffe in die Betrachtungen einzubeziehen.

Der Verband der Chemischen Industrie schätzt, dass mittelfristig in der EU die Menge industriell verarbeiteter Stärken mehr als verdoppelt werden kann. Die Produktion dieser Stärkemengen könnte künftig in Deutschland auf etwa 500 000 ha der landwirtschaftlichen Nutzfläche erfolgen. Stärke ist ein vielseitig eingesetzter Rohstoff im Nicht-Nahrungsmittelbereich. Ihre Verwendung reicht von der Herstellung von Anstrichmitteln, Baustoffen, Klebstoffen, Kosmetika, Papieren und Pappen bis zu Werkstoffzusätzen (Bioplastikstoffe). Letzteres ermöglicht die Verrottbarkeit solcher Kunststoffprodukte, die aus synthetischen und bis zu 50 % natürlichen Polymeren bestehen. Aus reinen natürlichen Polymeren, z. B. Stärke, erzeugte Werkstoffe können dagegen vollständig biologisch abgebaut werden.

Amylose besteht aus linearen Makromolekülketten die eine Kristallisation aus der Lösung erlauben und hervorragende Filmbildungseigenschaften besitzen. Durch thermische oder chemische Behandlung hochamylosehaltiger Stärke lassen sich z. B. wasserbeständige Filme für eine Reihe von Anwendungsbereichen herstellen, z. B. das Laminieren von Papier und Folien für Verpackungszwecke.

Die Untersuchungen am Fraunhofer-Institut für Polymerchemie in Teltow zur Charakterisierung der Verarbeitungseignung verschiedener Stärken, z. B. für die Herstellung von Verpackungsfolien, belegen die Vorzüglichkeit hochamylosereicher Stärken. Entscheidend für die Biegsamkeit, die Zugfestigkeit, die Deformierbarkeit und die Naß- und Trockenresistenz der Filme aus Amylopektin ­ Amylosegemischen ist ein geringer Amylosepektinanteil, der bei Gehalten, von mehr als 10­15 % nativen Amylopektins den Zusammenhalt des Molekülgefüges stört und damit die mechanischen Folieneigenschaften verschlechtert....

Derzeit beschäftigen sich in den USA National Starch and Chemical Co. and American Excelsior Corp. mit dem Einsatz extrudierter hydroxypropylierter Stärke mit hohem Amylosegehalt. Im Entwicklungsstadium befinden sich die Arbeiten zum Einsatz thermoplastisch verarbeitbarer Stärke mit hohem Amylosegehalt. Hier wird ein Rohstoffpreis von 2,50 DM/kg bis 5 DM/kg prognostiziert, der durchaus mit den Kosten für petrochemische Grundstoffe konkurrieren kann, insbesondere dann, wenn die späteren Entsorgungskosten je kg petrochemisch hergestelltem Kunststoff von etwa 2 DM mit eingerechnet werden.

Eine großtechnische Trennung der beiden Stärkekomponenten, Amylopektin und Amylose, stellt wegen des hohen Aufwands keine Lösung dar, so dass seitens der Industrie Interesse an einem homogenen Rohstoff mit einem natürlichen Amylosegehalt besteht. Die Forderung nach hochamylosereicher Stärke erfüllen derzeit nur der Amylomais und die Markerbsen. An die klimatischen Bedingungen der weniger warmen Regionen Deutschlands, z.

B. nördlich der Mainlinie, sind nur die Erbsen angepaßt, Mais wird dort zu spät reif. Auch aus ökologischen Gründen, z. B der Auflockerung von Fruchtfolgen sind Erbsen dem Mais vorzuziehen...

b) B.-Institut

Das B.-Institut hat bereits im Jahre 1991 gegenüber dem Staatsministerium folgendes erklärt: Vor dem Hintergrund der derzeitigen Erkenntnisse über die Eignung der Erbsenstärke als Basismaterial für innovative neue Werkstoffe erscheint es uns notwendig, auch den agrarischen Anbau und die Stärkegewinnungstechnik auszuweiten bzw. zu entwickeln. Dies vor allem deshalb, weil eine industrielle Erzeugung des Stärkewerkstoffs erst oberhalb einer Rohstoff-Einsatzmenge von 1.000 Tonnen Stärke wirtschaftlich sein wird. Diese Rohstoffmenge entspricht in etwa einer Anbaufläche von 1.000 Hektar, einer Fläche also, die eine Ausweitung des HA-Erbsenanbaus (HA = High-Amylose) über mehrere Vegetationsperioden hinweg erfordert. Analoges gilt für den Aufbau einer Stärkegewinnungstechnik mit der Erprobung der Nebenproduktverwertung.... Derzeit haben u. E. die Aktivitätsebenen Agrarischer Anbau und Stärkegewinnung einen Nachholbedarf.

c) E. AG

Die E. AG äußert sich in einem Schreiben gegenüber dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 3. Dezember 1990 wie folgt: In unserem Auftrag wurden mit hoher Priorität bei B. in

F. Eignungsprüfungen an der Erbsenstärke und ihren Derivaten durchgeführt; dies ebenfalls immer im Vergleich zu Hochamylose-Maisstärke. Diese Versuche sind für uns sehr erfreulich ausgefallen, denn sie haben nicht nur