Der Informationsaustausch zwischen Behörden ist in § 116 der Abgabenordnung AO sowie in § 4 Abs

Zusammenarbeit der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden mit der Finanzverwaltung in Zusammenhang mit Steuerstraftaten und rechtswidrigen Handlungen; Mitteilung steuererheblicher Tatsachen

Die Finanzbehörden sind verpflichtet, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere in Steuerstrafverfahren ist eine vollständige Erfassung aller steuerlich bedeutsamen Tatbestände häufig nur durch die Unterstützung anderer Institutionen möglich, da Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden häufig über steuerlich verwertbare Informationen verfügen, von denen die Finanzverwaltung noch keine Kenntnis hat.

Der Informationsaustausch zwischen Behörden ist in § 116 der Abgabenordnung (AO) sowie in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geregelt (Anlage 1). Danach haben Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden beim Verdacht einer Steuerstraftat oder bei Bekanntwerden rechtswidriger Handlungen, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklichen, die entsprechenden Tatsachen den Finanzbehörden mitzuteilen. Durch diese Vorschriften soll eine vollständige Erfassung aller Steuerquellen sichergestellt werden und die Zusammenarbeit der Justiz mit den Finanzbehörden zur Durchführung der Besteuerung gefördert und erleichtert werden. Daneben besteht seit dem 1. August 2004 durch das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (SchwarzArbG) eine weitere Grundlage zur Zusammenarbeit von Zollverwaltung und sog. unterstützenden Stellen wie Finanzbehörden, Bundesagentur für Arbeit, Träger der Renten- und Unfallversicherung sowie der Sozialhilfe etc.

Anzeige von Steuerstraftaten nach § 116 AO:

Durch § 116 AO sollen bisher unbekannte und unentdeckte Steuerfälle erfasst werden. Eine Mitteilungspflicht besteht für Gerichte sowie für die Behörden von Bund, Ländern und kommunalen Trägern der öffentlichen Verwaltung, sofern diese Tatsachen dienstlich erfahren, die den Verdacht einer Steuerstraftat begründen. Bei dieser Mitteilungspflicht handelt es sich um eine Informationspflicht, d.h. die Mitteilungen müssen von Amts wegen ohne vorheriges Ersuchen durch die Finanzbehörden erfolgen. Die gesetzliche Verpflichtung zur Mitteilung an die Finanzbehörden besteht, sofern sie nicht spezialgesetzlich ausgeschlossen ist.

Nachfolgend aufgeführte Beispiele stellen mitteilungspflichtige Vorgänge dar, die den Anwendungsbereich des § 116 AO verdeutlichen:

· In einem Arbeitsgerichtsverfahren wird bekannt, dass Schwarzlöhne gezahlt wurden. Dabei wurden die Tatbestände der Lohnsteuerhinterziehung und des Betruges hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge erfüllt. Da Schwarzlohnzahlungen häufig aus nicht versteuerten Einnahmen stammen, können weiterhin auch die Tatbestände der Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuerhinterziehung gegeben sein.

· In einem Zivilverfahren wird bekannt, dass die tatsächlich geleistete Zahlung für einen Grundstückskauf höher ist als der im notariellen Vertrag beurkundete Kaufpreis.

Es liegt der Tatbestand der Grunderwerbsteuerhinterziehung vor. Darüber hinaus könnte der Erwerber für die Zuzahlungen nicht versteuerte Gelder verwendet haben.

· Bei Unterhaltsprozessen in Folge von Ehescheidungen werden Einkünfte und Vermögenswerte offen gelegt, die der Finanzbehörde offensichtlich nicht bekannt sind, da diese z. B. im vorgelegten Einkommensteuerbescheid nicht enthalten sind.

· Bei sog. Ohne-Rechnung-Geschäften besteht der Verdacht, dass Betriebseinnahmen nicht versteuert und größtenteils mit nicht erfassten Betriebsausgaben (z.B. Wareneinkauf) ausgeglichen werden. In diesen Fällen können Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuerhinterziehung vorliegen.

· Beim Handel mit Plagiaten (Produkt- und Markenpiraterie) besteht neben dem Betrug gegenüber den Kunden der Verdacht der Steuerhinterziehung, da die so erzielten Gewinne häufig nicht versteuert werden.

· Im Rahmen von Streitigkeiten wegen Zahlungsansprüchen oder Mängelbeseitigungen wird bekannt, dass der leistende Unternehmer sein Gewerbe nicht beim Gewerbeamt angemeldet hat.

Das zuständige Finanzamt erhält vom Gewerbeamt einen Durchschlag der Gewerbeanmeldung und ist somit über die Betriebsaufnahme informiert. Fehlt die Gewerbeanmeldung, bleiben derartige Steuerpflichtige dem Finanzamt meist unbekannt. Es besteht daher der Verdacht der Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuerhinterziehung.

· Die Kriminalpolizei erlangt Kenntnisse über rechts- oder sittenwidrige Handlungen (z.B. Prostitution oder Rauschgifthandel).

Für die Steuerpflicht ist es unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes erfüllt, gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt.

Deshalb sind auch Umsätze und Einkünfte aus Prostitution, Zuhälterei, sowie die Einkünfte aus Rauschgifthandel etc. zu besteuern. Somit ist in diesen Fällen der Verdacht der Einkommen- und Umsatzsteuerhinterziehung gegeben.

In Anlage 2 werden hierzu die vielfältigen Möglichkeiten der Besteuerung rechts- oder sittenwidriger Handlungen aufgezeigt.

Unabhängig von der bestehenden Mitteilungspflicht könnte insbesondere die Kriminalpolizei bei Ermittlungen im Rotlichtmilieu die Tätigkeit der Finanzbehörden unterstützen, indem sie die Prostituierten auf die Steuerpflicht ihrer Einkünfte und die Möglichkeit hinweist, ein steuerliches Ermittlungsverfahren durch eine Selbstanzeige beim zuständigen Finanzamt zu umgehen. Dieser Hinweis ersetzt jedoch nicht die Mitteilungspflicht nach § 116 AO, sondern ergänzt sie vielmehr.

Anzeige von rechtswidrigen Handlungen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG:

Nach dieser Vorschrift besteht eine Mitteilungspflicht für Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden über Tatsachen in Zusammenhang mit rechtswidrigen Handlungen, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines Gesetzes verwirklichen, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.

Hier kommen insbesondere folgende nichtsteuerlichen Strafvorschriften in Betracht:

· Straftaten im Amt (§§ 331 ff StGB), insbesondere Vorteilsannahme und Bestechlichkeit

· Straftaten gegen den Wettbewerb (§§ 299, 300 StGB)

· Straftaten in Zusammenhang mit Wähler- und Abgeordnetenbestechung (§§ 108b, 108e StGB)

· Straftaten in Zusammenhang mit dem EU-Bestechungsgesetz (§§ 332, 334 bis 336, 338 StGB in Verbindung mit Artikel 2 zu §§ 1, 2 des Gesetzes zum Protokoll zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft)

· Straftaten im Zusammenhang mit dem Internationalen Bestechungsgesetz (Straftaten im Sinne der §§ 334 bis 336, 338 Abs. 2 StGB in Verbindung mit §§ 1 bis 3 des Gesetzes vom 10.09.1998 zu dem Übereinkommen vom 17.12.1997 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr)

Diesen Taten kommt steuerlich eine besondere Bedeutung zu, da die Täter in diesen Fällen auch über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, um die folgenden steuerlichen Schulden zu tilgen.

Unterrichtung und Zusammenarbeit von Behörden nach dem SchwarzArbG:

Die Verfolgung und Ahndung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit erfolgt durch unterschiedliche Behörden und Stellen. Die Behörden der Zollverwaltung und die in § 2 Abs. 2 SchwarzArbG genannten unterstützenden Stellen (z.B. Finanzbehörden, Bundesagentur für Arbeit, Träger der Renten- und Unfallversicherung sowie der Sozialhilfe, Polizeivollzugsbehörden) sind daher nach § 6 Abs. 1 SchwarzArbG verpflichtet, sich gegenseitig über das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für Verstöße, bei denen die ermittelnde Behörde nicht selbst zuständig ist, zu unterrichten. Wird beispielsweise bei einer Prüfung von Lohnunterlagen durch eine Behörde der Zollverwaltung festgestellt, dass die Lohnsteuer nicht abgeführt wurde, muss die Finanzbehörde informiert werden. Diese veranlasst dann das Notwendige, um die entstandenen Steuern nachzuerheben. Diese Zusammenarbeit verhindert, dass Verstöße aufgrund fehlender Zuständigkeit der ermittelnden Behörde und mangelnden Informationsaustausches nicht verfolgt werden.

Mitteilung von Vorgängen und Ansprechpartner:

Die Mitteilungen nach § 116 AO oder § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG sind an die örtlich zuständige Bußgeld- und Strafsachenstelle zu richten. Anlage 3 enthält eine Auflistung aller Bußgeld- und Strafsachenstellen in Hessen unter Angabe der jeweiligen örtlichen Zuständigkeiten.

Im Regelfall genügt es, entsprechende Ablichtungen aus der Prozessakte unter Hinweis auf die einschlägige Vorschrift zu übersenden. § 116 AO sieht keine Unterrichtung der Betroffenen vor, eine solche kann im Gegenteil sogar den Ermittlungserfolg gefährden.

Eventuell bestehende Fragen hinsichtlich der Anwendung der o.g. Vorschriften können vor der Übersendung einer Mitteilung ­ auch telefonisch - mit der zuständigen Bußgeld- und Strafsachenstelle erörtert werden.