Beitragssätze in der Teilkaskoversicherung Wildschäden

Aus polizeilichen Unterlagen geht hervor, dass in niederbayerischen Landkreisen die Zahl der Wildunfälle sehr hoch ist. Im Jahr 1998 waren im Bereich der Polizeiinspektion Eggenfelden 355, Pfarrkirchen 670 und Simbach/Inn 347 bestätigte Wildunfälle zu verzeichnen. Der Anteil der Wildunfälle an den gesamten Verkehrsunfällen beträgt in Eggenfelden 25 %, in Pfarrkirchen 58,3 % und in Simbach 43 %. Die Folge ist, dass die Bürger des Landkeises Rottal/Inn um gut 100 DM höhere Prämien zahlen als in vergleichbaren Nachbarlandkreisen. Das zusätzliche Prämienaufkommen beträgt für den Landkreis Rottal/Inn ca. 6 Mio DM.

Ich frage die Staatsregierung:

1. Wie ist das Verhältnis von bestätigten Wildunfällen gegenüber den gesamten Verkehrsunfällen in den niederbayerischen Landkreisen (bitte nach Landkreisen darstellen)?

2. Welche Gründe gibt es für die Häufung von Wildunfällen?

3. Inwieweit lassen sich aus den Vegetationsgutachten Hinweise auf die Rehwilddichte in diesen Gebieten entnehmen?

4. Wie entwickelten sich in diesen Gebieten die Abschußzahlen?

5. Wie werden in den betroffenen Landkreisen die Abschußzahlen kontrolliert?

6. Was kann zur Senkung der Zahl der Wildunfälle in jagdlicher Hinsicht getan werden und welche weiteren Maßnahmen sollen ergriffen werden?

Antwort des Staatsministeriums des Innern vom 16. 11. 1999

Die schriftliche Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit den Staatsministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Wirtschaft, Verkehr und Technologie wie folgt: Zunächst ist generell festzustellen, dass die Teilkaskoversicherung im Rahmen der Kfz-Versicherungen nicht nur Schäden durch Wildunfälle reguliert, sondern auch Schäden, die durch Diebstahl, Glasbruch, Brand oder Überschwemmung entstehen. Deshalb ist für die Höhe der Versicherungsprämien nicht nur die Schadensbilanz bei den Wildunfällen ausschlaggebend, sondern die des gesamten umfaßten Schadensbereiches. Für das gesamte Bundesgebiet betrug im Jahr 1998 der Anteil der Wildschäden an den Teilkaskoschäden lediglich 15,25 Prozent (an den Vollkaskoschäden 3,77 Prozent).

Die Versicherungsunternehmen unterliegen keinen speziellen Vorschriften über die Kalkulation der Kfz-Versicherungen mehr. Die Versicherungsunternehmen sind insoweit in ihrer Tarifgestaltung frei. Es gibt jedoch Tarifempfehlungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV). Diese beruhen auf den Bestands- und Schadensmeldungen aller Mitglieder (fast gesamter deutscher Bestand). Da das versicherungstechnische Kalkulationsverfahren des GDV fundiert und detailliert ist, geben seine Werte verläßlich Auskunft über die Schadensentwicklung.

Die Schäden werden allerdings nach dem Zulassungsbezirk eines in einen Unfall verwickelten Kfz erfaßt und diesem zugeordnet, nicht nach dem Ort des Unfalls. Zum Zulassungsbezirk Rottal/Inn kann der GDV-Statistik entnommen werden, dass in der Teilkaskoversicherung insgesamt die höchsten Schäden in Bayern (179,44 Prozent der durchschnittlichen Schäden in einem deutschen Zulassungsbezirk) und in der Vollkasko insgesamt mit 132,57 Prozent die zweithöchsten Schäden in Bayern eingetreten sind.

Das Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie hat den GDV nunmehr auch um eine spezielle Auswertung der Wildschäden in den Zulassungsbezirken gebeten.

Die Ergebnisse liegen gegenwärtig noch nicht vor.

Zu der Höhe der Teilkaskoprämien im Landkreis Rottal/Inn hat eine seitens des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überschlägig vorgenommene Nachfrage beim größten deutschen Versicherer (Allianz AG) ergeben, dass die generelle Aussage, es seien um gut 100 DM höhere Prämien zu zahlen, nicht zutreffen dürfte. So beträgt beispielsweise die Teilkaskoprämie für einen Opel Vectra 1,6 l, 75 PS, Limousine, im Landkreis Rottal-Inn 270,10 DM, im Landkreis Dingolfing/Landau 252,90 DM, im Landkreis Deggendorf 228 DM und in den Landkreisen Passau, Landshut und Mühldorf jeweils 229 DM.

Die Einzelfragen 1 bis 6 darf ich wie folgt beantworten:

Zu 1. Nach polizeilichen Aussagen betrifft dies insbesondere die Zuständigkeitsbereiche der Polizeiinspektion Pfarrkirchen und Simbach.

Aus Sicht des Polizeipräsidiums Niederbayern/Oberpfalz und der Regierung von Niederbayern, die hierzu das Landratsamt Rottal-Inn einbezogen hat, können hierfür folgende Gründe genannt werden:

­ es gibt keine zusammenhängenden großen Waldgebiete.

Die Struktur des Landkreises zeigt eine Vielzahl von Einöden, Weilern und Dörfern, von verzweigten landwirtschaftlichen Flächen und kleinen Waldgebieten, was einen vermehrten Wildwechsel nach sich zieht;

­ die Fahrzeugdichte im Bereich des Landkreises beträgt pro 1000 Einwohner 789 Pkw und liegt damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt;

­ es kommt zu häufigen Nachtfahrten, was zum einen durch die große Zahl von Schichtarbeitern (bei nachts fehlenden öffentlichen Verkehrsmitteln) und zum anderen durch die auf dem flachen Land verstreut liegenden Diskotheken begründet ist.

Zu 3.: Das sog. Vegetationsgutachten beruht auf einem zweistufigen Verfahren, wonach im ersten Schritt auf der Grundlage eines schematischen Stichprobenverfahrens eine Verbißinventur durchgeführt und im zweiten Schritt eine gutachtliche Äußerung des Forstamtes mit einer Einwertung der Verbißbelastung der Waldverjüngung und einer allgemeinen Empfehlung für die Abschußregelung für das Gebiet einer Hegegemeinschaft abgegeben wird.

Der Verbißinventur liegt ein klares einheitliches Aufnahmeverfahren zugrunde, das Aufschluß gibt über Dichte und Zusammensetzung der Waldverjüngung sowie über die Belastung durch Schalenwildverbiß und Fegeschäden.

Daran schließt sich die forstfachliche Beurteilung an, die Äußerungen enthält, ob die objektiv festgestellte Verbißbelastung tatsächlich die Entwicklung der Waldverjüngung gefährdet. Hierfür ist es unabdingbar, die örtliche Situation zu berücksichtigen, da bei gleicher Verbißbelastung und unterschiedlicher Ausgangssituation jeweils angepaßte Schlußfolgerungen bezüglich des Erreichens waldbaulicher Ziele notwendig sind.

Ziel des forstlichen Gutachtens ist es, hegegemeinschaftsweise Aussagen über die Höhe der Verbißbelastung zu treffen und, darauf abgestellt, Empfehlungen für die künftige Abschußplanung innerhalb einer Hegegemeinschaft zu formulieren.

Insofern ist die im forstlichen Gutachten getroffene Aussage zur Abschußempfehlung ein Hinweis darauf, ob die Rehwilddichte innerhalb einer Hegegemeinschaft, bezogen auf die örtliche waldbauliche Situation, zu hoch ist oder nicht.

Ein einfacher Zusammenhang zwischen Wildverbiß, hoher Wilddichte und erhöhten Wildunfällen im Straßenverkehr dürfte sich aus der Sicht des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wegen der vielfältigen Einflußfaktoren wohl kaum herleiten lassen. Vielmehr sind die Entstehungsursachen für Unfallschwerpunkte im Einzelfall vor Ort zu analysieren, insbesondere sind das Verkehrsaufkommen und die Revierstruktur konkret zu betrachten (z.B. Durchschneiden von Wildwechseln, Feld-, Waldverhältnisse etc.)

Zu 4.: Die Entwicklung der Abschußzahlen in den Landkreisen des Regierungsbezirks Niederbayern kann der Anlage entnommen werden. Es ist festzustellen, dass seit der Abschußperiode 1986­1988 die Abschußzahlen von 115.473 Stück Rehwild um 25,6 Prozent auf 145.087 in der Periode 1995­1998 gestiegen sind. Dabei ist der Anteil des Fallwildes an der Gesamtstrecke prozentual betrachtet von 19,9 Prozent in der Periode 1986­1988 auf 15,5 Prozent in der Periode 1995­1998 gesunken. Der Anteil des Fallwildes, der auf den Straßenverkehr zurückzuführen ist, wird in der Wildstatistik nicht eigens erhoben.

Noch deutlicher ist diese Entwicklung beim Landkreis Rottal-Inn erkennbar. Hier stiegen die Abschußzahlen von 26.586 Stück Rehwild in der Periode 1986­1988 um 32,4 Prozent auf 35.204 Stück in der Periode 1995­1998 an.

Gleichzeitig verminderte sich der Anteil des Fallwildes an der Gesamtstrecke von 16,7 Prozent in der Periode 1986-88 auf 8,4 Prozent in der Periode 1995­1998.

Zu 5.: Gemäß § 16 Abs. 2 der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes hat jeder Revierinhaber über das durch Abschuß oder Fang erbeutete Wild eine Streckenliste zu führen. Die Streckenliste ist der Jagdbehörde jederzeit auf Verlangen zur Einsicht vorzulegen. Nach Ablauf des Jagdjahres, spätestens bis zum 10. April, hat der Revierinhaber die mit dem 31. März abgeschlossene und unterschriebene Streckenliste der Jagdbehörde vorzulegen.

Diese kann schon vorher vom Revierinhaber Zwischenmeldungen über den Stand der Abschußplanerfüllung verlangen.

Gemäß § 16 Abs. 4 finden jährlich öffentliche Hegeschauen statt. Diese haben u.a. die Aufgabe, Informationen über die Erfüllung der Abschußpläne zu vermitteln. Die Revierinhaber sind verpflichtet, den Kopfschmuck des gesamten in ihren Jagdrevieren im letzten Jagdjahr erlegten oder verendet aufgefundenen Schalenwildes bei der öffentlichen Hegeschau vorzulegen.

Zur Feststellung von Jagdrevieren mit unbefriedigender Verjüngungssituation, zur Abschußregelung sowie zur Überwachung und Sicherstellung der Abschußplanerfüllung in diesen Revieren sind die Jagdbehörden angewiesen, die mit Schreiben des Landwirtschaftsministeriums vom 26.06. Nr. R 4-7942 und 27.01.1998 Nr. R 4-7942-814 genannten Vollzugshinweise zu beachten. Danach können auf Grund der Vorschriften des und des Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes zur Kontrolle und etwaigen Durchsetzung der Abschußpläne entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, wie etwa die Festlegung von Abschußkontingenten, die innerhalb bestimmter Fristen erfüllt werden müssen, die Anordnung des körperlichen Nachweises oder Zwangsmaßnahmen, insbesondere Zwangsgeldandrohungen.

Zu 6.: Maßnahmen zur Senkung der Zahl der Verkehrsunfälle mit Wild sollten sich gezielt auf erkannte Unfallschwerpunkte konzentrieren.

Je nach Beschaffenheit der Straßenränder und Bewirtschaftungsart der angrenzenden Flächen sind unterschiedliche Maßnahmen erfolgversprechend. Grundsätzlich sollte an Unfallschwerpunkten auch die Bejagung durch die Jägerschaft intensiviert werden. Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, Gehölze an unfallträchtigen Straßen auszulichten, um die Sichtbarkeit des Wildes für den Verkehrsteilnehmer zu erhöhen. Auch das Anbringen von Duftzäunen wird als erfolgreiches Mittel zur Verhinderung von Wildübertritten an stark befahrenen Straßen eingesetzt. Dabei handelt es sich um einen Schaum, der mit einem Duftstoff versetzt ist, der auf Rot- und Rehwild abschreckend wirkt. Der Duftschaum wird im Frühjahr als Schaumbällchen mit Hilfe einer Montagepistole an Bäumen, Sträuchern oder Pfosten im Abstand von 5 bis 10 Metern in einer Zick-Zack-Linie ausgebracht.

Im Herbst ist zur Auffrischung des Duftzauns mit Hilfe der Montagepistole erneut Duftkonzentrat in die bereits aufgebrachten Schaumbällchen zu spritzen. Reh- und Rotwild umgehen die so präparierten Stellen und überqueren die Straße an einem anderen, besser geeigneten Streckenabschnitt.

Erfahrungsgemäß treten Wildunfälle jahreszeitlich betrachtet vorwiegend im Frühjahr und im Herbst nach dem Abernten der landwirtschaftlichen Flächen auf. Dann drängt das Wild in der Dämmerung und Nacht von seinen bewaldeten Einständen auf landwirtschaftliche Flächen, angelockt vom Zwischenfruchtanbau wie beispielsweise Raps oder Weidelgras. Hier könnten gut gemanagte Wildäsungsflächen dazu beitragen, dass Wild möglichst davon abgehalten wird, verkehrsreiche Straßen zu überqueren.

Eine große Rolle spielt die Bepflanzung am Straßenrand, für die die Baulastträger zuständig sind. Werden Pflanzen eingesetzt, die das Rehwild stark anziehen, sind Unfälle naheliegend. Bei der Begrünung von Böschungen sollte auf Saatgutmischungen von Pflanzen zurückgegriffen werden, die dem Wild nicht schmecken.

Bei vielfrequentierten und überregional genutzten Straßen können ein wildsicherer Maschendrahtzaun oder im Zuge der Verkehrsplanung bei Neubauvorhaben Wildtunnel oder -brücken am besten vor Verkehrsunfällen mit Wild schützen.

Beide Maßnahmen sind allerdings mit relativ hohen Kosten verbunden.

Weitere denkbare Maßnahmen sind z. B. die Anbringung von Wildwarnreflektoren (eine optische Einrichtung, die das Wild mit hoher Zuverlässigkeit von der Straße zurückhält) oder das Aufstellen des Gefahrenzeichens 142 der ­ Wildwechsel ­ was aber nur an Stellen mit tatsächlich erhöhtem Wildwechsel zu empfehlen ist, an denen der Verkehrsteilnehmer zudem nicht ohnedies mit Wildwechsel zu rechnen hat (z.B. im Wald), um die Akzeptanz des Verkehrszeichens nicht zu mindern und einen Schilderwald zu vermeiden.

Grundsätzlich muss aber stets vor Ort aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten entschieden werden, welche der genannten Maßnahmen sinnvoll und erfolgversprechend ist.