Illegales Handeln mit radioaktiven Materialien

Im Rahmen des Untersuchungsausschusses des Bayerischen Landtags zur Aufklärung der Tätigkeit bayerischer Behörden in Fällen von Nuklearkriminalität (Drs. 13/2981) wurde u.a. festgestellt, dass die Anzahl der Fälle des illegalen Handels mit Plutonium, waffenfähigem Uran und sonstigen unter das KWKG fallenden nuklearen Stoffen von 1991 bis 1995 deutlich zugenommen haben. So sind in dem genannten Zeitraum insgesamt 159 Hinweise über Angebote von Nuklearmaterialien mit einem Bezug zu Bayern registriert und bis zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses am 26.10.1995 neben den speziell untersuchten Fällen Landshut und München zwanzig staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren eingeleitet worden.

Ich frage deshalb die Staatsregierung:

1. Wie viele Hinweise auf illegale Angebote von radioaktiven Materialien sind von bayerischen Behörden seit dem 27.10.1995 bis heute (aufgegliedert nach den einzelnen Jahren) registriert worden?

2. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des illegalen Handels mit radioaktiven Materialien wurden in dem genannten Zeitraum eingeleitet und abgeschlossen und mit welchem Ergebnis?

3. Aus welchen Ländern stammten jeweils die Anbieter der radioaktiven Materialien?

4. In wie vielen Fällen sind in dem genannten Zeitraum verdeckte Ermittler bzw. nichtoffen ermittelnde Polizeibeamte, insbesondere als Scheinaufkäufer tätig geworden?

5. Welche radioaktiven Stoffe wurden in dem genannten Zeitraum angeboten und ggf. sichergestellt und falls Sicherstellungen erfolgt sind, wo werden die entsprechenden Stoffe gelagert?

6. Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung seit dem Abschluß der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses ergriffen, um die internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Nuklearkriminalität zu verbessern?

Antwort des Staatsministeriums des Innern

Die schriftliche Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz und dem Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen wie folgt:

Unter dem Begriff der Nuklearkriminalität fallen alle illegalen Aktivitäten im Zusammenhang mit radioaktiven Stoffen oder solchen Stoffen, von denen Tatbeteiligte behaupten, sie seien radioaktiv.

Daneben umfaßt die Bekämpfung der Nuklearkriminalität auch die Fälle mit inaktiven Stoffen, sog. seltene Erden, wie z. B.: Scandium, Osmium und Hafnium. Schwierig wird die rechtliche Einstufung dieser Stoffe, wenn sie ohne Isotopenspezifizierung angeboten werden. Isotope der erwähnten Stoffe können sowohl stabil (nichtradioaktiv) als auch instabil (radioaktiv) sein. Im ersten Fall (nicht radioaktiv) unterliegt der Umgang mit diesen Stoffen nur den üblichen zollbzw. steuerrechtlichen und evtl. Embargobestimmungen. Im zweiten Fall (radioaktiv) unterliegt der Umgang mit diesen Stoffen den Vorschriften der Strahlenverordnung, des Atomgesetzes sowie im Einzelfall den entsprechenden Bestimmungen des Strafgesetzbuches und des Kriegswaffenkontrollgesetzes. Für die Verfolgung von Kernenergie- und Strahlungsstraftaten ist das Bayerische Landeskriminalamt originär zuständig.

Die nachfolgenden Ausführungen beruhen auf Erhebungen des Bayerischen Landeskriminalamts, wobei die von diesem zu Frage 2 erhobenen Ermittlungsverfahren von den betroffenen bayerischen Staatsanwaltschaften überprüft wurden.

Eine Mitteilung sämtlicher einschlägiger Ermittlungsverfahren ist mangels gesonderter statistischer Erfassung nicht möglich.

Von diesen Verfahren

­ wurden 16 Verfahren nach § 170 Abs. 2 eingestellt,

­ wurden 2 Verfahren nach § 154 Abs. 1 erledigt,

­ wurde 1 Verfahren nach § 205 vorläufig ein gestellt und

­ ist 1 Verfahren noch anhängig.

Zu 3. Nicht offen ermittelnde Polizeibeamte sind in dem genannten Zeitraum in einschlägigen Fällen nicht eingesetzt worden.

Zu 5.: Es wurden folgende Stoffe angeboten: 1995 (seit dem 27.10.1995)

In beiden Fällen wurde Osmium 187 angeboten; keine Sicherstellung. Gestein 1 Hinweis Cäsium 137

1 Hinweis Plutonium Sichergestellt wurden:

­ Im Zusammenhang mit einem Hinweis auf Red Mercury wurden in einem D-Zug-Abteil eine Flasche mit l00 g Quecksilberoxid sichergestellt.

Verbleib: Bayerisches Landeskriminalamt

­ Der radioaktive Metallschrott wurde sichergestellt und nach Messung im Landesamt für Umweltschutz wieder freigegeben.

­ Osmium 187 wurde sichergestellt; nach Gutachten Landesamt für Umweltschutz kein radioaktives Material

­ Uran 235 wurde durch rumän. Sicherheitskräfte in Rumänien sichergestellt

­ Cäsium 137; Fund einer Dose mit radioaktivem Flügelrad; Verbleib: Staatsanwaltschaft

­ Radium 226; Einheitliches und koordiniertes Zusammenwirken der beteiligten Stellen wird deshalb ständig sichergestellt.

Von der Staatsregierung wurden und werden verschiedene Vorhaben verstärkt durchgeführt, wie unter anderem die Spezialausbildung der mit der Bekämpfung der Nuklearkriminalität betrauten Kriminalbeamten. Sie werden polizeiintern und extern (Landesamt für Umweltschutz, Forschungszentrum Karlsruhe) für ihre Ermittlungstätigkeit aus- und fortgebildet.

Neben fachspezifischen Bestrebungen und Projekten ist eine Vielzahl von im sicherheitsbehördlichen Sektor durchgeführten Maßnahmen ­ auch wenn sie nicht konkret auf das Gebiet Nuklearkriminalität fixiert sind ­ diesem Bereich dienlich. So können hierzu beispielhaft die gesamte Aus- und Fortbildung sowie Informations- und Auswerteprojekte im Bereich der OK-Bekämpfung herangezogen werden, da gerade dieser Bereich auch dem in Frage stehenden Deliktsphänomen nahesteht bzw. partiell diesem zugerechnet werden muß.

Zum Aufhellen von Täterstrukturen und um Ermittlungskomplexe zusammenzuführen, wird in Bayern zudem ein intensiver Informationsaustausch und internationaler Datenaustausch über/mit dem Bundeskriminalamt, dem Bundesgrenzschutz, dem Zollkriminalamt und den anderen Landeskriminalämtern durchgeführt. Die Grenzdienststellen sind angewiesen, verstärkt auf mögliche Einfuhr von Nuklearmaterial zu achten.

Am 01.07.1999 hat das Europäische Polizeiamt (Europol) seine Tätigkeit aufgenommen. Auch Bayern hat beim Aufbau dieses Amtes, das u.a. für die Bekämpfung des illegalen Handels mit radioaktiven Substanzen zuständig ist, vielfältig mitgewirkt.

Darüber hinaus engagiert sich die Staatsregierung fortwährend auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe.

Hier ist Bayern bestrebt, in Zusammenarbeit mit Bund und anderen Ländern auf eine Effizienzsteigerung und ­ soweit möglich ­ Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs hinzuwirken. Im Rahmen der Verhandlungen zur Ausgestaltung völkerrechtlicher Verträge, wie zuletzt bei den Vertragsverhandlungen zum Abkommen mit der Schweiz und der Tschechischen Republik, wurde eine Ausarbeitung der Verträge im Lichte dieser Intentionen angestrebt.

Besonders zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die Entschließung des Bundesrates zur effektiven Strafverfolgung in einem Europa ohne Grenzen, die auf einen Antrag Bayerns (Drucksache 646/98) zurückgeht. Der Entschließungsantrag war in seiner Zielsetzung auf die Effizienzsteigerung des internationalen Rechtshilfeverkehrs ausgerichtet; zur Umsetzung war ­ auch im Rahmen der EURatspräsidentschaft ­ weithin der Bund gefordert.

An Aktivitäten der Staatsregierung seit 1994 u.a. auch zur Bekämpfung der organisierten Nuklearkriminalität sind zum einen das 15-Punkte-Programm zur Inneren Sicherheit und die Fortschreibung des Programms Innere Sicherheit durch die Innenminister /-senatoren der Länder und des Bundesministers des Innern zu erwähnen.

Bereits seit 1994 wurde die internationale Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden, insbesondere in den MOE-Staaten verstärkt. Es wurde ein Abkommen zwischen Ungarn und Bayern im Jahr 1996 abgeschlossen, und es wurden darüber hinaus insbesondere enge Kontakte zur Tschechischen und Slowakischen Republik geknüpft. Des weiteren sind auch auf nationaler Ebene weitere Zusammenarbeitsvereinbarungen bzw. Kooperationsabkommen auf verschiedenen Gebieten geschlossen worden, die sich zwar nicht ausdrücklich mit dem Bereich der Nuklearkriminalität befassen, jedoch in ihren Auswirkungen auch diesen Komplex einschließen. So kann hier als ein Beispiel das Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung genannt werden.

Als weiteres Beispiel einer ganz erheblichen Verbesserung der Zusammenarbeit mit den MOE-Staaten kann die im Dezember 1996 gegründete Arbeitsgemeinschaft für polizeiliche Zusammenarbeit mit den Staaten Mittel- und Osteuropas genannt werden. Die an deren Gründung Bayern maßgeblich beteiligt war, hat sich zwischenzeitlich als bedeutendes Dialog- und Koordinierungsgremium etabliert und stellt einen wesentlichen Baustein zum Aufbau einer engen Sicherheitskooperation zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität in Mittel- und Osteuropa dar. Bayern hat bislang an allen Konferenzen der teilgenommen und ist Ausrichter der

5. Tagung vom 13.­15. Oktober 1999 in Wildbad Kreuth.

Abschließend kann erwähnt werden, dass Bayern umfassend an den Beratungen in der Arbeitsgruppe beteiligt war, in der unter Federführung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auch Fragen der internationalen Zusammenarbeit bei gravierenden nuklearen Nachsorgefällen diskutiert wurden. Der vom Innenressort 1995 an den Bund herangetragene Vorschlag zur Einrichtung einer nationalen/ggf. europäischen task forcell zur Bekämpfung der Nuklearkriminalität war ebenfalls Gegenstand der Diskussion. Auf Bundesebene wurde in diesem Zusammenhang u.a. eine nicht ausreichende gesetzliche Aufgabenzuweisung für eine Verlagerung von Verantwortlichkeiten auf den Bund thematisiert.

Im gefertigten Entwurf des Abschlußberichts der AG Nachsorge Gesamtkonzept zur Bewältigung gravierender nuklearer Nachsorgefälle wurde die Intention des bayerischen Vorschlags insoweit teilweise aufgegriffen, als der Beschlußvorschlag vorsieht, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und das Bundesministerium des Innern zu beauftragen, die Arbeiten am Aufbau der zentralen Unterstützungsgruppe beim Bund und die Bemühungen um vertragliche Vereinbarungen über eine Unterstützung durch ausländische Gefahrenabwehrkräfte in gravierenden nuklearen Nachsorgefällen weiterzuverfolgen.

Die Beratungen in den zuständigen Fachgremien sind noch nicht abgeschlossen.